Schwarzes T-Shirt, dunkle, knielange Hose, Sneaker. Die Haare trägt der Kommunalpolitiker kurz, oben etwas länger. Ein junger Mann Mitte 20. "Ich hab mich einfach immer unwohl in meinem Körper gefühlt", sagt der 24-Jährige. Als er für die Grünen in den Würzburger Stadtrat gewählt wurde, war er noch eine Frau. Jetzt heißt er Lysander. Der Kommunalpolitiker hat sich vor ein paar Wochen öffentlich geoutet: Er ist transsexuell und jetzt ein Mann.
Angst vor Diskriminierung und Kommentaren
Natürlich hatte er Angst vor diesem Schritt, vor Diskriminierung und dummen Kommentaren. "Auch, dass ich als Politiker nicht mehr ernst genommen werde", sagt er. Solche Erfahrungen seien ihm aber bislang erspart geblieben – im Gegensatz zu seiner Partei-Kollegin Tessa Ganserer. Die Nürnberger Grünen-Politikerin zog als erste geoutete transsexuelle Frau - in der Selbstbezeichnung "trans* Frau" genannt - in den Bundestag ein. Immer wieder wird Ganserer angefeindet und bedroht – wie übrigens laut einer Umfrage der europäischen Grundrechteagentur jede zweite sogenannte "trans* Person".
Lysander will sich für Sichtbarkeit von "trans* Menschen" einsetzen
Den Schritt gemacht zu haben, sich als "trans* Person" öffentlich zu outen, glaubt Lysander aber auch positiv nutzen zu können: "Ich kann die Repräsentation von trans* Menschen erhöhen. Und das gesellschaftliche Bewusstsein dafür schärfen, dass es uns schlicht und ergreifend gibt, in allen Lebensbereichen." Die Deutsche Gesellschaft für Trans- und Intersexualität schätzt, dass zwischen 20.000 und 80.000 Menschen in Deutschland transsexuell sind.
Mitglieder des Stadtrats freuen sich für Lysander
Im Würzburger Stadtrat fielen die Reaktionen positiv aus. Stadtrat-Urgestein Willi Dürrnagel (WL) etwa findet Laiers Outing "wahnsinnig mutig". Auch er habe den Eindruck, der gesamte Stadtrat respektiere die Entscheidung – "aber am Ende ist das eine Privatsache". Auch Alexander Kolbow (SPD) habe großen Respekt vor dem Schritt: "Ich glaube das ist eine Lebensentscheidung, die man als jemand, der sich im eigenen Körper zuhause fühlt, gar nicht nachempfinden kann."
Claudia Adam (CSU) erzählt, sie habe Laier direkt nach der Sitzung angerufen und zu seinem Mut gratuliert, sich offen zum eigenen Ich zu bekennen. "Ich bin der Meinung man sollte ihn auf diesem Weg unterstützen, wenn er das möchte, als Stadtrat, aber auch als Gesellschaft." Anna-Maria Dürr (Die Linke) zeigte sich vom Outing in der öffentlichen Stadtrats-Sitzung Ende Juli sehr bewegt: "Ich finde es wunderbar, wenn man sich selbst findet", sagt sie.
Langer Weg zum Outing - angefangen mit Probephase als Mann
Diesen Schritt zu gehen, seine sexuelle Identität öffentlich zu machen, war für den Jurastudenten keine leichte Entscheidung – und die Erkenntnis, im falschen Körper zu sein, kam natürlich nicht über Nacht. Er hat zunächst quasi auf Probe in der männlichen Rolle gelebt: "Ich habe mir die Haare abgeschnitten und neue Klamotten gekauft – und das hat sich schnell richtig angefühlt", erzählt er.
Hinweise lange Zeit nicht erkannt
Bis dahin hat sich Lysander viele Jahr unwohl mit seinem Körper gefühlt, auch mit seiner Rolle als Frau. Mit dem Geschlecht, das ihm bei der Geburt zugewiesen wurde, hat er sich nie richtig identifiziert. Aber so richtig begreifen und beschreiben konnte er nicht, was ihn da umtreibt. "Es gab schon viele Hinweise, über die ich nicht nachgedacht habe, weil trans zu sein nicht normalisiert ist", sagt der 24-Jährige.
Politiker wartet auf Selbstbestimmungsgesetz des Bundes
Im Pass steht noch sein alter Name. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung soll es bald eine einheitliche Regelung für Lysander und viele tausend andere Menschen geben, ihren Namen und ihr Geschlecht beim Standesamt ändern zu lassen.
"Ich fühle mich total befreit und erleichtert. Ich bin froh, so leben zu können, wie ich möchte", sagt er. Als Mann, als Lysander. Den Namen hat er sich übrigens selbst ausgesucht. Er bedeutet: freier Mann.
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