Wenn Jacqueline Flory die schrecklichen Nachrichten über den Krieg im Nahen Osten hört, schmerzt sie das vielleicht noch mehr als andere. Für sie sind Tote und Verletzte keine abstrakten Zahlen. Beim Begriff "Flüchtlinge" hat sie sofort Tausend konkrete Namen und Gesichter im Kopf – von Menschen, die sie selbst aus der Region kennt.
Münchner Verein will geflüchteten Kindern Perspektive bieten
Im Jahr 2016 hat die Münchnerin den Verein "Zeltschule" gegründet, um den Menschen im Libanon und in Syrien eine Perspektive zu bieten. Geflüchtete Familien leben dort auf engstem Raum in Camps aus einfachen Zeltplanen – bei gut 40 Grad im Sommer ebenso wie im schneereichen Winter. In der Bekaa-Ebene zum Beispiel, zwischen hohen Gebirgszügen, die den Libanon von Syrien trennen. Dahinter herrscht seit 2011 Bürgerkrieg – mehr als 1,5 Millionen Syrer sind vor dem Assad-Regime in den Libanon geflohen.
Doch auch hier ist das Leben hart für sie: Die Geflüchteten dürfen nicht arbeiten, müssen aber für ihre provisorischen Zelte Miete an den Landbesitzer zahlen. Einzig den minderjährigen Kindern ist es wegen einer rechtlichen Grauzone gestattet, auf den umliegenden Feldern als Erntehelfer zu schuften, um ihre Familien zu ernähren.
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Bildung statt Kinderarbeit im Libanon
Genau hier setzt Jacqueline Florys Konzept an. Mit ihrer Organisation hat sie mitten in den Camps einfache Zelte aufgebaut, in denen Unterricht stattfindet. Mittlerweile gibt es 49 solcher "Zeltschulen", die von mehr als 10.000 Kindern besucht werden. Das Besondere: Dort unterrichten keine Mitarbeiter, sondern die geflüchteten syrischen Lehrerinnen und Lehrer aus dem Camp selbst. Andere Menschen helfen beim Schulbau oder beim Kochen – für jede Aufgabe sind die richtigen Berufsgruppen und genügend Know-how vorhanden.
Die Schüler werden nach dem syrischen Curriculum unterrichtet und erhalten einen mit dem deutschen Realschulabschluss vergleichbaren Schulabschluss. Doch weil die bloße Existenz einer solchen Schule im Camp nicht ausreicht, um die Kinder von den Feldern zu holen, versorgt der Münchner Verein alle Bewohner auch noch mit Nahrung, Wasser, Medikamenten und Hygieneartikeln.
Schule mit friedensstiftender Wirkung auf alle Familien
Für die Kinder spielen die politischen Konflikte und religiösen Unterschiede im Nahen Osten überhaupt keine Rolle, berichtet Jacqueline Flory. Verwundert hat sie, wie schnell anerzogener Hass unter den Erwachsenen durch den gegenseitigen Kontakt verschwand: "Wir haben gemerkt, was für eine friedensstiftende, heilende Wirkung die Schule hat", erklärt die Münchnerin: "Diese Freundschaften, die in der Schule geschlossen werden, werden auch sehr rasch nach Hause in die Familie getragen."
Ohne die Bildung der Schule wären die Kinder leichte Opfer für extremistische Rattenfänger, befürchtet Flory. Die radikal-islamische Hisbollah beherrscht das Land und beschießt seit Kriegsbeginn in Nahost Israel vom Libanon aus mit Raketen. Sollte der Libanon in den Krieg hineingezogen werden, wäre das für alle Menschen im Land eine Katastrophe, weiß Jacqueline Flory: "Im Libanon und in Syrien passieren gerade schreckliche und sehr gefährliche Dinge, die für die Weltsicherheit relevant sind."
Ernsthafte Entwicklungspolitik für Frieden in Nahost
Das Wichtigste aus ihrer Sicht: Die Menschen beider Länder müssten das Gefühl bekommen, dass die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik wirklich vor Ort helfen wolle. Dass es eine andere Lösung geben könnte, als ein Schlauchboot Richtung Europa.
"Es gibt dort durchaus friedenschaffende Maßnahmen, das erkennen wir in unseren Schulen immer wieder", betont Flory: "Da wachsen Kinder unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen gemeinsam auf, die sich im Nahen Osten eigentlich bekriegen." Durch gemeinsames Lernen, viele Gespräche und das Entdecken von Gemeinsamkeiten passiere das nicht im Clinch, sondern als Gemeinschaft. Diese Herangehensweise müssten nur noch sehr viel größere Player beherzigen als ein kleiner Verein aus München.
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