25.07.2023, Bayern, Weyarn: Ein Krankenwagen steht in der Einfahrt eines Unternehmens. Bei einem Arbeitsunfall in einer Entsorgungsfirma in Oberbayern sind drei Männer in einem Kanalsystem ertrunken. Foto: Peter Kneffel/dpa - ACHTUNG: Die Kennzeichennummer aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
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Drei Tote nach Arbeitsunfall in Kanalsystem

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Tiefe Bestürzung nach Tod von drei jungen Feuerwehrmännern

Alle drei jungen Männer, die beim tragischen Arbeitsunfall in Weyarn ertrunken sind, waren Mitglieder der örtlichen Feuerwehr. Einer der Krisenhelfer berichtet von seinem Einsatz nach dem Unglück. Bei zwei Arbeitern ist nun die Todesursache geklärt.

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Trauer und Entsetzen herrscht in der 4.000-Seelen-Gemeinde Weyarn (Landkreis Miesbach) nach dem Tod von drei Arbeitern in einem Kanalschacht am Dienstag. Die drei jungen Männer, die bei dem tragischen Arbeitsunfall ums Leben gekommen sind, waren alle Mitglieder der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. Das bestätigte der Kommandant der Feuerwehr auf BR-Anfrage. Der ganze Ort sei tief bestürzt über das Unglück, sagte auch der erste Bürgermeister der Gemeinde. Unfälle in abwassertechnischen Anlagen, wie in Weyarn, seien laut der Berufsgenossenschaft BG Bau relativ selten.

Todesursache durch Obduktion bei zwei Arbeitern geklärt

Zwei der drei Opfer sind im Kanalschacht der Entsorgungsfirma in Großseeham ertrunken. Das hat jetzt die Obduktion der 20 und 28 Jahre alten Männer ergeben. Im Fall des dritten Mitarbeiters ist die genaue Todesursache laut Polizei noch unklar. Es seien weitere medizinische Untersuchungen nötig. Die Ursache des Unglücks ist ebenfalls noch nicht geklärt.

Trauer bei der Feuerwehr in Weyarn

"Für uns alle unfassbar, haben wir gestern bei einem tragischen Arbeitsunfall drei unserer Weyarner Feuerwehrkameraden für immer verloren. Wir sind bestürzt und zutiefst traurig über dieses Unglück und über den Verlust von so fleißigen, zuverlässigen und tatkräftigen Kameraden und Freunden." Freiwillige Feuerwehr Weyarn

Diesen Text hatte die Freiwillige Feuerwehr Weyarn kürzlich auf Instagram abgesetzt, dazu postete sie ein Bild mit drei Kerzen. Auch die Feuerwehren anderer Städte – darunter München und Traunreut – drückten unter dem Post ihr Mitgefühl und ihr Beileid aus.

Bürgermeister: Gemeinde sei "tief bestürzt"

Nach dem Tod der drei jungen Männer herrscht auch laut dem ersten Bürgermeister der Gemeinde, Leonhard Wöhr, im ganzen Ort nun tiefe Bestürzung. Am Rathaus sei deshalb als "äußeres Zeichen" eine Trauerbeflaggung angebracht worden. Bei den Verunglückten handele es sich um "kameradschaftliche Menschen, die in ihrem Leben einen hohen ehrenamtlichen Einsatz für die Allgemeinheit gezeigt haben", teilte der Bürgermeister weiter mit.

Beileid kam auch von den Johannitern. "Unsere Gedanken sind bei den Familien und Freunden der drei Getöteten und der Belegschaft des Unternehmens", twitterten die Helfer.

Drei junge Arbeiter ertrunken

Die drei 20, 27 und 28 Jahre alten Arbeiter eines Entsorgungs- und Recyclingunternehmens waren am Dienstagvormittag in einem Kanalisationsschacht ertrunken. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd mitteilte, hatte zunächst einer der Männer in dem Gullyschacht gearbeitet. Als der Kontakt zu ihm über längere Zeit abbrach, stiegen zwei Kollegen hinab, um ihm zu helfen. Danach gab es keine weiteren Lebenszeichen von allen drei Arbeitern, so die Polizei.

Mehrere Feuerwehren aus den umliegenden Gemeinden rückten zum Rettungseinsatz an, außerdem Rettungshubschrauber, Wasserrettung und mehrere Streifenwagenbesatzungen der Polizei. Taucher suchten im Gullyschacht und einem darunter liegenden Kanal nach den drei Vermissten, konnten sie aber zunächst nicht finden. Das gelang erst, nachdem der Wasserstand gesenkt werden konnte.

Kripo ermittelt zur Unfallursache

Für die drei jungen Männer, die alle aus Gemeinden in der Region stammen, kam jede Hilfe zu spät. Nach ihrer Bergung konnte der Notarzt nur noch ihren Tod feststellen. Die Kripo Miesbach und die Staatsanwaltschaft München II ermitteln zur Unfallursache. Bis heute ist nicht geklärt, warum die Männer an dem Gullyschacht arbeiteten. "Wir klären derzeit den Sachverhalt auf", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II.

Unklar ist auch, ob die Männer bei ihrer Arbeit ausreichend gesichert waren. Grundsätzlich müssten Kanalarbeiter vor dem Einstieg immer erst eine Messung vornehmen, um sicherzugehen, dass zum Beispiel kein Schwefelwasserstoff vorherrsche, sagte der Sicherheitsingenieur Bernd Gruner im BR24-Gespräch. Zudem müsse ein Dreibock aufgebaut und Gurtzeug angelegt werden, damit ein Arbeiter im Notfall herausgezogen werden könne.

Unfälle in Abwasseranlagen laut BG Bau insgesamt selten

Laut der Berufsgenossenschaft BG Bau sind Unfälle in abwassertechnischen Anlagen wie in Weyarn relativ selten. In einer schriftlichen Antwort auf Fragen des BR heißt es, in Kanalanlagen komme es vor allem zu Stolper-, Rutsch- und Sturzunfällen mit Verletzungen wie Knochenbrüchen, Prellungen oder offenen Wunden. Eine genaue Zahl, wie oft solche Unfälle tödliche Folgen haben, konnte die Gewerkschaft nicht beantworten.

Laut dem neuesten Jahresbericht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Jahr 2021 gab es 269 tödliche Arbeitsunfälle im Betrieb (ohne Straßenverkehrsunfälle). Zu den häufigsten Ursachen für Unfälle in abwassertechnischen Anlagen zählen Abstürze, aber laut BG Bau auch Erstickungen oder Vergiftungen durch die "gefährliche Atmosphäre oder ungenügenden Sauerstoffgehalt".

Notfall-Seelsorge: Zuhören und Versorgen als erster Schritt

Die Angehörigen und Arbeitskollegen der Verstorbenen wurden nach dem tragischen Arbeitsunfall von rund 15 Mitgliedern des Kriseninterventionsteams Miesbach und der ökumenischen Notfallseelsorge betreut. Darunter der evangelische Pfarrer Peer Mickeluhn. Im Gespräch mit dem BR erklärte er, wie die psychosoziale Notfallversorgung arbeitet.

Sie beginnt meist mit einem Anruf: "Die ökumenische Notfallseelsorge bekommt über die Leitstelle einen Alarm und dann rücken wir aus", berichtet Mickeluhn. Am Dienstag seien am Unglücksort nicht nur zahlreiche Einsatzkräfte gewesen, sondern auch Betroffene - wie etwa andere Mitarbeiter aus dem Betrieb und Angehörige. "Wir haben dann gemerkt, dass es ganz groß wird und dass wir die Leute nachalarmieren müssen", so der Seelsorger weiter. In solchen Fällen, wo es mehrere Menschen gibt, die betreut werden sollten, helfe es, "gute Kontakte in die Nachbarlandkreise zu haben".

Krisenhelfer: "Man kann keine Schalter umlegen"

Bei der psychosozialen Notfallversorgung werden dann die Seelsorger auf die Betroffenen verteilt. Dabei gehe es erst einmal ums Zuhören, Versorgen sowie ums "Mit-Aushalten", sagt der Seelsorger. Man müsse die erste Aufregung erst einmal "miteinander aushalten". Den Betroffenen solle dadurch schon eine gewisse Struktur gegeben und sie sollen so lange betreut werden, bis sie selbst die nächsten Schritte gehen können.

Solche Kriseneinsätze und die Stunden danach seien auch für die Betreuer immer schwer, so Pfarrer Mickeluhn im Interview: "Man kann keine Schalter umlegen, man nimmt immer was mit nach Hause." Für die nächste Zeit stünden die Krisendienste weiterhin für Angehörige und weitere Betroffene zur Verfügung. Auch die Ortspfarrer in Weyarn und Umgebung würden in den kommenden Wochen diesbezüglich seelsorgerisch tätig sein.

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