Lässt der Westen Putin in der Ukraine gewinnen?
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Ukraine: Lässt der Westen Putin gewinnen?

Ukraine: Lässt der Westen Putin gewinnen?

Der Krieg in der Ukraine hat sich festgefahren: Die ukrainische Gegenoffensive stockt und Russland geht wieder zum Angriff über. Die zurückhaltende Strategie des Westens bereitet Kiew Sorgen: Werden die Unterstützer Europa und USA gerade kriegsmüde?

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

Deutschland schnürt immer wieder neue militärische Pakete für die Unterstützung der Ukraine und beteuert gemeinsam mit den USA und anderen Partnern seit Beginn des russischen Angriffskrieges seine Solidarität. Die Ukraine bittet im Kampf gegen Russland immer wieder um mehr westliche Waffenlieferungen.

Verteidigungsexperte: Ukraine-Unterstützungen "nicht ganz ehrlich"

Die Verbündeten kämpfen selbst mit vielen Problemen, etwa Logistik und Produktionsengpässen. Die Wünsche der Ukraine kann der Westen nicht immer zeitig erfüllen.

Der Sicherheits- und Verteidigungsexperte Nico Lange sieht im Gespräch mit BR24 für das neue "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) in der Quantität und Qualität der Unterstützung Potenzial nach oben. Er stellt die Frage: "Wenn wir dieses militärische Problem selbst lösen müssten, welche Kräfte, welche Ausrüstung, welche Ausstattung würden wir für uns, für die Bundeswehr aufwenden, um solche Angriffsoperationen durchzuführen?" Wenn der Westen die Antwort darauf hätte, müsse die Schlussfolgerung sein: "So, das liefern wir jetzt der Ukraine, damit sie sich durchsetzen kann." Alles andere sei nicht ganz ehrlich.

Ukrainische Gegenoffensive: Hinter den Erwartungen, dennoch Erfolge

Seit Juni kämpft die ukrainische Armee in der lang geplanten Gegenoffensive um ihr Land. Die Hoffnungen und Erwartungen waren groß, erfüllten sich bislang jedoch nicht. In Kürze erschwert der Winter die Kämpfe und Russland geht jetzt selbst wieder in die Offensive.

Verteidigungsexperte Nico Lange betont, dass die Gegenoffensive Kiews durchaus Erfolge vorweisen kann, weil "die Ukraine auf der Westseite der Krim militärische Fortschritte gemacht hat. Die Schwarzmeerflotte ist vertrieben worden und Russland ist im Süden der Ukraine unter Druck gekommen. Und gleichzeitig ist es so, dass in einer anderen Region des Landes, im Osten jetzt Russland versucht, weiter anzugreifen." Außer sehr hohen eigenen Verlusten habe Russland bisher jedoch wenig erreicht, analysiert Lange.

Im Video: Lässt der Westen Putin in der Ukraine gewinnen? Possoch klärt!

Zu viel zum Verlieren, zu wenig für den Sieg

Wenngleich sowohl Europa als auch die USA sich zur Unterstützung der Ukraine bekannt haben, entsteht der Eindruck, dass die Qualität und Quantität von Waffen, Munition und finanzieller Unterstützung lediglich ausreichen, damit die Ukraine nicht verliert – ihr gleichzeitig aber nicht die Chance gibt, zu gewinnen.

Der Oberkommandierende des ukrainischen Militärs, General Walerij Saluschnyj befürchtet inzwischen, dass der Ukraine ein lange andauernder Abnutzungskrieg gegen Russland bevorstehen könnte. Derzeit habe keine Kriegspartei einen entscheidenden Vorteil gegenüber der anderen, sagte er dem britischen Magazin "Economist": "So wie im Ersten Weltkrieg haben wir ein technologisches Niveau erreicht, das uns in eine Pattsituation stellt."

Fortschritte können laut Lange tatsächlich weder die ukrainischen noch die russischen Truppen erzielen. Dennoch warnt er davor, Vergleiche zu bisher bekannten Kriegen zu ziehen: Der Krieg in der Ukraine sei nicht vergleichbar mit dem Zweiten Weltkrieg oder dem Ersten Weltkrieg, mit napoleonischen Kriegen oder mit anderen. Die Erfolge und Fortschritte der Kämpfe sind laut Lange fluide und eng gekoppelt an die Unterstützungen des Westens.

Dass die Ukraine derzeit im Süden nicht weiter angreift und vorzudringen versucht, erklärt Länge damit, dass in absehbarer Zeit die ersten F16-Flugzeuge zum Einsatz kommen würden. Zwar würden diese keine "Game Changer" werden, "aber die werden einen Unterschied machen, weil sie die russische Luftwaffe auf Abstand halten können".

Kiew beklagt Kriegsmüdigkeit des Westens

Inzwischen beklagt Kiew eine gewisse Kriegsmüdigkeit bei westlichen Geldgebern: Der ukrainische Präsident Selenskyj fürchtet, der Krieg in der Ukraine könnte aus dem Fokus der Aufmerksamkeit und der westlichen Geldgeber geraten. Die Folgen für die Chancen der ukrainischen Gegenoffensive wären massiv: Ohne eine ausreichende Unterstützung des Westens droht der ukrainischen Gegenoffensive ein geringerer Erfolg.

Thomas Jäger: Es wird zu viel diskutiert

Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln, beklagt, in Europa werde zu viel und falsch um Art und Umfang der Unterstützung debattiert.

"Man hätte viel schneller handeln müssen. Und wir sehen es insbesondere beim Aufbau von Rüstungsproduktion, die ja nicht nur für die Ukraine gebraucht wird, die wird für die Bundeswehr, die wird für andere Armeen in Europa gebraucht, was immer noch nicht gelungen ist, wo man immer noch mit einer Bräsigkeit vorgeht, als hätte man alle Zeit der Welt und würde so ganz gemächlich hier irgendetwas dahinplätschern." Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik

Diese Zeit kann sich der Westen und insbesondere Europa laut Jäger jedoch nicht leisten.

Deutschland verdoppelt Militärhilfe, nicht zwingend auch Ukraine-Hilfe

Auch wenn der Krieg zu stagnieren scheint, finden erbitterte Kämpfe statt, die entsprechendes Material bräuchten. Die Kritik Jägers: Europa habe sich nicht ausreichend – vor allem zu spät und zu wenig – darum gekümmert, die industrielle Umstellung an die Verhältnisse und Bedürfnisse des Krieges und den eigenen Versprechen an Unterstützung anzupassen.

Die Bundesregierung will nun die Militärhilfe im Bundesetat 2024 von vier auf acht Milliarden Euro verdoppeln. Dabei handelt es sich nicht um eine Verdoppelung der Ukraine-Hilfe, sondern es geht um eine Verdoppelung des Zusatzbudgets im Bundeshaushalt des kommenden Jahres. Dieses Budget soll anteilig zwar auch für direkte Ukraine-Hilfen genutzt werden, vor allem aber Waffen, Ausrüstung und Munition der Bundeswehr ersetzen, die bislang der Ukraine zur Verfügung gestellt wurden.

Derzeit "kein Ende absehbar"

Ein von vielen Seiten erhofftes schnelles Ende des Krieges in der Ukraine sieht der Verteidigungsexperte Nico Lange derzeit als nicht realistisch. Einerseits muss die Ukraine die russischen Besatzer der Krim wie derzeit unter Druck setzen, möglicherweise gar die Logistik der russischen Südfront durchtrennen – andererseits muss sie sich aber gleichzeitig gegen bevorstehende russische Angriffe auf ukrainische Städte und zivile Infrastruktur behaupten. Dem Verteidigungsexperten zufolge deute all das "leider darauf hin, dass da kein Ende absehbar ist, sondern dass es erstmal weitergehen wird mit diesem Krieg."

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