Die Salamipackung sieht aus wie jede andere. 125 Gramm, geräuchert, bio steht hier. Vorne auf der Verpackung ist außerdem ein Bild aufgedruckt. Ein lächelndes Ehepaar mit ihrem Sohn und einem Hund. Aber wer ist das eigentlich? Ähnliche Fotos von anderen Familien findet man auf dem Bergkäse, der Lyoner oder der Milchpackung. Sind das echte Landwirte oder doch nur Models?
Die Suche nach diesen Menschen gestaltet sich schwieriger als gedacht. Der erste Recherche-Versuch startet mit einer Packung Bayerischer Schweinebraten in Scheiben. Auch von dieser Verpackung lächelt ein Paar. Unter ihrem Foto steht aber weder Name noch Ort. Allerdings befindet sich auf der Rückseite ein Hinweis.
QR-Code führt nicht zu den Testimonials
Für mehr Herkunftsinformationen kann man einen QR-Code scannen. Dafür muss man mit dem Handy den sogenannten Transparenz-Code eingeben. Danach ploppen einige Infos auf: Das Schwein für den Schweinebraten wurde in Erlangen geschlachtet und in Heilsbronn verarbeitet. – so viel lässt sich herausfinden. Von den zwei Personen auf der Packung aber - keine Spur.
Ähnlich läuft es bei der Lyoner und beim Krustenbraten. Auf den Webseiten von Lidl, Kaufland oder Aldi findet man teilweise Bilder von Landwirten, aber nicht unbedingt die von den Verpackungen.
Im Video: Echte Landwirte oder Models? Wer lächelt so nett auf der Produkt-Verpackung? | Unser Land
Treffer bei der Google-Suche
Neuer Versuch mit der Salami. Unter dem Foto der Familie steht zumindest ihr Nachname. Und tatsächlich: Bei der Google Suche erscheint das Bild der gleichen Familie, sie haben offenbar eine Website von ihrem Bauernhof: Irina und Simon Kuttenreich aus der Nähe von Ingolstadt.
Besuch auf dem Hof der Kuttenreichs. Insgesamt halten sie etwa 300 Bio-Schweine. Als sie vor sieben Jahren auf Bio umgestellt haben, fragte sie spontan der Produzent, an den sie ihr Fleisch verkaufen, ob sie nicht auf die Wurstpackung wollen.
Angst vor zu großer Bekanntheit
Landwirt Simon Kuttenreich ist sich bis heute nicht sicher, ob es so erstrebenswert ist, dass man mit seinem Gesicht auf einer Wurstpackung ist, gesteht er. Aber selbst bei ihnen in der Region hätten viele nicht gewusst, was sie hier auf dem Hof machen, deshalb dachten sie, das wäre vielleicht nicht schlecht. Lange darüber nachgedacht haben sie nicht. Einfach gemacht.
Geld gibt es allerdings keines für ihr Foto auf dem Produkt. Und mit dem Betrieb in die Öffentlichkeit zu gehen, schaffe ein Risiko. Simon habe anfangs große Angst gehabt, dass sie sich zu angreifbar machen und Organisationen in ihren Stall einbrechen könnten. Bisher sei zum Glück nichts passiert.
Echter Betrieb mit echten Menschen
Für Besucher aus der Region öffnen die Kuttenreichs dafür gerne ihre Türen. Irina ist Erlebnisbäuerin und Kräuterpädagogin und führt im Jahr etwa 25 Schulklassen über den Hof. "Wir haben nichts zu verstecken", sagt sie.
Ältere Kinder bittet sie, bei einer Betriebsführung z.B. Fotos zu machen von Sachen, die ihnen gefallen und die ihnen nicht gefallen auf dem Hof - und am Ende wird darüber gesprochen. Auch Sohn Simon packt schon fleißig daheim mit an und will die Landwirtschaft gerne weiterführen. Die Kuttenreichs sind ein echter Betrieb mit echten Menschen.
Verbraucherzentrale mahnt zur Vorsicht
Allerdings: Nicht auf jeder Packung mit den Kuttenreichs sind nur deren Schweine drin. Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale in München betont, dass Firmen im großen Stil produzieren und tausende Verpackungen machen. Die Familien stehen nur symbolisch für das Produkt. Nur weil Landwirte von der Verpackung lächeln, bedeute das noch lange nicht, dass nur deren Fleisch z.B. für die Wurst verarbeitet wurde, so Krehl.
Verbraucherbeschwerden wegen irreführender Darstellung
Ihrer Meinung nach werden die Fotos auf den Verpackungen benutzt, um eine Nähe zum Verbraucher aufzubauen - und auch eine gewisse Bauernhofidylle vorzugaukeln. Hier mahnt Daniela Krehl aber zur Vorsicht. Ein Foto sage nichts darüber aus, wie die Tiere dort gehalten werden. Da lohne sich ein zusätzlicher Blick auf die Haltungskennzeichnung.
Sie bekomme immer wieder Verbraucherbeschwerden, z.B. weil auf Eierpackungen mit Bodenhaltung ein idyllisches Bild mit einer Bäuerin, die ein Huhn trägt, gedruckt wird. Sobald eine Darstellung irreführend sei, dürfen sich die Verbraucher jederzeit bei der Verbraucherzentrale melden.
Markentingstrategie der Supermärkte
Auf BR-Anfrage erklärt Kaufland, dass die Fotos für die Kunden einen authentischen Bezug zum Produkt schaffen sollen. Das gelte insbesondere für regionale Produkte, bei denen die Erzeuger in direkter Nähe zur Filiale produzieren. Die Adressen der Landwirte werden aus Datenschutzgründen nicht angegeben.
Aldi Süd betont, dass bei ihnen je nach Region unterschiedliche Hersteller auf den Produkten oder in den Prospekten landen. "So wissen die Kund:innen genau, woher die regionalen Produkte kommen", heißt es von Aldi Süd.
Auch Lidl wirbt vor allem auf Produkten in Zusammenarbeit mit Bioland mit Bildern von Landwirten. Durch die Abbildung als Testimonals können Kunden regionale Erzeuger durch ihre Kaufentscheidung unterstützen, heißt es in einer Presseerklärung. Laut Statement von Lidl müssen die Landwirte auf den Verpackungen echte Bio-Landwirte sein: "Wir tauschen uns dazu mit unseren Lieferanten oder dem Bio-Anbauverband Bioland aus und fragen mögliche Testimonials an." Die Teilnahme als Testimonial sei freiwillig. Über den Umfang der Informationen entscheide der Landwirt.
Noch ein Werbegesicht in echt
Von Lidl, Aldi und Co kommt kein direkter Kontakt zu den Testimonials. Bioland kann allerdings noch einen weiteres Werbegesicht vermitteln. Eine Landwirtin auf der Milchpackung.
Franziska Wagner führt mit ihrem Mann einen Bio-Betrieb im schwäbischen Oberthürheim. Mit Kühen, Schweinen und einem Hofladen. Auch sie sei eher spontan auf der Milchpackung gelandet. Ihre Molkerei habe sie gefragt und dann habe sie eben mitgemacht.
Model für Werbeplakate
Franziska Wagner ist mit ihrem Foto nicht nur auf der regionalen Milchpackung, sondern auch auf großen Werbeplakaten und Aufstellern deutschlandweit im Supermarkt zu sehen. Dafür gab es sogar noch ein weiteres Fotoshooting mit einem Profifotograf. Doch auch Franziska ist kein Model aus einer Datenbank, sondern eine richtige Landwirtin.
Bio-Hofladen vs. Lebensmitteleinzelhandel?
Im Gespräch betont sie, dass in der Packung freilich nicht nur die Milch von ihrem Hof sei. Für Bioland und die Molkerei ihr Gesicht zu stellen, damit könne sie aber leben. Nicht ganz so überzeugt ist Franziska vom Lebensmitteleinzelhandel. Eigentlich passe das nicht zu den Werten, hinter denen sie steht.
Sie sagt ganz ehrlich, dass sie nicht groß darüber nachgedacht hat, als die Anfrage damals kam.Die Kühe der Wagners sind auf einer Weide neben dem Stall, die meisten Kühe werden gemolken, ein paar springen als Ammen-Kühe für die Kälber ein. Im Hofladen bieten sie ihre eigenen Produkte an, z.B. Fleisch oder Käse, und freilich sei ihr am liebsten, dass die Kunden direkt bei ihr im Bio-Hofladen einkaufen.
Auch wenn die Menschen, die uns von den Produktpackungen anlächeln, in diesem Fall echte Bauern mit echten Betrieben waren. Sich ein richtiges Bild machen kann man sich als Verbraucher am besten vor Ort: im Hofladen oder auf dem Bauernmarkt.
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