"In Westfalen sind Rabenvögel geschützt. Haben sich daher stark vermehrt. Rauben die Nester der anderen Vögel aus und fressen die Jungen! Und somit werden alle anderen Vögel dezimiert." User Winfried Lander über den Facebook-Kanal von BR24
Um dem Vorwurf gegen die Rabenvögel nachzugehen, muss erst einmal geklärt werden, wer überhaupt gemeint ist. Zu den häufigeren Rabenvögeln gezählt werden: Saatkrähen, Rabenkrähen, Nebelkrähen, Elstern und Eichelhäher. Streng - also ganzjährig - geschützt sind von diesen Vögeln aber nur die Saatkrähen.
Rabenvögel: Wer gehört dazu und wer ist tatsächlich geschützt?
Die Koloniebrüter gehen vielen Menschen auf die Nerven. Das liegt aber nicht daran, dass sie den Singvögelbestand dezimieren, sondern am geänderten Brutverhalten. Weil es auf dem Land für sie immer ungemütlicher wird, rücken Saatkrähenkolonien immer näher an Wohnsiedlungen: Anwohner sind verständlicherweise genervt vom Lärm der oft über 100 Vögel.
Als Verantwortliche für das Singvogelsterben scheiden die Saatkrähen aber aus. Sie zählen nicht zu den opportunistischen Allesfressern, die Eier oder Jungtiere aus Nestern holen. Kandidaten hierfür sind vor allem Elstern und Rabenkrähen. Aber tragen sie wirklich Mitschuld am drastischen Rückgang von Amsel, Drossel, Fink und Star?
Schwarze Vögel haben ein Imageproblem
Vogel-Experten halten die Anschuldigung für falsch. "Schwarze Vögel waren schon immer unbeliebt", sagt Matthias Luy vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in München. Nicht nur Krähen, auch Kolkraben galten als Unglücksvogel, und Elstern sind ohnehin als Diebe verschrien. Geschichtlich ist der schlechte Leumund der Krähen vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Vögel Allesfresser sind und sich zum einen in der Nähe von verendeten Tieren herumtrieben, zum anderen aber auch in der Nähe von Galgen zu finden waren.
Laut LBV-Geschäftsführer Luy ist es zwar normal, dass Rabenkrähen oder Elstern in Singvogelnestern wildern, vor allem wenn sie selbst brüten und mehr Nahrung brauchen als im Rest des Jahres. Aber das war schon immer so und könnte einen Rückgang der Singvogelpopulation nur dann erklären, wenn zeitgleich die Krähenpopulation enorm gewachsen wäre. Laut Zahlen des Dachverbands Deutscher Avifaunisten ist der Bestand der Rabenkrähen in Deutschland aber seit 2006 nur um rund 10 Prozent gewachsen. Viel zu wenig um das Singvogelsterben zu begründen. Jäger gehen dennoch seit einem Jahrzehnt verstärkt auf Krähenjagd.
Krähenbestand stabil, trotz deutlich gestiegener Bejagung
Auf Videoportalen wie Youtube kann man den Jägern bei der Krähenjagd zusehen. In vielen Videos geben die Jäger auch die Gründe für das massenhafte Krähenschießen: Die Jagd sei notwendig, um ihr bedrohtes Niederwild, also Rebhuhn, Fasan und ähnliches zu schützen. Die Jäger berufen sich dabei zumeist auf die Erfahrung in ihrem eigenen Revier. Wo Rabenkrähen konsequent bejagt würden, erhole sich der Bestand. Studien von Biologen zeigen allerdings, dass Rabenvögel nur einen kleinen Anteil (5 bis 15 Prozent) der Prädatoren - also Räuber - ausmachen, die das Niederwild in deutschen Wäldern dezimieren.
Thomas Schreder, Sprecher des Bayerischen Jagdverbands, gibt zu, dass industrielle Landwirtschaft und andere Änderungen der Lebensbedingungen möglicherweise größere Gefahren für das Niederwild sind als Rabenvögel, wirbt aber dennoch für das Verständnis für die Krähenjäger:
"Gegen Autounfälle, gegen den Einsatz von Spritzmitteln oder gegen das Wetter können wir als Jäger nichts tun, gegen Rabenkrähen schon." Thomas Schreder, Bayerischer Jagdverband
Mit dem Schießgewehr gegen Huckebein
Und das tun sie. Beispiel Bayern: Seit 2006 ist die Zahl der jährlich von Jägern geschossenen Rabenkrähen um 20.000 gewachsen, von rund 40.000 auf rund 60.000 Tiere. Der Bestand der Rabenkrähen wuchs trotzdem weiter. Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) erklärt, warum:
"Bei so häufigen und weitverbreiteten Arten wie der Rabenkrähe hat ein flächendeckender Beschuss keine Auswirkungen auf den Bestand. Sämtliche Lücken können schnell wieder geschlossen werden." Lars Lachmann, Leiter Ornithologie und Vogelschutz beim NABU
Laut dem NABU-Ornithologen ist der von den Jägern behauptete Erfolg im Kampf gegen Prädatoren aus der Luft nur ein gefühlter Erfolg und sollte aus Tierschutzgründen unterlassen werden - zumal tote Krähen nicht gegessen werden und es auch sonst keine sinnvolle Nutzung für die erlegten Tiere gibt.
Und was ist jetzt mit den Singvögeln?
Unserer Faktencheck ergibt also: Die Rabenvögel für den Tod der Singvögel verantwortlich zu machen, ist falsch. Die Hauptgründe für das Vogelsterben sind laut Experten vom NABU und dem LBV (und werden auch von Jägern nicht bestritten) vor allem die veränderten Lebensbedingungen für Singvögel: Gepflegte Gärten, verstärkte Landwirtschaft und kaum Brachflächen bedeuten: weniger Nistplätze. Das Insektensterben sorgt für weniger Nahrung. Pflanzenschutzmittel, Verkehr und der Klimawandel tun ihr Übriges.