In zehn Tagen feiern die Oberammergauer Passionsspiele wieder Premiere. Das weltberühmte Spektakel musste wegen Corona um zwei Jahre nach hinten verschoben werden. Auf einer großen Pressekonferenz vor rund 100 Medienvertretern wurde heute bekannt gegeben, was diesmal anders ist.
Aktuelle gesellschaftliche Themen haben Einfluss
Zum vierten Mal inszeniert Christian Stückl, der sonst als Intendant am Münchner Volkstheater arbeitet, die Oberammergauer Passionsspiele. Wie bei jeder Inszenierung dieses Stückes macht er sich besonders viele Gedanken um den Text, erzählt er auf der Pressekonferenz. Dabei haben ihn aktuelle gesellschaftliche Themen in diesem Jahr anders auf die Heilige Schrift blicken lassen: "Bestimmte Worte klingen anders, wie zum Beispiel das 'Umgeben sein von Krieg' oder 'Liebe deine Feinde'", so Stückl.
Kriege, wie der in der Ukraine, aber auch solche, die in Vergessenheit geraten sind, wie die in Afghanistan oder Syrien, haben Stückl bei der Textauseinandersetzung beeinflusst - und auch seinen Blick auf Jesus für die diesjährigen Passionsspiele geprägt: "Jesus war immer an den Grenzen der Gesellschaft. Er ist bei den Armen, bei den Flüchtlingen", sagt der Spielleiter. "Er ist verzweifelt manchmal an dieser Welt." Diesen Jesus habe er in diesem Jahr auf die Oberammergauer Bühne bringen wollen, so Stückl.
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Neues Konzept für Bühne und Kostüm
Auch Stefan Hageneier, der zum dritten Mal als Bühnen- und Kostümbildner mit dabei ist, setzt das Passionsspiel in diesem Jahr gänzlich neu in Szene. Die 43 Meter breite Bühne soll wie eine Tempelanlage wirken. Alle Szenen wie Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung spielen an einem Ort: in Jerusalem.
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Für die zwölf Lebenden Bilder, die alttestamentlichen Szenen, haben sich Hageneier und Spielleiter Stückl von den politischen Entwicklungen der letzten Jahre inspirieren lassen: Hier stehen Flucht und Verfolgung im Vordergrund. Insgesamt fällt die Farbgebung und Bildgestaltung düsterer aus: hellgrau ist der dominierende Ton.
Die Musik wurde von Markus Zwink an die Inszenierung 2022 angepasst. Auf die Frage einer Journalistin, ob Stückl sich einen weiblichen Jesus vorstellen könne, antwortete der, solange er lebe, werde es das vermutlich nicht geben.
Passionsspiele im Zeichen der Pandemie
Die Oberammergauer hatten 1633 gelobt, regelmäßig ein Passionsspiel aufzuführen, wenn sie von der Pest befreit werden. Deswegen finden die Passionsspiele alle zehn Jahre statt. "Die Oberammergauer wollten Gott ein Geschenk machen. Wir glauben nicht, dass durch die Passionsspiele 2022 Corona verschwindet, aber natürlich hat die Pandemie uns sehr beeinflusst", so Stückl. Ein Drittel der Nebenrollen ist im Laufe der Monate ausgestiegen, von 1.800 Erwachsenen sind am Ende 1.400 dabeigeblieben, erzählt der Spielleiter.
Premiere am 14. Mai 2022
Die Darstellerinnen und Darsteller der Hauptrollen, wie etwa Jesus, Maria oder Judas, sind doppelt besetzt. Am Tag der Premiere wird ausgelost, wer spielen darf. Ab nächster Woche finden öffentliche Proben statt, für die es, wie auch für einige der 103 Aufführungen bis Oktober, noch Karten gibt.
Von den 450.000 Tickets für die rund 100 Aufführungen sind bislang 75 Prozent verkauft. Die Verantwortlichen sind damit nach der Unsicherheit der Absage vor zwei Jahren mehr als zufrieden.
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