Norbert Köhler steht an seinem Mischpult im Saal des Seniorenheims in Obergünzburg im Ostallgäu und macht einen letzten Soundcheck. Gleich geht sein großer Auftritt als Schlagersänger los. Ein bisschen kribbelt’s da schon: "Lampenfieber habe ich immer", gesteht der 62-Jährige. "Der Beginn ist immer das Schwierigste. Aber wenn der erste Song funktioniert, dann geht es gut."
Weißes Hemd, weiße Hose, türkis-farbenes Sakko und blaues Einstecktuch - für seinen Auftritt hat sich der Pflegedienstleiter ordentlich in Schale geworfen. Der Saal ist dekoriert, Kaffee, Kuchen und Maibowle stehen bereit. Im Vorraum warten schon die ersten betagten Fans auf den Einlass. Regelmäßig tritt Norbert Köhler als Schlagersänger in seinem Heim auf. Mit den Auftritten und seiner Musik will er vor allem eines bewirken: "Dass die Leute zufrieden sind und dass man die strahlenden Augen sieht - das ist einfach das Schönste!"
Die Stimmung passt von Anfang an
Um 15 Uhr ist es dann endlich so weit. Die Rollatoren sind ordentlich vor der Tür geparkt, der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Und die Show beginnt. "Warum kann unser Altenheim am Sonntag keine Disco sein" ist der erste Titel auf der Setlist. Und die Stimmung passt von Anfang an: 60 Seniorinnen und Senioren sitzen um ihre Tische, wippen mit den Füßen, klatschen in die Hände, singen mit. Und einige - die besonders fitten - schwingen tatsächlich sogar gleich das Tanzbein.
"Da fühlt man sich gar nicht so uralt!"
"Das ist einfach klasse! Was kann man sich denn Schöneres wünschen als einen guten Sänger?", schwärmt die Seniorin Martha Puhl. Sie hat gerade einen flotten Tanz mit Heimleiterin Jutta Wild aufs Parkett gelegt. Else Haggenmüller findet die Schlagernachmittage einfach prima. "Wie früher", sagt sie. "Wenn man in der Disko gewesen ist." Und auch Maria Wörle genießt den Liedernachmittag. "Da kann man mitsingen und sich bewegen - da fühlt man sich gar nicht so uralt", sagt die Seniorin und lacht.
Mehr als 1.000 Songs auf Lager
"Ein bisschen Spaß muss sein!", "Mit 66 Jahren", "Put Your Head on my Shoulder" oder "3.000 Jahre" – alte Gassenhauer, beliebte Schlager und weltberühmte Songs gibt Norbert Köhler zum Besten. Über 1.000 Lieder hat der Pflegedienstleiter auf Lager. Mit seiner Musik bereitet er den Bewohnern Freude, schafft Gemeinschaft und bleibende Erinnerungen. Und das selbst bei Menschen, die sich sonst kaum noch etwas merken können, erzählt der 62-Jährige. Einer der bewegendsten Momente war für ihn nach seinem ersten Auftritt im Seniorenheim: Am Tag darauf kam eine schwer demente Bewohnerin zu ihm und bedankte sich für den wunderbaren Nachmittag. "Das geht dann so richtig ins Herz", sagt der Pflegedienstleiter. "Dass das in Erinnerung geblieben ist - das macht mich stolz."
"Die Damen himmeln ihn an!"
Norbert Köhler präsentiert bei seinen Auftritten im Heim auch seine eigenen Songs. Und auch die kommen bei dem betagten Publikum gut an. Vor allem die Seniorinnen fieberten den Auftritten des Pflegedienstleiters regelrecht entgegen, erzählt Heimleiterin Jutta Wild. "Das hat man heute wieder gesehen, wie die Damen ihn anhimmeln und begeistert dabei sind", sagt die Chefin.
Zwei Stunden und fast 40 Lieder später ist der Auftritt beendet. Etwas erschöpft, aber glücklich werden die Bewohner wieder auf ihre Zimmer gebracht. Und auch Norbert Köhler ist zufrieden mit seiner Performance: Besonders freut er sich über die vielen strahlenden Gesichter und die Gemeinschaft beim Singen. "Das macht einfach Riesenspaß", sagt der singende Pflegedienstleiter. Und seine Fans freuen sich schon jetzt auf den nächsten Schlagernachmittag im Seniorenheim.
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