Albert Füracker hatte schon im Februar eine böse Vorahnung: "Die Mai-Steuerschätzung wird kein Spaß", sagte der CSU-Finanzminister in der ersten Haushaltsdebatte im Landtag. Füracker sollte Recht behalten: Es gibt rund 1,1 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als gedacht – Geld, das im Doppelhaushalt 2024/25 fehlt.
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CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek gibt sich dennoch demonstrativ gelassen: "Wir haben für den Haushalt jetzt schon eine Vorsorge getroffen. Deswegen ist es für das Jahr 2024 tatsächlich zu verkraften", so Holetschek gegenüber BR24. Für 2025 werde es einen Nachtragshaushalt geben, möglicherweise müsse man nach der nächsten Steuerschätzung im Oktober nachjustieren.
0,7 Prozent fehlen – entspricht Etat für Ganztagsausbau
Gemessen am Gesamtetat des Doppelhaushalts von fast 150 Milliarden Euro entsprechen die Mindereinnahmen von 1,1 Milliarden Euro "gerade einmal" rund 0,7 Prozent. Ein kleiner Einschnitt könnte man meinen. Allerdings weiß der Freistaat mit Summen dieser Größenordnung durchaus etwas anzufangen: Zum Beispiel sind für die nächsten Schritte der Hightech Agenda und für den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen ebenfalls je 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Für das bayerische Familiengeld sind es 1,6 Milliarden Euro.
An dieser bundesweit einmaligen Sozialleistung will Holetschek nicht kürzen. Stattdessen soll die Steuerlücke mit Rücklagen und einem bereits im Haushalt enthaltenen Budget für konjunkturelle Schwankungen in Höhe von gut 770 Millionen Euro gefüllt werden. Dieses Budget sei jedoch eigentlich für die Tilgung der Corona-Schulden vorgesehen gewesen, sagt die Fraktionschefin der AfD, Katrin Ebner-Steiner, und wirft dem Finanzminister einen "Taschenspielertrick" vor.
Rechnungshof hält Konjunkturvorsorge für "zu unverbindlich"
Auch der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) übt Kritik an den Plänen: "Aus Sicht des ORH sollten die haushaltsgesetzlichen Vorgaben zur Tilgung der coronabedingten Kredite beibehalten und diese Schulden ab dem Jahr 2024 entsprechend abgebaut werden", erklärt Rechnungshofpräsidentin Heidrun Piwernetz im aktuellen Jahresbericht von Mitte März – und weiter: "Die Veranschlagung der fehlenden 770,9 Millionen Euro in einer Rücklage 'Konjunkturvorsorge' ist im Ergebnis zu unverbindlich."
CSU-Fraktionschef Holetschek kontert: "Der Rechnungshof kritisiert immer wieder Dinge. Das ist sein gutes Recht. Die Politik machen aber wir." Schuld an den verminderten Steuereinnahmen sei vor allem eine verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung: "Wenn Sie sehen, dass Unternehmen aus diesem Land weggehen, weil die Wirtschaftspolitik nicht mehr verlässlich ist, weil sie nicht mehr dran glauben, dass die Regierung die richtigen Rahmenbedingungen setzt, dann ist es fatal."
AfD bemängelt sinkende Rücklagen
Auch die Freien Wähler verweisen mit Blick auf die Steuerlücke auf vorhandene Rücklagen und das Budget für Konjunkturschwankungen. Es stelle sich zudem die Frage, "ob wirklich jede Haushaltsstelle in vollem Umfang entnommen wird oder ob Restposten bleiben", sagt Felix von Zobel, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion.
AfD-Fraktionschefin Ebner-Steiner bemängelt die jüngste Entwicklung bei den Haushaltsrücklagen: "2019 waren das noch zehn Milliarden, bis Ende 2025 wird es noch eine Milliarde sein", so Ebner-Steiner. Dieses "rapide Abschmelzen" müsse allen Bayern zu denken geben. Die Rücklagen seien nicht von Corona aufgezehrt worden – für Pandemie-Maßnahmen habe die Staatsregierung schließlich Kredite aufgenommen. Das Geld sei "aufgrund der schlechten Wirtschafts- und der Migrationspolitik hier in Bayern ausgegeben worden".
SPD und Grüne lehnen Sparmaßnahmen ab
Jetzt einen "Sparhaushalt" auszurufen, mache keinen Sinn, findet Volkmar Halbleib, SPD-Sprecher für Staatshaushalt und Finanzen. Wenn es um eine Lösung in der aktuellen Situation geht, stößt er in dasselbe Horn wie die Regierungsfraktionen: "Wir haben ja für Konjunkturschwankungen auch Rücklagen im Haushalt gebildet, die jetzt sinnvoll eingesetzt werden können." Von der Staatsregierung fordert Halbleib, die Einnahmenseite zu verbessern: "Bayern braucht einen besseren Steuervollzug, und wir brauchen auch mehr Steuergerechtigkeit."
Auch die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Köhler, hält nichts von Sparmaßnahmen. "Das würde die Steuereinnahmen nur noch weiter senken." Stattdessen müsse der Freistaat investieren, um so Wachstum und private Investitionen zu generieren. Außerdem brauche es eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern: "Eine Reform der Schuldenbremse darf nicht länger blockiert werden", so Köhler.
Dieser Idee erteilte CSU-Finanzminister Füracker bereits vor der Steuerschätzung eine Absage: An der Schuldenbremse werde nicht gerüttelt. Ungeachtet der verminderten Einnahmen soll der Bayerische Landtag wie geplant im Juni über den Doppelhaushalt entscheiden.
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