Heli Ditterich aus Nürnberg engagiert sich für geflüchtete Ukrainer, die mit ihren Tieren nach Deutschland kommen. Etwa 30 Familien hat sie schon in private Unterkünfte vermittelt. Doch als eine siebenköpfige Familie mit drei Hunden, darunter einem Pit Bull, kommt, kann sie nicht helfen. Dabei hat Heli Ditterich schon eine geeignete Bleibe für sie: ein Haus mit Garten in Altdorf bei Nürnberg. Doch das zuständige Ordnungsamt sagt Nein – wegen des Pit Bulls.
Viele Listenhunde leben im Tierheim
Pit Bulls gelten als Kampfhund. Sie stehen in Bayern auf der sogenannten "Rasseliste" – auf dieser Liste sind all die Hunderassen aufgeführt, denen Aggressivität und Gefährlichkeit zugeschrieben wird. Umgangssprachlich werden sie auch "Listenhunde" genannt.
Laut der "Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit" gehören Pit Bulls zur Kategorie 1 und dürfen in Bayern nur mit einer Ausnahmeregelung gehalten werden. Die Erlaubnis wird aber nur selten erteilt, denn der Antragsteller muss unter anderem ein berechtigtes Interesse vorweisen, einen Hund dieser Rasse zu halten. Ein schwieriges Unterfangen. Viele Liste-1-Hunde sitzen deshalb in den Tierheimen.
Für Listenhunde aus der Ukraine gilt eine Ausnahme
Doch was sollen Menschen auf der Flucht mit ihrem Listenhund machen? Normalerweise ist die Einfuhr von solchen Hunden in einem Bundesgesetz geregelt: dem Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz, kurz HundVerbrEinfG. Es untersagt die Einfuhr von Listenhunden. Allerdings sind auch Ausnahmen vorgesehen. Die Einfuhr gefährlicher Hunde ist demnach dann erlaubt, wenn die Hunde zusammen mit einer Begleitperson kommen, deren Wohnsitz nicht im Inland ist. Normalerweise gilt diese Ausnahme für vier Wochen – eine Verlängerung ist "zur Vermeidung unbilliger Härten" auf Antrag möglich.
Tierschützer fordern Lösung für ukrainische Listenhunde
Klar ist: Die Menschen aus der Ukraine, die ihren Listenhund auf der Flucht mitnehmen, können nach derzeitiger Lage nicht nach vier Wochen wieder nach Hause. "Die können die nächsten Jahre nicht zurückkehren, definitiv", sagt Corinna Höppner vom Verein Institut Forschung Listenhunde, schließlich seien viele Städte zerstört, auch die Häuser und Wohnungen der Hundebesitzer. Deshalb müsse für Ukrainer und ihre Listenhunde unbedingt eine Regelung gefunden werden.
Trotz Bomben: Ukrainer wollen wegen ihrer Hunde nicht fliehen
Momentan gingen die Behörden mit dem Thema ukrainische Listenhunde in Deutschland sehr unterschiedlich um, berichtet Corinna Höppner – manche Hunde müssten in Quarantäne, andere nicht. Manche dürften mit ihren Besitzern in eine Unterkunft ziehen, andere müssen sie im Tierheim abgeben, "da sind herzzerreißende Fälle dabei, wo Familien täglich ins Tierheim fahren", erzählt Höppner. Und dann gibt es da noch die Ukrainerinnen und Ukrainer, die trotz des Krieges und der Bomben nicht nach Deutschland fliehen, weil sie nicht wissen, ob sie ihre Hunde hier auf Dauer behalten dürfen. "Die trauen sich nicht her."
Ukrainische Listenhunde: Problem für die Tierheime
Etwa 40 Listenhunde haben Ukrainer bisher nach Bayern mitgebracht, schätzt Claus Reichinger vom Tierheim in München, "es können aber auch 100 sein." Denn nicht jeder Geflüchtete hat sich schon registriert, und nicht jeder weiß, dass Listenhunde verboten sind. Sollte Bayern bei seiner bislang rigiden Haltung beim Thema Listenhunde bleiben, sieht Reichinger die Tierheime vor großen Problemen. Die Heime könnten nicht alle verbotenen Hunde aufnehmen. Schon die Anordnung der Quarantäne für herrenlose Hunde sei eine Überforderung, sagt Reichinger. "Nicht jedes Tierheim hat eine Quarantänestation."
Wer vermietet an Familien mit Listenhunden?
Ein weiteres Problem ist die Wohnungssuche: Wohnraum ist in vielen Regionen in Bayern sowieso schon knapp – eine Wohnung für Geflüchtete zu finden, die ihren Listenhund mitbringen, fast unmöglich, so die Erfahrung der beiden Tierschützer. Aktuell etwa bräuchten sie rund um Ottobrunn dringend eine Unterkunft für ein Ehepaar mit ihren drei Hunden, darunter zwei American Staffordshire Terrier, also Listenhunde. Derzeit wohnt das Paar auf eigene Kosten in einem Hotel – denn in eine große Flüchtlingsunterkunft dürften sie ihre Hunde nicht mitnehmen. Sich von ihren Tieren zu trennen, bringt das Paar aber nicht übers Herz.
Tierschützer: Rasseliste gehört abgeschafft
Aus Sicht vieler Tierschützer wäre das Problem mit den Listenhunden aus der Ukraine aber gar nicht so groß, wenn es keine Liste mehr gäbe. Dann wären wieder Wesen und Erziehung eines Hundes entscheidend bei der Frage, ob er gehalten werden darf oder nicht. Und das auch nur dann, wenn er auffällig wurde und gebissen hat.
Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen haben die Rasseliste wieder abgeschafft – zu viele Hunde, die nicht auf der Liste standen, waren in Beißvorfälle verwickelt. Die Rasseliste ließ sich daher aus Sicht der Politik in diesen Ländern nicht mehr rechtfertigen. Nach Meinung vieler Tierschützer, die seit Jahren gegen die Rasselisten kämpfen, ist das Problem sowieso immer an der anderen Seite der Leine zu finden.
Keine Rasseliste in Thüringen: Ukrainische Familie will weiterziehen
Für die ukrainische Familie mit ihrem Pit Bull, für die Heli Ditterich aus Nürnberg keine Haltungserlaubnis vom Ordnungsamt bekam, hat sich am Ende doch eine Lösung gefunden: Sie wohnt jetzt in Wallenfels im Landkreis Kronach. Der Vermieter aus Thüringen hat ein Herz für Listenhunde und nahm die Familie in seinem leerstehenden Haus mit Garten auf. So bald wie möglich wollen die Geflüchteten aber weiter nach Thüringen ziehen. Zu groß ist die Sorge, dass sie in Bayern ihren Pit Bull eines Tages abgeben müssen.
💡 Diese Hunde stehen in Bayern auf der Rasseliste
Kategorie 1: Hunderassen der Kategorie 1 und Kreuzungen dieser Rassen gelten als gefährlich, ihre Haltung ist verboten. Wer das Verbot missachtet, muss mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro rechnen.
- Pit Bull
- Bandog
- American Staffordshire Terrier
- Staffordshire Bullterrier
- Tosa Inu
Kategorie 2: Hunderassen dieser Kategorie dürfen gehalten werden, wenn ein Gutachter feststellt, dass das Tier keine gesteigerte Aggressivität vorweist. Hundebesitzer brauchen also ein Negativzeugnis.
- Alano Español
- American Bulldog
- Bullmastiff
- Bullterrier
- Cane Corso
- Dogo Argentino
- Dogue de Bordeaux
- Fila Brasileiro
- Mastiff
- Mastín Español
- Mastino Napoletano
- Perro de Presa Canario (Dogo Canario)
- Perro de Presa Mallorquin
- Rottweiler
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