Karlheinz Götz gleitet mit seinen Handflächen über die gold-gelben Ähren, wenn er in sein Weizenfeld hineinläuft. "Das ist einfach schön", sagt der Landwirt, "und das ist die Ehrfurcht vor der Natur, die wir haben." Rund drei Wochen vor dem Start der Weizenernte im Nördlinger Ries, der "Kornkammer Schwabens", wird klar, dass die Ernte heuer unter besonderen Vorzeichen steht.
Hoher Weizen-Preis, aber auch gestiegene Kosten
Weil in der Ukraine – als großem Weizen-Exporteur – wahrscheinlich deutlich weniger geerntet wird, ist der Preis für Getreide weiterhin hoch. Aktuell liegt er bei rund 360 Euro pro Tonne. Unterm Strich verdienten die Bauern aber nicht mehr, sagt Götz, der auch Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) im Landkreis Donau-Ries ist. Denn gleichzeitig seien etwa die Dünger-Preise um das Drei- bis Vierfache gestiegen und die Energiekosten seien deutlich höher.
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Mehr Wertschätzung aus der Bevölkerung
Auf der anderen Seite spürt der Landwirt aus dem Wallersteiner Ortsteil Birkhausen aber auch mehr Wertschätzung für seine Arbeit. Bauern hatten sich in den vergangenen Jahren oft über mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung beklagt. "Jetzt interessieren sich die Leute wieder mehr dafür, was auf den Feldern wächst, ob der Weizen verfüttert oder vermahlen wird", sagt Götz.
20 Prozent weniger Ertrag beim Weizen
Landwirt Götz pflückt eine der Ähren und zermalmt sie in seiner Faust, um sich die Körner genauer anzuschauen: "Man sieht jetzt schon etwas kleinere Körner, einfach weil der Regen gefehlt hat, und dann sind die Körner nicht mehr ganz so groß." Insgesamt rechnet der Landwirt mit einer unterdurchschnittlichen Ernte. Bei ihm selbst geht er von 20 Prozent weniger Ertrag beim Weizen aus. Die vergangenen beiden Monate waren viel zu trocken.
Dabei gehören die Böden im Ries zu den besten in Bayern, auch weil sie sehr tonhaltig sind und deshalb viel Wasser speichern können. Jetzt sind auf dem Boden im Weizenfeld viele Risse zu sehen, mehrere Zentimeter breit und einen halben Meter tief. Der Boden hat sich durch die Trockenheit zusammengezogen. Die Ernte wird wohl zwei Wochen früher als gewöhnlich starten, schätzt Götz.
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Für die bayerische Ernte ist das Ries von großer Bedeutung
Beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Nördlingen-Wertingen rechnet man noch mit einer durchschnittlichen Ernte – bezogen auf alle Feldfrüchte. Die hohen Temperaturen sorgten für eine frühe Abreife, beim Weizen sei deshalb die Kornfülle nicht optimal, sagt der Leiter des Amtes, Reinhard Bader, dem BR. Für die Ertragssituation in Bayern sei die Kornkammer im Norden Schwabens nach wie vor von großer Bedeutung.
Mehl wird in Deutschland nicht knapp, aber teurer
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte Bader, Mehl werde in Deutschland nicht knapp. Denn der Selbstversorgungsgrad liege bei gut 100 Prozent. Was die Verbraucherinnen und Verbraucher aber spüren werden, sind laut Bader höhere Preise für Lebensmittel, weil das Mehl teurer werde. Sollte es zu einem russischen Gas-Stopp kommen, würde das die Landwirtschaft indirekt treffen. Mühlen und Schlachthöfe bekämen Probleme, und das könne dazu führen, dass es manche Produkte dann im Supermarkt nicht mehr gebe, so Bader.
Auf dem Mähdrescher in Gedanken bei ukrainischen Kollegen
Der Ukraine-Krieg stimmt Landwirt Götz nachdenklich: Auch wenn er keine persönlichen Kontakte in die Ukraine habe, man denke schon immer wieder an die Berufskollegen im Kriegsgebiet. Dort müsse teilweise unter Lebensgefahr auf den Feldern gearbeitet werden. "Man fühlt schon mit. Wenn ich alleine auf dem Mähdrescher sitze, dann denke ich mir schon, wie das wäre, jetzt in der Ukraine zu sitzen."
Sein Vater habe ihm vom Zweiten Weltkrieg erzählt, als es einen Luftangriff auf die Bahnlinie ganz in der Nähe von seinem Weizenfeld gegeben habe, das damals schon von seiner Familie bestellt wurde. Ähnliche Situationen müssten jetzt die Bauern in der Ukraine durchmachen.
Einige Bauern säen im Herbst mehr Weizen
Den fehlenden Weizen auf dem Weltmarkt werden die Bauern in Nordschwaben aber nicht ausgleichen können. Dafür ist das Ries natürlich viel zu klein. Einige Bauern würden im Herbst wahrscheinlich mehr Weizen anbauen, aber insgesamt habe man nur wenig Spielraum in der Fruchtfolge, so Götz. Er baue auch Zuckerrüben für das Werk in Rain am Lech an und Kartoffeln für eine Pommes-Fabrik im Landkreis. Die langjährigen Lieferbeziehungen wolle er auch künftig aufrechterhalten.
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