Am Sonntag wird Jesus in Oberammergau ein vorerst letztes Mal ans Kreuz geschlagen: Nach mehr als 100 Vorstellungen gehen die Oberammergauer Passionsspiele zu Ende. Wenn der letzte Vorhang fällt, haben rund 412.000 Zuschauer das weltbekannte Laienspiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi gesehen.
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"Wirtschaftlich ein voller Erfolg"
Immer wieder musste die Spielleitung trotz täglicher Tests der Darsteller mit coronabedingten Ausfällen umgehen. Es wurde aber keine einzige Vorstellung abgesagt. Trotz der Hürden wurden mehr Tickets verkauft als erwartet. Wegen der Pandemie reisten weniger Besucher aus dem englischsprachigen Raum an. 70 Prozent der Gäste kamen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die Passionsspiele 2022 sind wirtschaftlich für die Gemeinde ein voller Erfolg. Über 91 Prozent Auslastung der 110 Aufführungen bilanziert der Geschäftsführer der Passion Walter Rutz. Mit rund 80 Prozent ist man kostendeckend. "Wir sind brutal froh, dass wir trotz der schwierigen Zeit die Passion so erfolgreich auf und über die Bühne bringen konnten."
Für die oberbayerische Gemeinde als Veranstalter wird ein Millionengewinn bleiben. Ein Teil des Erlöses wird in die nächste Passion 2030 fließen - schon in zwei Jahren starten die Vorbereitungen.
Christian Stückl: "Es war brutal anstrengend"
"Es war brutal anstrengend", sagt Spielleiter Christian Stückl, der schon vor vier Jahren seine Hauptrollen nominiert hatte. Denn die Proben konnten wegen Corona erst mit Verspätung starten, überall war Improvisieren gefragt. Doch die Mitwirkenden der oberbayerischen Gemeinde sind zäh und haben wohl auch ein großes Maß an Gottvertrauen.
Ob Spielleiter Stückl, der die Passion zum vierten Mal inszenierte, noch einmal die Passion leiten wird, ist noch nicht entschieden. Der 60-Jährige, der auch Intendant des Münchner Volkstheaters ist, ließ dies offen.
Stückl hatte 2020 die Passion wegen der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben. Alle zehn Jahre bringt das kleine Bergdorf das außergewöhnliche Schauspiel auf die Bühne.
Frederik Mayet: "Jesus 2022 ist kantiger und fordernder"
Die Ausfälle von Mitspielenden durch Corona wurde durch viele Umbesetzungen kompensiert. Auch für Jesus-Darsteller Frederik Mayet ist die zu Ende gehende Spielzeit ein großer Erfolg und eine große Gemeinschaftsleistung der 1.700 mitwirkenden Oberammergauerinnen und Oberammergauer. "Wir sind in der Zeit sehr zusammengewachsen", sagt der 42-Jährige.
Er hatte die Rolle bereits 2010 inne. Durch die Krisen dieses Jahres habe sich die Interpretation der Jesus-Rolle stark verändert, sagt Mayet. "Jesus ist 2022 kantiger, fordernder und spricht mehr zu den Rändern der Gesellschaft."
Noch am Sonntag werden die ersten Darsteller beim Friseur sitzen. Seit Aschermittwoch 2021 hatten die Mitwirkenden Friseurverbot, so will es die Tradition.
Nächstes Passionsspiel soll "noch mehr integrieren"
Das war auch Spielleiter Christian Stückl wichtig. Einen Satz sagt er dann doch über das nächste Gelübde-Spiel: "Ich werde mich dafür einsetzen, dass das nächste Spiel noch mehr integriert. Wer das dann im Jahre 2030 umsetzen wird, entscheidet der Gemeinderat von Oberammergau in den kommenden Jahren."
Die Passionsspiele gehen auf ein uraltes Pestgelübde zurück: 1633 versprachen die Oberammergauer, alle zehn Jahre das "Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus" aufzuführen, um weitere Todesfälle abzuwenden.
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