Nur noch die Hälfte der Deutschen ist zufrieden damit, wie die Demokratie hierzulande funktioniert: Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt der jüngste ARD-Deutschlandtrend. Badi Khlif, ein aus Syrien geflohener Kriegsreporter, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen hier zu zeigen, was für ein Privileg es ist, in einer Demokratie zu leben. Seine jüngste Station: eine Schule in Mühldorf am Inn.
200 Schüler hören Khlifs Lebensgeschichte
Die Turnhalle des Ruperti-Gymnasiums in Mühldorf am Inn ist gut gefüllt. 200 Schüler der 9. und 10. Klasse lauschen gespannt, was ihnen der syrische Filmemacher Badi Khlif im Rahmen eines Thementags an der Schule zu erzählen hat. Seine Lebensgeschichte ist keine einfache. Er wurde durch das syrische Regime verfolgt, bedroht und floh deshalb 2015 nach Deutschland. Inzwischen lebt er in München und studiert an der Hochschule für Fernsehen und Film.
Seine Botschaft an diesem Tag an die Schüler: Frieden und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit, dafür muss man sich permanent einsetzen.
Schläge in der Schule keine Seltenheit
Um den Schüler zu zeigen, wie der Krieg in Syrien war, zeigt er auch Ausschnitte aus seiner Dokumentation "Between Life and Death". Viele sind vom Vortrag des 34-Jährigen beeindruckt.
Schon in der Schule hat Badi Khlif Gewalt erlebt, zum Beispiel, wenn er wenige Minuten zu spät zum Unterricht gekommen ist. Dann wurde er von den Lehrern geschlagen. So etwas sei bis heute Praxis, erzählt er den Schülern des Ruperti-Gymnasiums und zeigt ihnen dazu Bilder. Normal sei heute auch, dass an vielen Stellen in den Schulen das Bild des Regimeführers Bascha al-Assad hänge, auch in den Zeugnissen sei ein Abbild zu sehen.
Khlif wird zum Kriegsreporter
Im Jahr 2011 änderte sich vieles für den Syrer, er demonstrierte gegen das Assad-Regime beim arabischen Frühling. Im selben Jahr entwickelte sich ein Bürgerkrieg in Syrien, Badi Khlif begann Foto- und Videoaufnahmen von den Kriegsgeschehnissen zu machen, die er später an internationale Nachrichtenagenturen wie AFP oder Reuters verkaufte.
Geplant sei seine Arbeit als Kriegsreporter nicht gewesen, es habe sich nach und nach so entwickelt, erzählt er. Von seinen Aufnahmen zeigt er einige bei seinem Vortrag zum Beispiel von Menschen, die nach einem Raketenangriff ihr Hab und Gut retten. Mehrmals wurde er vom syrischen Geheimdienst eingesperrt und auch gefoltert, berichtet er. Als die Terrororganisation IS ein Kopfgeld auf ihn ansetzte, floh er schließlich nach Deutschland.
Kämpft für Freiheit und Demokratie
Badi Khlif läuft die Turnhalle in Mühldorf am Inn auf und ab, immer wieder muss er bei seiner Erzählung stoppen. Das Erlebte den Schülern zu erzählen, fällt ihm nicht leicht. Trotzdem ist es ihm wichtig, dass die Schüler hier mitbekommen, was es bedeutet, im Krieg zu leben, ohne Demokratie: "Ihr dürft erzählen, was ihr wollt, ihr könnt eure eigene Meinung sagen. Wenn ich das in Syrien gemacht habe, wurde ich geschlagen oder verraten."
Die Situation sei auch bei seiner Familie nicht einfach gewesen. Wenn er sich mit seinen Eltern und Geschwistern über Politik austauschen wollte, habe seine Mutter ihn oft unterbrochen: "Die Wände haben Ohren!". Das bedeutete so viel wie, er konnte nicht sicher sein, ob seine Geschwister vielleicht doch etwas weitererzählen, das die Familie in Gefahr bringen könnte.
Mühldorfer Gymnasium: Thementag Politik seit 2016
Der Vortrag des Syrers fand im Rahmen des Thementags "Politik" am Mühldorfer Gymnasium statt, erzählt Lehrer Christian Böhm, der den besonderen Tag an der Schule mitorganisiert hat. Seit 2016 gibt es diesen Thementag in Zusammenarbeit mit der Hans-Seidel-Stiftung am Gymnasium.
Badi Khlif war schon 2022 an der Schule. Es sei ein großes Glück, Menschen wie ihn einladen zu können, die den Schülern authentisch etwas von ihrer Lebensgeschichte erzählen, so Böhm. Insgesamt sei das Thema Politik vermehrt ein Thema an der Schule, das sei positiv. Andererseits erlebe er aber auch Vorurteile, beeinflusst durch Social Media, vermutet Böhm, gegenüber anderen Kulturen oder Lebensweisen. Genau deshalb sei der Thementag so wichtig, um den Schülern verschiedene Perspektiven aufzeigen zu können.
Schüler beeindruckt und schockiert zugleich
Nach rund drei Stunden Vortrag sind viele Schüler beeindruckt und etwas schockiert zugleich, so wie Julia. Es sei schon krass zu hören, dass jemand bereits in der Schule geschlagen wurde. Mitschülerin Nina ergänzt, es sei spannend, so etwas von jemandem zu hören, der er es selbst erlebt habe. Auch die Bilder aus den Kriegsgebieten haben die Schülerinnen beeindruckt. Die Probleme, die man als Jugendlicher in Deutschland habe, seien dagegen eher klein.
Man kenne es nicht anders als in Frieden und Demokratie zu leben, sagt Isabel. So einen Kontrast vor Augen geführt zu bekommen, sei gut. Auch Jakob und Steven sind von dem Vortrag angetan. Es sei toll gewesen, so etwas mal live zu hören. Man kenne solche Geschichten sonst nur aus YouTube. Steven erzählt, dass er bisher anders über Geflüchtete gedacht habe. Jetzt könne er besser verstehen, warum man aus so einem Land flüchtet.
Der Filmemacher Badi Khlif ist nach dem Vortrag froh, dass er den Schülern etwas aus seinem Leben erzählen konnte. Man dürfe die Augen nicht verschließen, was in anderen Ländern passiere. Frieden und Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, das weiß keiner besser als er.
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