Michael Walk nennt sich selbst "das grüne Schaf" der Familie. Er interessiert sich für vegane Ernährung, kommt aber aus einer Metzgerfamilie. Kann er seinen Vater von seiner Idee der regionalen Produktion von Fleischersatzprodukten überzeugen?
Bildrechte: BR/Susanne Wimmer
Videobeitrag

Michael Walk interessiert sich für vegane Ernährung, kommt aber aus einer Metzgerfamilie.

Videobeitrag
>

Start-up: Metzgersohn entwickelt vegane Fleischalternative

Start-up: Metzgersohn entwickelt vegane Fleischalternative

Als mittelständischer Metzger hätte Michael Walk in die Fußstapfen des Vaters treten können. Doch der Junior investiert lieber in pflanzliche Fleischalternativen. Das Protein sollen Landwirte aus heimischen Erbsen oder Ackerbohnen liefern.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Michael Walk Junior hätte es sich leicht machen können. Nach einer Metzgerlehre hätte er in den Schongauer Betrieb des Vaters einsteigen und irgendwann mal die 24 Filialen übernehmen können. Doch der 30-Jährige wollte es anders. Er studierte in Berlin Wirtschaftspsychologie und Innovationsmanagement. Und er arbeitete mit Start-ups aus dem Lebensmittelbereich zusammen.

Dabei machte sich der Metzgersohn Gedanken, ob nicht nur Großkonzerne, sondern auch der Mittelstand den Trend zur pflanzlichen Ernährung bedienen könnte. "Ich bin ein bisschen das schwarze oder grüne Schaf in der Familie, das andere Wege einschlägt", sagt er. So entstand die Idee, eine eigene Produktionsfirma zu gründen.  

  • Zum Artikel: Hauptsache kein Fleisch - Was bringen Veggie-Burger und Co?

Vater befürwortet den Schritt 

Nun könnte man meinen, der Vater, ein eingefleischter Metzger, würde einen solchen Schritt verurteilen. Er habe aber keine Vorurteile gegenüber pflanzlichen Produkten, sagt Michael Walk Senior. Zu einer ganzheitlichen Ernährung gehörten gutes Fleisch, aber auch gute pflanzliche Produkte. "Und an und für sich ist die Technologie bei der Herstellung ja ähnlich. Da geht es ums Schneiden, Würzen, um guten Geschmack, um ein reines gutes Produkt", sagt Metzger Michael Walk Senior.

Sohn und Vater haben die Firma "Vemiwa" gegründet, die pflanzliche Fleischalternativen anbietet. Im schwäbischen Königsbrunn fanden sie einen geeigneten Produktionsstandort und im Frühjahr 2023 legte der Metzgersohn los.  

Vegane Fleischalternative - ohne Zusatzstoffe 

Vegane Ersatzprodukte gibt es viele. Doch oft wirkt die Zutatenliste abschreckend. Um eine fleischähnliche Struktur zu bekommen, wird häufig mit Zusätzen und Verdickungsmitteln nachgeholfen. Die sind zwar meist natürlich und somit gesundheitlich unbedenklich, aber Verbraucher bevorzugen häufig Produkte, die nicht auch aus einem Chemiebaukasten stammen könnten. Michael Walk hat deshalb für sich den Anspruch, seine Produkte so "clean" wie möglich zu machen. Er will mit wenigen bis keinen Zusatzstoffen auskommen und weder Aromen noch Farbstoffe verwenden.  

"Extruder" als Herzstück der Produktion 

Um das zu schaffen, benötigt er eine Maschine, die in der Lage ist, die Zutaten Erbsenprotein, Erbsenfasern, Wasser und Öl unter hohem Druck und großer Hitze so stark zu verkneten, dass die Proteine Fasern ausbilden und die Masse zusammenhalten. Das gelingt mit einem sogenannten "Extruder". Der Prozess an sich ist nicht neu. Der Ursprung des Verfahrens liegt in der Umformung oder Formgebung von Werkstoffen und wurde bereits 1797 in England zur Herstellung nahtloser Bleirohre eingesetzt. In den 1930er-Jahren fand die erste beheizte "Schneckenpresse" Einsatz in der Kunststoffindustrie. 

Auch in der Lebensmittelproduktion wird die Extrusion schon lange eingesetzt, so zum Beispiel bei der Herstellung von Nudeln, Müsliriegeln oder Erdnussflips. Aus heutiger Sicht überraschend, dass bereits in den 1960er-Jahren entfettete Sojamehle zu trockentexturierten Sojaproteinen und damit zu ersten Fleischalternativen verarbeitet wurden.  

Innenleben des Extruders ist streng geheim 

Das Innenleben eines Extruders ist ein vom jeweiligen Nutzer streng gehütetes Geheimnis und ähnlich unantastbar wie der exakte Bierbrauprozess. Zunächst werden die Rohstoffe über Pumpen und Dosiergeräte eingefüllt und über eine Schnecke eingezogen. Durch die Rotation der Extruder-Schnecken wird das Material mechanisch geknetet und gemischt. Das Ganze läuft bei Temperaturen von 100 bis 150 Grad ab, wodurch eine sogenannte "Schmelze" entsteht.

Am anderen Ende des Extruders kommt ein Endlosstrang heraus, der aussieht wie flach gepresste Knete. Bei Michael Walk wird dieser Strang zuerst händisch in Stücke geschnitten und dann von einer Schneidemaschine in noch kleinere Stücke, die bereits so aussehen wie Geschnetzeltes.  

Allerdings sei der Weg dorthin nicht einfach gewesen, sagt Walk: "Bis man aus der Maschine ein Produkt herausbringt, das verwertbar ist, dauert es einfach eine Weile. Wir haben eine sehr lange Zeit nur Brei produziert. Da muss man schauen, dass man durchhält."

Natürliche Gewürze liefern den Geschmack 

Walk verwendet unterschiedliche Gewürzmischungen, die eigens für ihn entwickelt wurden und betont, dass sie keine Aromen oder Zusatzstoffe enthielten. Diese Gewürz-Mixe kommen zum Geschnetzelten in einen Mischer, der sie unter Vakuum einmischt.  Die "Chunks", wie er sein erstes Produkt nennt, lassen sich in der Pfanne anbraten und nach Wunsch mit Kokosmilch oder Sahne zu einem Curry, einem veganen Rahmgeschnetzelten oder auch pur zu Salaten oder mit Gemüse zubereiten.

Proteine von Landwirten aus der Region

Den Anspruch, clean zu produzieren, hat Walk für sich erfüllt, aber er möchte noch ein weiteres Problem lösen: die Herkunft seiner Rohstoffe. Während Soja- oder Weizenproteine für den Jungunternehmer als Allergene ausscheiden, kommen für ihn vor allem heimische Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Ackerbohnen infrage. Doch Walk sind kurze Lieferwege wichtig, und deshalb möchte er auch genau wissen, woher seine Rohstoffe kommen. Mit einer landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft ist er bereits im Gespräch, deren Mitglieder Interesse an einer Kooperation haben.  

Allerdings müssen die Erbsen, Ackerbohnen oder Linsen zuvor gedroschen und dann von einer Mühle verarbeitet werden. Um all das muss Walk sich ebenfalls kümmern. Bald steht die Anschaffung eines Proteinmischers an, mit dessen Hilfe er auch noch weitere Proteine und deren Mischungen testen kann - denn eignet sich wirklich Erbsenprotein am besten für das vegane Geschnetzelte? Und könnte man aus Sonnenblumenprotein und Ackerbohnen vielleicht ein feines Hack oder auch ganz andere Produkte herstellen?  

Entwicklung mit Fraunhofer-Institut 

Unterstützung bei der Entwicklung der ersten Produkte holte sich Walk beim Fraunhofer-Institut in Freising und machte dort im Labor auch erste Extruder-Tests. Ab September gibt es die veganen Chunks in den Filialen der Metzgerei Boneberger zu kaufen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Herzkasperl-Zelt auf der Oidn Wiesn. Für die Zukunft möchte der Jungunternehmer es auch anderen Firmen ermöglichen, neue Produkte mithilfe seiner Technologie zu produzieren und sie bei der Entwicklung, Produktion, Verpackung und Vermarktung unterstützen. Seine Produktionsstätte in Königsbrunn könnte dann als Technikum fungieren, um an neuen Produkten zu forschen und diese für die Marktreife weiterzuentwickeln.

Im Video: Was bringen Fleischersatzprodukte?

Veggie-Burger
Bildrechte: picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun
Videobeitrag

Hauptsache kein Fleisch: Was bringen Veggie-Burger und Co?

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!