Im Prozess gegen einen 28-Jährigen aus München, der mutmaßlich nach dem Vorbild eines Videos der Terrormiliz IS eine Bombe bauen wollte, bleiben weiterhin viele Fragen offen. Deshalb hat Verteidiger Adam Ahmed die Ladung eines besonderen Zeugen vor Gericht beantragt: der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen. Der Richter kündigte daraufhin eine Unterbrechung des Prozesses an, die Konsequenzen haben könnte: "Es droht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussetzung des Verfahrens." In diesem Fall müsste der Prozess noch einmal neu beginnen.
Vorwurf: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
Der Prozess offenbart wie schwierig es manchmal werden kann, einem Angeschuldigten die Tat wirklich nachzuweisen. Für die Sicherheitsbehörden ist Nidal A. ein Salafist, was sein Anwalt allerdings abstreitet.
Es geht vor allem um die Frage, wie und ob der 28-Jährige wirklich Aussagen in einem Internet-Chat getroffen hat, deretwegen er sich seit Anfang Dezember vor dem Landgericht München äußern muss. Die Generalstaatsanwaltschaft München legt ihm unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zur Last.
Information des Verfassungsschutzes gelangte sehr spät nach Bayern
Nidal A. soll in einem Chat im Messengerdienst Telegram laut Anklage am 12. Juli 2017 gesagt haben, er wolle "Spione" und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes umbringen. Am 15.07.2017 habe er dann in der selben Gruppe in englischer Sprache um technische Unterstützung beim Bau der Bombe gebeten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte diese Aussagen ebenfalls im Juli 2017 registriert. Erst zwei Monate später gelangte die Information über das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz an die Polizei in München. Im September 2017 wurde Nidal A. festgenommen. Zudem durchsuchte die Polizei seine Wohnung.
Für Verteidiger Adam Ahmed ist vollkommen schleierhaft, "wieso es zwei Monate dauert, bis eine angeblich so wichtige Nachricht weitergegeben wird, bei der es um Menschenleben geht".
Problematische Chat-Aussagen offenbar nicht gesichert
Aussagen eines Polizisten am ersten Prozesstag vor Gericht lassen zudem darauf schließen, dass die problematischen Aussagen aus dem Chat nicht gesichert werden konnten, weil sie vorher aus dem Chat gelöscht wurden. Ihm, so der Polizist, sei der genaue Wortlaut jedenfalls unbekannt.
Das hatte auch das Oberlandesgericht München in einem Beschluss im Mai dieses Jahres bemängelt. Der genaue Wortlaut sei nicht mitgeteilt worden, so das Oberlandesgericht. Das Gericht stellte fest, dass kein dringender Tatverdacht besteht. Deshalb wurde der 28-Jährige im Mai auf freien Fuß gesetzt, nachdem er sich monatelang in Untersuchungshaft befunden hatte.
Maßgeblicher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ist nicht bekannt
Wer genau im Bundesamt die Äußerungen im Telegram-Chat entdeckt hat, blieb vor dem Landgericht bisher offen. Der Verteidiger kritisiert, dass der Urheber der Information nicht als Zeuge vernommen wurde.
Um offene Fragen zum Chat zu klären, hat der Verteidiger die Ladung von Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen beantragt. Das Gericht wird darüber beraten. Maaßen war bis November 2018 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nach umstrittenen Äußerungen wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Skizze kommt den Ermittlern verdächtig vor
Wann der Prozess fortgesetzt wird, ist unklar. Genauso fraglich ist weiterhin, ob Nidal A. wirklich Sprengstoff herstellen wollte. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in München hatte die Polizei eine handschriftliche Skizze entdeckt. Diese habe, so die Generalstaatsanwaltschaft München, eins zu eins einem Propagandavideo der Terrormiliz IS entsprochen.
In diesem Video wird gezeigt, wie man in einer normalen Küche den Sprengstoff TATP herstellen kann. Außerdem wurden im Keller der Wohnung des Angeklagten Gegenstände gefunden, die zur Herstellung des Sprengstoffs verwendet werden können: darunter Metallkugeln, Chinaböller, Werkzeug und Schwefelsäure. Das Video konnte nach der Aussage einer Polizistin, die ebenfalls im Fall ermittelt hat, nicht auf den sichergestellten Datenträgern des Angeklagten gefunden werden.