Symbolbild: Geldbündel mit Hundert-Euro-Scheinen.
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Verzichtet Bayern auf Millionen an Steuereinnahmen?

Im Freistaat werden Einkommensmillionäre immer seltener vom Finanzamt geprüft. Dabei könnte bei besserer Prüfung der Top-Verdiener in Bayern ein dreistelliger Millionenbetrag pro Jahr erzielt werden. Das Finanzamt weist die Kritik zurück.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Binnen eines Jahrzehnts ist die Prüfquote bei den sogenannten Einkommensmillionären in Bayern deutlich gesunken. Wurde im Jahre 2010 noch jeder vierte Einkommensmillionär vom Finanzamt umfassend geprüft, so war es 2020 nur noch jeder achte. Das geht aus der Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Landtags-Grünen hervor. Entsprechend sind die Steuereinnahmen gesunken. Wurden im Jahr 2010 rund 160 Millionen Euro durch die Extraprüfung von Einkommensmillionären eingenommen, waren es im Jahr 2020 nur noch 70 Millionen Euro.

Wer sind die "Einkommensmillionäre"?

Der Begriff "Einkommensmillionäre" stammt noch aus D-Mark-Zeiten. Gemeint sind Privatpersonen mit 500.000 Euro und mehr an Einkünften pro Jahr aus Arbeitslohn, Renten, Kapital, Vermietung oder Verpachtung. Bayernweit gibt es laut Finanzministerium 3.990 Einkommensmillionäre. Das "Netzwerk Steuergerechtigkeit", ein Verein zur Förderung der Steuergerechtigkeit, betont, dass es sich dabei nicht um "Superreiche" handele.

Grüne: Freistaat lässt Steuermillionen "auf der Straße liegen"

Die Staatsregierung lasse "sehr viel Steuergeld einfach auf der Straße liegen", sagt der finanzpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Tim Pargent. Die – rein theoretische – Rechnung geht ungefähr so: Für das Jahr 2023 gibt die Staatsregierung durchschnittliche Mehrsteuern von rund 86.000 Euro pro zusätzlich geprüftem Einkommensmillionär an. Hätte die Behörde auch nur die Hälfte der Top-Verdiener einer solchen "Extra-Prüfung" unterzogen, hätten rein rechnerisch rund 170 Millionen Euro Mehrsteuern erzielt werden können.

Gewerkschaft: Weniger Prüfungen wegen "eklatanten" Personalmangels

Die Frage ist, ob seine Hochrechnung aufgeht. Jedenfalls bestätigt die Bayerische Finanzgewerkschaft (BFG), die die Beamten und Arbeitnehmer der Finanzverwaltung vertritt, dass es insgesamt immer weniger Steuerprüfungen gebe, insbesondere auch bei Einkommensmillionären. Laut dem BFG-Vorsitzenden Gerhard Wipijewski hat sich die Staatsregierung wie auch andere Landesregierungen von ursprünglichen Prüfzielen, also Quoten, wie oft ein Betrieb oder Konzern geprüft wird, immer weiter entfernt.

Ein Grund sei der "eklatante Personalmangel". Während sich die Fallzahlen bei den Finanzbehörden im letzten Jahrzehnt um 40 Prozent erhöht hätten, sei die Zahl der Mitarbeiter nur um fünf Prozent gestiegen. Die Personalknappheit bestimme das Tun der Behörde, so Wipijewski. Er beobachtet, dass seit rund zehn Jahren "nur noch, und da menschelt's auch ein Stück weit, hingeguckt wird, wollen wir den prüfen, wollen wir nicht prüfen".

Finanzministerium sieht keinen Handlungsbedarf

Das Finanzministerium dagegen kann die Kritik nicht nachvollziehen. Ein Sprecher teilt auf Anfrage von BR24 mit, Einkommensmillionäre würden genau wie alle Steuerpflichtigen zunächst durch den Innendienst der Finanzämter geprüft. "Nur wenn die maßgeblichen Tatsachen nicht bereits an dieser Stelle zutreffend ermittelt werden können, kommt eine zusätzliche Außenprüfung infrage. Eine solche zusätzliche Prüfung durch den Außendienst ist in vielen Fällen aber schlicht nicht zu rechtfertigen."

Geht die Hochrechnung der Grünen auf?

Zur Hochrechnung des Landtags-Grünen heißt es aus dem Finanzministerium: "Es ist nicht sachgerecht, bei allen Einkommensmillionären ein Mehrergebnis in derselben Größenordnung wie bei den durchgeführten Prüfungen zu unterstellen." Soll heißen: Mehr Prüfungen würden keineswegs mehr Steuereinnahmen bringen.

Das "Netzwerk Steuergerechtigkeit" bezweifelt zwar auch, dass die Hochrechnung der Grünen so aufgeht. "Die durchschnittlichen hohen Mehrergebnisse deuten aber auch aus unserer Sicht darauf hin, dass hier Geld auf der Straße liegt." Diese Ansicht vertritt auch die Bayerische Finanzgewerkschaft und fordert mehr Personal, damit die Prüfquoten wieder steigen.

Grüne und Gewerkschaft fordern bessere Ausstattung der Finanzämter

Um die Situation in der Finanzbehörde zu verbessern, hofft Gerhard Wipijewski von der Finanzgewerkschaft, dass das Personal künftig noch mehr von Technik und Künstlicher Intelligenz unterstützt werden kann.

Der Grüne Pargent hat noch einen weiterreichenden Vorschlag: Wirkliche Effizienzgewinne ließen sich in den Finanzämtern nur mit einer Vereinfachung des "extrem komplizierten Steuerrechtes" erzielen. Allerdings sagt Pargent auch: "Das ist leider momentan unrealistisch." Für das Steuerrecht ist wesentlich der Bund zuständig, Pargents Forderung richtet sich also zuerst an die Bundesregierung.

Bayerns Prüfquote bundesweit überdurchschnittlich hoch

Trotzdem steht der Freistaat im bundesweiten Vergleich gut da. Laut Bundesfinanzministerium betrug die Prüfquote im Jahr 2022 bundesweit 5,7 Prozent. Das bedeutet: Bayern liegt mit 9,7 Prozent im Jahr 2022 und 11,4 Prozent im Jahr 2023 deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Andere Bundesländer prüfen also noch viel seltener.

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