Ab in den Winterurlaub – herrlich, wäre da nur nicht die mühselige Anfahrt über die Autobahn in Richtung Alpen. Eine der Hauptverkehrsachsen für Reisende ist das Inntal. Bei Stau auf der Autobahn suchen viele eine Alternativroute über die umliegenden Dörfer – und sorgen dort für Verkehrschaos.
Allerdings nur auf bayerischer Seite, denn jenseits der Grenze schützen die Tiroler ihre Dörfer vor Verkehrsüberlastung und bremsen den Ausweichverkehr an den Hauptreisetagen einfach aus – mit Dosierampeln und Kontrollstellen. Denn in Tirol gilt: Wer nur durchreist, muss auf der Autobahn oder der Bundesstraße bleiben. Die Fahrverbote haben die Tiroler Behörden am 23.12. erlassen; sie gelten an Wochenenden und Feiertagen bis zum 1. April.
Was gegen den Durchgangsverkehr helfen könnte
Chefinspektor Franz Hechenblaikner ist im Bezirk Schwaz für diese Maßnahmen verantwortlich und findet, dass die Verkehrsstrategie der Tiroler aufgeht: "Die bewirkt natürlich, dass die Ortskerne und die Ortsdurchfahrten dadurch frei werden oder das Aufkommen zumindest so erträglich bleibt, dass ein fließender Verkehr durch die Ortschaften stattfinden kann."
Im bayerischen Inntal dagegen kann Hajo Gruber, Bürgermeister von Kiefersfelden, jetzt schon vorhersagen, was in den nächsten Wochen passieren wird: "Sobald Stau auf der Autobahn ist, haben wir wieder den ganzen Verkehr in den Dörfern", sagt er. Es könne nicht das erklärte Ziel sein, die Dörfer derart zu belasten. "Dann haben wir ja jedes Mal Zustände wie am Münchner Stachus", sagt Gruber. Die Maßnahme des Landes Tirol hält er grundsätzlich für sinnvoll, denn es schütze die Bewohner der betroffenen Dörfer.
Kiefersfelder Bürgermeister: "Bayern ist Autoland"
Nur: Warum gibt es dann nicht auch in Bayern solche Sperrungen für den PKW-Transitverkehr? Der Bürgermeister aus Kiefersfelden hat da eine Vermutung: "Bayern ist Autoland und wenn wir als Gemeinde sagen, wir möchten unsere Hauptstraße teilweise – zum Beispiel neben den Kindergärten – auf 30 km/h begrenzen, dann heißt es immer wieder: Die Durchgängigkeit und Schnelligkeit des Verkehrs sei so ein hohes Gut, dass bei der Abwägung der Verkehr Vorrang erhält."
Dauerthema: Streit um den Lkw-Verkehr
Immerhin: Seit 2022 müssen Lkw auch in Bayern auf der Inntal-Autobahn bleiben. Doch die Blockabfertigung von Lastern an der österreichischen Grenze führe zu einem unerträglichen Rückstau, sagt Thomas Unger vom Bürgerforum Inntal. Denn der Brennerkorridor ist eine der wichtigsten Transportrouten zwischen Nord- und Südeuropa und gleichzeitig ein verkehrstechnischer Flaschenhals.
2,5 Millionen Lkw sind im vergangenen Jahr über den Brenner gerollt. Im Jahr 2000 waren es noch rund 1,1 Millionen. Jedes Mal, wenn das Land Tirol die Zahl der Lkw begrenzt, die über die Grenze dürfen, heißt das für die bayerische und italienische Seite: Stau. Italien hatte im Oktober sogar schon angekündigt, gegen die österreichische Blockabfertigung vor dem Europäischen Gerichtshof klagen zu wollen.
Welche Maßnahmen im Gespräch sind
Dabei gäbe es bereits diverse Lösungsansätze, sagt Unger: "Wenn Maßnahmen wie zum Beispiel die Korridor-Maut oder ein Lkw-Leitsystem endlich mal umgesetzt würden, dann wäre das schon mal ein Erfolg", sagt er. Mit der Korridor-Maut ist eine Abgabe auf der Brennerstrecke von Oberbayern nach Südtirol gemeint. Ein Lkw-Slot-System, wie es die Länderchefs von Bayern, Tirol und Südtirol im April diskutiert hatten, könnte dabei helfen, den Lkw-Verkehr zu entzerren. Die Idee: Spediteure buchen in Zukunft Zeitfenster für ihre Lkw. So sollen Verkehrsspitzen abgefangen und Staus vermieden werden.
- Zum Artikel: "Buchbare Autobahn": Slot-System gegen lange Staus am Brenner
Kritik aus der Region: "Kaschperltheater" der Zuständigkeit
Auch der Bürgermeister von Kiefersfelden Gruber kritisiert bei der Politik Versäumnisse: Er spricht von einem "Kaschperltheater" auf Landes- und Bundesebene. Und die Region sei dabei die Leidtragende. Für Gruber ist die Brennertrasse ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Lösung des Problems: "Verkehr gehört auf die Schiene", sagt er. Die Schieneninfrastruktur gehöre so schnell wie möglich ausgebaut, um den Güterverkehr von der Straße zu holen. Auch da seien die Österreicher den Deutschen voraus, sagt Gruber: "Die haben all das schon bis Wörgl gebaut". Zwar sei die Bauphase eine Katastrophe gewesen – aber jetzt sei die Situation um einiges besser.
Eine Lösung für die Inntalautobahn ist nicht in Sicht
Mit dieser klaren Position hat der Bürgermeister viele Gegner, zum Beispiel das Bürgerforum Inntal. Nach deren Überzeugung reicht eine Ertüchtigung des bestehenden Schienennetzes aus, um die Transit-Ströme zu zähmen.
Es gibt offenbar keine gemeinsame Linie im Kampf gegen die Blechlawinen. Sicher scheint nur das: Bis sich auf bayerischer Seite was bewegt, wird noch viel Verkehr durchs Inntal rollen – mal flüssig und mal stockend.
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