Bis zu 2,5 Millionen Dosen des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik - damit plant die bayerische Staatsregierung im Falle einer Zulassung des Vakzins durch die zuständige EU-Behörde. Doch die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (beide CSU) wirft viele Fragen auf: in anderen Bundesländern, aber auch in Bayern.
Was hat Bayern mit dem Sputnik-Impfstoff vor?
Bayern hat sich die Option auf bis zu 2,5 Millionen Sputnik-Dosen gesichert. Inzwischen ist der entsprechende Vorvertrag unterschrieben, wie Holetschek dem BR bestätigt hat. Produziert werden soll der Impfstoff demnächst auch im schwäbischen Illertissen. Allerdings müssen die Sputnik-Dosen für Bayern laut dem Gesundheitsministerium nicht aus Illertissen kommen - vereinbart wurde demnach die "Option auf eine direkte Einfuhr des Impfstoffs aus Russland".
Laut Holetschek sollen die Sputnik-Dosen vor allem für Menschen in Bayern verwendet werden. "Erstmal haben wir natürlich den Freistaat im Blick, das ist ja klar", sagt er. "Aber ich will nicht ausschließen, dass wir da auch mit anderen drüber reden, wenn es bestimmte Notstände gibt oder bestimmte Szenarien." Ohnehin fehlt bisher die Zulassung des Impfstoffs durch die zuständige EU-Behörde. Deswegen ist offen, wann genau die Sputnik-Lieferung den Freistaat erreicht - laut Söder könnte es "wohl im Juni" soweit sein.
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Warum geht die Staatsregierung diesen Weg?
Holetschek lässt anklingen, dass die bayerische Sputnik-Entscheidung auch mit der zögerlichen Impfstoff-Beschaffung durch die EU zu tun hat. "Diesen Weg sind wir jetzt gegangen, vielleicht auch aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus", sagt er.
Kritik kommt von der bayerischen Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Bis zur europaweiten Sputnik-Zulassung werde auf jeden Fall noch Zeit vergehen, betont sie auf BR-Anfrage. "Anstatt seine Hausaufgaben bei der Pandemie-Bekämpfung zu machen, wirft Markus Söder die nächste Nebelkerze und es wird über seinen Sputnik-Alleingang für Bayern diskutiert." Schulze hält andere Dinge derzeit für wichtiger: "Ausbau-Offensive der Gesundheitsämter, umfangreiche Test-Strategie, schnelleres Impfen der vorhandenen Impfstoffe und die Senkung der Infektionszahlen."
Wie reagieren andere Bundesländer?
Der bayerische Sputnik-Vorvertrag sorgt auch in anderen Bundesländern teils für Kritik. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat betont, dass man sich an das vereinbarte Verfahren halte und keine eigenen Bestellungen aufgebe. Zum bayerischen Vorgehen sagt Weil an Söder gerichtet: "Dass das ausgerechnet derjenige Kollege macht, der ansonsten mit markigen Worten immer ein betont einheitliches Verhalten in der Pandemie-Bekämpfung fordert, das spricht auch für sich."
Auch die thüringische Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) setzt auf ein gemeinsam abgestimmtes Handeln der Bundesländer. Thüringen habe ebenfalls Sputnik-Angebote erhalten, sie aber an die Bundeskanzlerin weitergegeben. Und eine Sprecherin des baden-württembergischen Staatsministeriums teilt auf BR-Anfrage mit: "Es gibt klare Zuständigkeiten: Bund und EU kümmern sich um Beschaffung und Zulassung der Impfstoffe, die Länder sind verantwortlich für die Verimpfung." Es gebe keinen Anlass, daran etwas zu ändern.
Inzwischen ist aber auch klar: Bayern ist kein Alleingänger mehr in Sachen Sputnik - Mecklenburg-Vorpommern zieht nach. Das hat Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) dem NDR bestätigt. Ein unterschriftsreifer Vertrag für eine Million Impfdosen für Mecklenburg-Vorpommern sei auf dem Weg nach Moskau. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kann sich den Einsatz des russischen Impfstoffs grundsätzlich vorstellen, heißt es aus der dortigen Staatskanzlei.
Was sagt die Bundesregierung?
Nach der Ankündigung Bayerns hat auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigt, dass er sich für den Bund in Gesprächen mit Russland um eine mögliche Belieferung mit dem Sputnik-Impfstoff bemühen will. Allerdings macht Spahn im Interview mit "WDR5" Einschränkungen: Zunächst müsse Russland der für die Zulassung zuständigen EU-Behörde Daten liefern. Auch erwarte er eine "verbindliche Aussage wann welche Menge konkret nach einer Zulassung auch Deutschland erreichen könnten".
Zur bayerischen Sputnik-Vorbestellung will sich das Bundesgesundheitsministerium auf BR-Anfrage nicht konkret äußern. Leichte Kritik kommt dagegen vom Vorsitzenden der ständigen Impfkommission, Thomas Mertens. Er sagt im ZDF, zwar sei es prinzipiell gut, dass man jetzt versuche, sich Impfstoff zu sichern. Aber: "Dass das jetzt wieder als bayerischer Alleingang sozusagen geplant sein sollte - wenn das denn so ist - davon bin ich nicht so sehr überzeugt."
Braucht es Sputnik im Sommer überhaupt noch?
Halten die Produzenten ihre bisherigen Zusagen ein, dann dürfte im Sommer in Deutschland ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen. Laut Angaben des Bundesgesundheitsministeriums werden von April bis Ende Juni fast 70 Millionen Impfdosen erwartet. Gut 40 Millionen davon sollen vom Hersteller Biontech/Pfizer kommen. Insofern würden die bis zu 2,5 Millionen Sputnik-Dosen, mit denen Bayern im Juli rechnet, nur einen vergleichsweise geringen Teil ausmachen. Allerdings weist das Bundesgesundheitsministerium darauf hin, dass die Prognosen "mit Unsicherheiten" behaftet seien.
Klar ist dennoch: Sputnik dürfte höchstens ein kleiner Baustein in der deutschen Impf-Strategie werden. Und auch das gilt nur für den Fall, dass schnell geliefert wird: "Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen", sagt Spahn. "Ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff."
- Zum Artikel "Corona-Impfstoffe: Das sind die nächsten Kandidaten"
Wie steht die EU zum Sputnik-Impfstoff?
Die EU will laut Bundesgesundheitsminister Spahn selbst keine Verträge über Impfstoff-Lieferungen aus Russland abschließen. Auch der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton hat laut Medienberichten betont, dass man "absolut keinen Bedarf" habe. Allein mit den in Europa hergestellten Impfdosen könne schon bis zum 14. Juli eine Herdenimmunität auf dem gesamten Kontinent erreicht werden.
Ob und wann die EU Sputnik als Impfstoff europaweit erlaubt, ist offen. Derzeit prüft die zuständige EU-Behörde EMA, ob der russische Impfstoff zugelassen wird - wartet allerdings nach eigenen Angaben auf Daten. Andere Staaten sind weiter: Nach russischen Angaben ist der Sputnik-Impfstoff weltweit inzwischen in rund 50 Ländern zugelassen. Darunter ist auch das EU-Mitglied Ungarn, wo Sputnik schon länger mit einer nationalen Zulassung geimpft wird.
Einen solchen Sonderweg wollen allerdings weder Bayern noch Bundesgesundheitsminister Spahn gehen, sondern auf die EU-Zulassung warten.
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