Der Streit, wie sich die Kosten für Flüchtlinge fair verteilen lassen, entwickelt sich zur Zahlenschlacht: Kurz vor dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch führen Bundesregierung, Länder und Kommunen jeweils eigene Berechnungen ins Feld, um ihre Sichtweise zu untermauern. Der Bund findet, er zahlt schon deutlich mehr als er müsste. Länder, Städte und Gemeinden fühlen sich im Stich gelassen.
Städte- und Gemeindebund will mehr Geld
Auf deutlich mehr Geld vom Bund pocht der Präsident des bayerischen Städte- und Gemeindebunds Uwe Brandl im Interview mit BR24. Die 2,75 Milliarden Euro, die der Bund dieses Jahr direkt an Kommunen und Länder zahlt, reichten bei Weitem nicht aus, um die Flüchtlingskosten annährend abzufedern, sagt Brandl, der Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg ist. Er veranschlagt rund fünf Milliarden Euro.
Die Bundesregierung führt andere Zahlen ins Feld: Rund 15 Milliarden Euro werde der Bund in diesem Jahr ausgeben, rechnet Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor. Da sind neben dem Geld, das Länder und Kommunen direkt bekommen – den 2,75 Milliarden Euro – noch weitere Posten eingerechnet. Zum Beispiel übernimmt der Bund die Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete direkt.
Bund sieht seine Verpflichtungen übererfüllt
Der Bund engagiere sich bereits mehr "als es die deutsche Finanzverfassung vorsieht", sagt Hebestreit. Städte- und Gemeindetagpräsident Brandl findet, der Bund versuche sich mit diesen Berechnungen "billig aus der Affäre zu ziehen". Diese Rechnung würden nicht mit den tatsächlich entstehenden Kosten übereinstimmen, sagt der CSU-Politiker.
Länder und Kommunen stimmen sich ab
Am Vormittag hatte sich Brandl neben weiteren kommunalen Vertretern mit den Bundesländern über ihre gemeinsamen Forderungen abgestimmt. "Bund und Länder stehen Seite an Seite", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Er plädiert für ein "atmendes System der Flüchtlingsfinanzierung", das sich daran ausrichtet, wie viele Menschen tatsächlich kommen.
In einem Papier der Länderfinanzminister, das BR24 vorliegt, wünschen sich die Länder, dass der Bund zu einer Pro-Kopf-Pauschale pro Flüchtling zurückkehrt, wie sie früher einmal galt. Außerdem werfen die Länder dem Bund vor, mit falschen Zahlen zu rechnen und stellen eigene Berechnungen dagegen.
Das Kanzleramt hatte am Wochenende einen Entwurf einer Beschlussvorlage an die Länder verschickt, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Darin stellt der Bund klar, dass er nicht bereit ist, deutlich mehr Geld zu geben. Zur Begründung listet der Bund alles auf, was er jetzt schon alles an Kosten übernimmt.
Beide Seiten wappnen sich also mit Zahlen und Argumenten für den Showdown am Mittwoch zum Bund-Länder-Treffen. Während Kommunen und Länder eine Front bilden, steht die Ampelkoalition nicht eindeutig zusammen.
Grünen-Chefin fordert mehr Geld für Kommunen
Grünen-Chefin Ricarda Lang wiederholte am Montag ihre Forderung, dass auch der Bund Kommunen an der Belastungsgrenze stärker unter die Arme greifen müsse. "Hier sollte es nicht um ein Spiel gehen, dass sich Bund und Länder gegenseitig vorrechnen, wer wie viel schon gemacht hat", kritisiert Lang die Debatte der vergangenen Tage, sondern es müsse gemeinsam Unterstützung mobilisiert werden.
Geld löse in dieser Situation kein einziges Problem, entgegnet Koalitionspartner FDP. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai plädiert dafür, den Zuzug von Migranten mehr zu steuern und zu kontrollieren, zum Beispiel mit einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen.
Die Positionen liegen weit auseinander. In der Ampel, und noch mehr zwischen Bund und Ländern. Im Moment ist vollkommen unklar, wie eine Einigung am Mittwoch aussehen könnte. Wenn es sie überhaupt geben wird.
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