Steffen Hörtler vor einer Landkarte in seinem Büro.
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Sudetendeutsche engagieren sich grenzübergreifend

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Sudetendeutsche: Nachwuchs will die Zukunft gestalten

Sudetendeutsche: Nachwuchs will die Zukunft gestalten

In Augsburg starten die Sudetendeutschen ihr traditionelles Pfingsttreffen. Viele Vertriebene sind bereits verstorben. Die Nachfahren wollen bewusst auf ein besseres Verhältnis zu Tschechien setzen. Steffen Hörtler in Bad Kissingen zum Beispiel.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Fast 80 Jahre sind vergangen, seit die Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben wurden. Oft wurde vermutet, dass nach der sogenannten "Erlebnis-Generation" kein Interesse mehr an diesem Teil der Geschichte bestehen wird. Doch jetzt betreiben oft Jüngere aus nachfolgenden Generationen, die die Vertreibung nicht mehr selbst erlebt haben, Traditions- und Erinnerungspflege.

"Im Gegensatz zu ihren Eltern haben sich Menschen, die heute zwischen 60 und 70 Jahre alt sind, in der Vergangenheit nie für die Sudetendeutschen interessiert", bestätigt Steffen Hörtler, "nun wollen gerade viele von denen wissen, woher ihre Vorfahren kommen."

Der sudetendeutschen Tradition verpflichtet

Hörtler ist Jahrgang 1973. Er kennt Tiefen wie Höhen der sudetendeutsch-tschechischen Geschichte.

In einer Holzkiste bewahrt er auf, was seine Angehörigen mitnehmen durften, als sie aus ihrer Heimat in Nordböhmen vertrieben wurden. Ein Schulranzen seiner Uroma gehört dazu, ebenso eine Decke von der heimischen Couch. Ein Foto vom ehemaligen Haus seiner Familie in Blottendorf (heute Polevsko) hängt an einer Wand seines Büros.

Steffen Hörtler fühlt sich dieser Tradition verpflichtet. Nicht nur, weil seine Eltern zu den knapp drei Millionen Sudetendeutschen zählten, die nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden. Eine Million von ihnen kam nach Bayern und bildete hier den vielzitierten "Vierten Stamm".

Nähe zu Tschechien suchen

Vielmehr prägten drei eigene Erfahrungen seine Entscheidung, sich beruflich in den Dienst der Sudetendeutschen zu stellen und privat die Nähe zu Tschechien zu suchen.

Hörtler wurde in Thüringen geboren, ihm missfiel, dass die Heimatvertriebenen im DDR-Unterricht nur als sogenannte Umsiedler bezeichnet werden durften. "Außerdem wurde dort erzählt, dass nicht Tschechen die Sudetendeutschen vertrieben, sondern die Nazis – was für ein Humbug", ärgert er sich noch heute.

Später auf einem Internat wollte Hörtler über den Besitz seiner Familie im Sudetenland berichten, doch der Direktor verbat sich seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass er "Revanchismus an meiner Schule nicht zulassen" werde.

Schließlich wunderte sich Steffen Hörtler während seines Studiums der Erwachsenenbildung im vereinten Deutschland über die mangelnde Kenntnis seiner Mitkommilitonen über die Vertreibungsgeschichte.

20 Jahre Erfahrung in der Bildungsarbeit

Deshalb leistet der hochaufgeschossene, kräftige Mann Bildungsarbeit. Seit mehr als 20 Jahren leitet er den Heiligenhof in Bad Kissingen, eine Bildungsstätte der Sudetendeutschen. Jedes Jahr werden dort etwa 60 Veranstaltungen durchgeführt – zur sudetendeutschen Heimatgeschichte, aber auch als politische Bildungsarbeit mit Blick auf Mitteleuropa.

"Es geht um die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn, wobei die Tschechen für uns Sudetendeutsche einen Schwerpunkt bilden", führt Hörtler aus. Wichtig für ihn: ein "Blick nach vorne", man wolle "Zukunft gemeinsam gestalten".

Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Das heißt aber auch, dass Deutsche und Tschechen ihre Vergangenheit nicht vergessen dürfen. Bedeutet für Hörtler konkret: "Wenn Menschen auf dem Heiligenhof ein Seminar durchgeführt haben, dann müssen sie die Grundzüge der deutsch-tschechischen Geschichte kennen. Das mache ich mir aus meiner eigenen Erfahrung und Geschichte zur Aufgabe."

Wobei Vergangenheit und Zukunft an seiner Einrichtung "fließend ineinander übergehen" sollen. Und damit habe man in den letzten Jahren gute Ergebnisse erzielt. "Vieles hat sich schon zum Positiven gewendet", zieht Direktor Hörtler ein Fazit, "auch wenn wir noch viel Arbeit vor uns haben".

Belastete Beziehungen verbessern

Die über Jahrzehnte äußerst schwierigen und durch die Geschichte belasteten Beziehungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen sind für ihn "heute so gut wie noch nie". Beschleunigt jüngst auch durch den neuen tschechischen Staatspräsidenten Petr Pavel und Ministerpräsident Petr Fiala.

Dies betont Hörtler zwar "aus voller Überzeugung". Trotzdem verzichtet er nicht darauf, in diesem Zusammenhang einmal mehr die "Brückenfunktion" seiner Sudetendeutschen zu Tschechien herauszustellen.

Sudetendeutsche: Ihre Zahl war immer auch ihre Stärke

Neben der Bildungsstätte in Bad Kissingen unterhalten die Sudetendeutsche weitere Institutionen, etwa ihr Sudetendeutsches Haus in München. Ihre große Zahl an Menschen war immer eine Stärke, eine "Massenorganisation" sind sie jedoch durch den Tod vieler Vertriebener nicht mehr.

Dafür pflegen sie nun Netzwerke, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Mit vielfältigen Kontakten. Auch in politische Kreise. Besonders Steffen Hörtler, der seit zehn Jahren auch Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Bayern ist.

Als Lobbyist für die sudetendeutsche Sache mangelt es ihm nicht am üblichen Funktionär-Slang. "Ich würde mir wünschen, dass Tschechien ein sichtbares Zeichen setzt und heikle Fragen nicht ausblendet", wiederholt der Landeschef eine altbekannte Forderung der Sudetendeutschen. Nämlich eine deutliche Aussage darüber, dass "die Vertreibung der Sudetendeutschen Unrecht war".

Netzwerke schaffen Verbindung in die alte Heimat

Gleichwohl sucht er mehr Verbindendes als Trennendes mit den Tschechen. Gerne ruft er das Netzwerk sudeten.net auf, das Sudetendeutsche mit ihren ehemaligen Feinden im Osten zusammenführen soll. Dort geben Deutsche ein, wo sie wohnen und woher ihre Vorfahren kommen. Und Tschechen fügen an, wo sie leben.

"Damit betreiben deutsche Nutzer zum einen Familien- und Heimatforschung mit ganz persönlichem Bezug", erläutert Hörtler, "und zum zweiten suchen und finden sie oft tschechische Gegenüber".

Begegnungen ergeben sich anschließend durch eine Ferienfreizeit, eine Bildungsreise oder einen Urlaub in der Tschechischen Republik.

Partnerschaft zwischen Bad Kissingen und Teplice

Steffen Hörtler hat oft die Tschechische Republik besucht, früher mit seinen Eltern, später in seiner Freizeit. Mit Bewohnern seines Wohnortes Bad Kissingen baut er gerade eine Städtepartnerschaft mit Teplice auf.

Nicht zuletzt die völkerverbindende Wirkung des Sports soll dabei helfen, nämlich ein großes Fußballturnier für Jugendliche, zu dem eine Mannschaft aus Teplice an die Fränkische Saale reisen wird.

"Ich bin ein glücklicher Mensch", behauptet er über sich selbst, "denn ich kann Beruf, Hobby und Interesse vereinen". Daher sieht er seine Aufgabe auf dem Heiligenhof eher als Berufung denn als Job.

Zeichen gegen Nationalismus setzen

Die Vergangenheit ist für ihn lebendig. "Fragen Sie heute eine bayerische Schulklasse nach Vorfahren aus Böhmen, Mähren oder Schlesien, dann meldet sich ein Drittel der Schüler und verweist auf die eigene Oma oder den Opa, auch wenn sie nicht immer genau wissen, woher die Verwandten stammen", stellt er fest.

Deshalb beschäftigt Hörtler eine Frage besonders: "Wie können wir beide, wie können die Deutschen und Tschechen Europa und die Zukunft gestalten?" Seine Lösung: "Wir müssen aus dieser gemeinsamen Geschichte lernen und wir wollen, dass dieser Nationalismus, der beide Völker getrennt hat, der beiden Völkern so schlimm mitgespielt hat, nicht wiederkommt."

Deutsch-tschechische Wurzeln leben

Steffen Hörtler wünscht sich Deutsche und Tschechen als Partner, wie es Franzosen und Deutschen gelungen ist. Dafür will er selbst Vorbild sein. "Ich lebe das deutsch-tschechische", urteilt er über sich.

Persönlich hat Steffen Hörtler seine Antwort schon gegeben. Seit 20 Jahren ist er mit einer Tschechin verheiratet. Lucie kommt aus der Nähe von Pardubice. Das Paar hat eine Tochter.

Besser kann man sein Bemühen um gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen nicht deutlich machen.

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