In der Küche von Jürgen Seeberger in Sulzbach im Landkreis Passau: Der Hausherr und sein Nachbar Heinz Reitmeier trinken ein Glas Wasser – frisch gezapft aus dem Wasserhahn über dem Spülbecken. "Schmeckt gut", sagen beide, "hat aber auch seinen Preis".
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"Unser Trinkwasserversorger hat den Preis vor einem Jahr exorbitant erhöht. Das tut richtig weh und ärgert uns", sagt Jürgen Seeberger. Nachbar Heinz Reitmeier zeigt auf die letzte Abrechnung des Zweckverbandes Unteres Inntal (ZVUI) für 2023. "Fast eine Frechheit", schimpft er. Obwohl seine Familie gegenüber dem Vorjahr etwas weniger Wasser verbraucht habe, müsse er deutlich mehr zahlen. 650 Euro statt 450 Euro. Eine Steigerung um 44 Prozent.
Ärger über Preise: "Krasse Steigerung"
Die beiden Sulzbacher sind auf den Zweckverband nicht sonderlich gut zu sprechen. Die letzte Preissteigerung im Januar 2023 von 2,68 Euro auf 4,17 Euro pro Kubikmeter Trinkwasser sei krass, nicht nachvollziehbar und schlecht kommuniziert worden.
Man sei ja bereit, für gutes Wasser und sichere Versorgung etwas mehr zu zahlen, sagt Seeberger, aber: "Ich frage mich nur, ob diese Preisanhebung wirklich gerechtfertigt ist." Beschwerden kommen nicht nur aus Privathaushalten. Auch wasserintensive Betriebe oder etwa Sportvereine, die ihre Rasenplätze an heißen Tagen aus den Leitungen des Zweckverbands bewässern mussten, kämpfen mit enorm gestiegenen Kosten.
Versorger muss investieren
"Klar gibt es Kritik wegen des teuren Wassers. Die Anhebung war aber unbedingt notwendig, weil wir investieren müssen", verteidigt der Vorsitzenden des Zweckverbands, Manfred Hammer, die Preissteigerung. Neue Brunnen, eine neue Aufbereitungsanlage, neue Hochbehälter, neue Leitungen – das alles koste richtig viel Geld, betont Werkleiter Wolfgang Plinganser. Um dies zu veranschaulichen, zeigt er auf ein meterlanges, löchriges, verrostetes Rohr, das er im Untergeschoss der Zweckverbandszentrale aufbewahrt: "Solche Rohre sind in den 1960er-Jahren verlegt worden und müssen natürlich nach und nach ausgetauscht werden."
Investitionen in Millionenhöhe
Der Zweckverband Unteres Inntal versorgt gut 15.000 Bürger in den Gemeinden Neuburg, Fürstenzell, Ruhstorf und Neuhaus mit jährlich 770.000 Kubikmeter Wasser. Das 2015 auf den Weg gebrachte Trinkwasserkonzept sieht Investitionen von über 20 Millionen Euro vor – allein 14 Millionen für den Bau drei neuer Hochbehälter. Das in die Jahre gekommene Leitungsnetz ist 350 Kilometer lang. Dazu müssen Verluste vorheriger Jahre ausgeglichen werden. "Wir hatten lange Zeit einen guten Wasserpreis. Jetzt aber müssen wir was tun, um auch die nächsten Generationen mit gutem Wasser versorgen zu können", erklärt Werkleiter Wolfgang Plinganser.
Statistik: Wasserpreis in Bayern geht nach oben
Dass Trinkwasser in Bayern teurer geworden ist, bestätigen auch die Daten des Landesamts für Statistik (LfStat). Demnach ist das durchschnittliche Entgelt für Wasserversorgung von 2005 bis 2022 um etwa 50 Prozent gestiegen – von etwa 1,20 auf 1,78 Euro pro Kubikmeter (1.000 Liter). Die Grundgebühren haben sich nahezu verdoppelt.
"Normalerweise geht der Wasserpreis nur parallel zur Inflation nach oben", sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer beim Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Steigerungen wie im geschilderten Fall kämen allerdings auch anderswo vor. Die Gründe oftmals: keine kostendeckende Versorgung über einen längeren Zeitraum und Investitionsstau beim Bau von neuer Technik, Rohrleitungen und Hochbehältern. "Wenn sich so ein Stau mal auflöst, schießt der Kubikmeterpreis natürlich nach oben", erklärt Detlef Fischer.
Grafik: Trinkwasserentgelte in Bayern 2022
Eklatante regionale Unterschiede
Die LfStat-Daten zeigen große regionale Unterschiede beim Wasserpreis auf. In Südbayern liegen viele Gemeinden unter 1,10 Euro pro Kubikmeter. Etliche nordbayerische Versorger verlangen dagegen Preise weit über dem bayerischen Schnitt.
Zwei krasse Ausreißer gibt es im Allgäu und in Unterfranken: Die 1.300-Einwohner-Gemeinde Hopferau im Landkreis Ostallgäu hat aktuell einen Kubikmeterpreis von 29 Cent. "Wir brauchen nur einen gut funktionierenden Brunnen und einen Hochbehälter – und haben damit sehr niedrige Unterhaltskosten", erklärt Bürgermeister Rudi Achatz (Freie Wähler) den niedrigen Preis.
Die Bürger in Dammbach im Landkreis Aschaffenburg dagegen zahlen fast das 20-fache: 5,28 Euro pro Kubikmeter. Es sei immens aufwendig, das Wassernetz instand zu halten, so ein Sprecher der unterfränkischen Gemeinde zu BR24.
Der Wert des Trinkwassers
Wie viel soll uns unser Trinkwasser wert sein? Detlef Fischer vom VBEW stellt einen Vergleich an: "Eine Familie in Bayern mit einem Jahresverbrauch von 100 Kubikmetern zahlt etwa 200 Euro für das Trinkwasser. Im Grunde keine relevanten Kosten, denn für ihre Handys zahlt die gleiche Familie das Sechsfache. Und: Ein Liter Wasser aus dem Supermarkt kostet etwa 500-mal mehr als ein Liter Leitungswasser." Da könne jeder seine Schlüsse ziehen, meint Fischer.
Achtsamer Umgang mit Wasser empfohlen
Flächendeckende Kostenexplosionen um mehrere zehn oder gar hundert Prozent seien im Freistaat nicht zu befürchten. Es werde sich weiter im Rahmen normaler Preissteigerungen bewegen, so Fischers Prognose. Seine Tipps an die Versorger: Die Infrastruktur zur Trinkwasserversorgung kontinuierlich in Schuss halten.
Den Verbrauchern rät er: "Einfach gut überlegen, ob ich den Rasen tagtäglich sprengen muss oder den Swimmingpool dringend brauche. In der Tendenz gehen wir schon davon aus, dass wir noch achtsamer mit unserem Trinkwasser umgehen sollten." Große Sorgen müsse sich aber niemand machen. Die Versorgung sei in Bayern - trotz längerer Trockenphasen - immer noch gut.
"Werden weiter genau hinschauen"
Zurück im Landkreis Passau. "Wir gehen davon aus, dass sich unser Trinkwasserpreis mittelfristig wieder auf ein normales Niveau einpendelt", heißt es von den Verantwortlichen im Zweckverband Unteres Inntal.
Die Nachbarn Jürgen Seeberger und Heinz Reitmeier aus Sulzbach sind da eher skeptisch. Viele Familien hätten an jährlichen Mehrausgaben von 200 oder 300 Euro richtig zu knabbern. Auch deshalb werde man weiter genau hinschauen, wie sich die Kosten für das kostbare Nass weiter entwickeln.
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