An diesem Dienstag beginnt in Memmingen der Prozess gegen zwei Landwirte, Vater und Sohn, wegen massiver Verstöße gegen das Tierschutzrecht. Ihnen wird vorgeworfen, mehrere hundert Rinder in ihren Ställen unter qualvollen Bedingungen gehalten zu haben. Die bereits 2019 aufgedeckten Vorfälle haben eine alte Diskussion neu befeuert: Könnten Missstände wie in Bad Grönenbach und anderswo durch eine Tiergesundheitsdatenbank verhindert werden?
Tierärzte fordern mehr Einblicke in Daten von Landwirten
Niedergelassene Tierärzte und auch die Tierärztekammer fordern eine solche Datenbank seit vielen Jahren. "Wir haben ja sehr viele Daten, die auf den Betrieben erhoben werden", erklärt Siegfried Moder, Präsident des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte. Er fordert, dass "die Daten einfach mal gebündelt und vernetzt werden und auch den Veterinären zugänglich sind".
Idealerweise sollten Landwirte mit Tierärzten einen Bestandsbetreuungsvertrag schließen. Eine EU-Richtlinie sieht das eigentlich seit Anfang des Jahres vor. Sie wurde in Deutschland nur bis jetzt nicht umgesetzt. Das bedeutet für einen Landwirt: Der Tierarzt schaut regelmäßig vorbei, nicht nur wenn ein Tier krank ist. Außerdem hat der Tierarzt auch Einblick in die vom Landwirt gesammelten Daten.
Bestandsbetreuungsvertrag beugt Missständen vor
Milcherzeuger Anton Schmerold in Steingaden hat so einen Bestandbetreuungsvertrag. Das heißt: Bei ihm kommt Tierärztin Gisela Bosch nicht nur dann auf den Hof, wenn eine Kuh akut erkrankt ist, sondern regelmäßig alle paar Wochen und berät den Landwirt. "Dabei wird unter anderem die Fütterung besprochen", erklärt Bosch, "das heißt, wir machen ein Fütterungscontrolling durch Datenanalyse aber auch durch Begutachtung der Körperkondition der Tiere im Stall".
Schmerold lässt einmal im Monat die Milch seiner Kühe in einem Labor analysieren. Die meisten Landwirte machen das. Nicht alle aber zeigen die Ergebnisse – so wie er – auch der Hoftierärztin. Aus der Zusammensetzung der Milch kann sie sehr viel über die Gesundheit der Tiere ablesen. "Durch die Datenanalyse bekommt man einen sehr guten Eindruck, wo der Betrieb steht, wie er sich entwickelt. Oder wo möglicherweise auch noch Verbesserungsbedarf besteht", sagt Bosch.
Ziel: Befunde aus Tierkörperbeseitigung und Schlachthöfen nutzen
Neben den Informationen aus den Ställen wie dem von Milchviehhalter Anton Schmerold sollten auch weitere Befunde in die Datenbank einfließen, fordert Tierarzt Kai Braunmiller. Er ist Präsident der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz - und in Bayreuth für die städtischen Schlachthöfe zuständig. Bei jeder Schlachtung sind Tierärzte anwesend.
Sie begutachten die Tiere bei der Anlieferung und nach der Schlachtung das Fleisch. "Mit dieser Schlachtdatenauswertung kann man wesentlich früher erkennen, wenn ein Betrieb abweicht. Oder vorher gut war und jetzt in einer absinkenden Phase ist, wo er sich nicht mehr so um seine Tierhaltung kümmert, wie es notwendig ist", sagt Braunmiller.
Auch an Tierkörperbeseitigungsanstalten (TBA) werden immer wieder Tierschutzverstöße entdeckt. Gabriele Pflaum ist in Nordbayern für die TBA Walsdorf zuständig. Eine wissenschaftliche Studie stellte dort vor kurzem fest, dass "bei 11,6 Prozent der angelieferten Rinder tierschutzrechtliche Befunde vorlagen", so Pflaum. Zum Beispiel waren die Klauen überlang, die Tiere waren stark abgemagert oder wundgelegen. Solche oder ähnliche Befunde aus den TBAs sollten in der zentralen Datenbank auch zahlenmäßig erfasst werden, um Missständen in Ställen vorzubeugen.
Politik uneins über Umsetzung
Seit vielen Jahren ist eine Tiergesundheitsdatenbank schon im Gespräch. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kündigte vor zwei Jahren bereits eine an. Doch beschlossen wurde bis heute nichts.
Im Juli stellten die Grünen im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags einen Antrag, der aber von einer Mehrheit aus CSU, Freien Wählern und AfD abgelehnt wurde. Kaniber will Anfang kommenden Jahres eine sogenannte "Landestierwohldatenbank" präsentieren. Laut ihrem Ministerium dauert die Umsetzung deshalb so lang, weil es aus datenschutzrechtlichen Gründen sehr schwierig sei, die vielen Informationen in einer Datei zugänglich zu machen.
Datenbank hätte auch Vorteile für Landwirte
Ziel der Tiergesundheitsdatenbank sollte es sein, dass alle Daten für Aufsichtsbehörden und Tierärzte nutzbar sind, um bei möglichen Missständen schnell Abhilfe schaffen zu können, oder besser sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Aber auch für Landwirte wie Anton Schmerold wäre eine solche Datenbank eine Erleichterung: Denn er sammelt im Augenblick sowieso schon sehr viele Informationen und Befunde in unterschiedlichen Programmen. In der HI-Tierdatenbank muss er den gesamten Lebenslauf jeder einzelnen Kuh belegen. Dazu hat er eine Dokumentationspflicht über die Arzneien, die die Tierärztin verschreibt.
Und schließlich hat er auch noch die Daten aus der Milchprüfung. "Das wäre für den Landwirt sehr gut, dass das alles einfach mal gesammelt, geballt in einer aktuellen Version wäre. Dass man nicht immer fünf verschiedene Programme braucht", findet Landwirt Schmerold. Er hat kein Problem damit, seine Daten freizugeben. Seit er regelmäßig mit der Tierärztin über seine Kühe spricht, sind sie seltener krank und geben mehr Milch.
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