Von dem, was da im Netz über das Weihnachtsessen der Gautinger Tafel zu lesen sei, ist sie "erschüttert". Was in Kommentaren geäußert werde, sei "ein brauner Bodensatz", sagt eine aufgebrachte Monika Fliedner am Telefon. Fliedner leitet die Tafel in Gauting. Der Grund für ihre Erschütterung: Eine rechte Verschwörungsseite nimmt ihr "interkulturelles Fest" zum Anlass, um Falschbehauptungen über das Fest, die Gautinger Tafeln, über die Gäste und deren Aufenthaltsberechtigung zu verbreiten.
Weihnachtsessen mit Landesspezialitäten
Für den zweiten Advent, den 8. Dezember, hatte die Tafel in Gauting zur Weihnachtsfeier eingeladen. Mitarbeiter und Teilnehmer konnten dazu in einer Liste eintragen, welche "Landesspezialität" sie zum Essen mitbringen wollen, so Tafel-Leiterin Fliedner.
Entsprechend brachten sie Speisen mit, die sie nach Art ihrer syrischen, bosnischen, afghanischen, irakischen und deutschen Heimat zubereitet hatten. Die Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) war bei dem Fest und dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gautinger Tafel, wie der Münchner Merkur am Tag nach dem Fest berichtete.
Rechte Plattform: "Keine Deutschen anwesend"
In einem Artikel auf der rechten Verschwörungsseite "anonymousnews" wird behauptet, die Tafel Gauting habe vom Bundesinnenministerium eine "gehörige Finanzspritze" für ein "Fest, das seinesgleichen sucht" erhalten. Bundesinnenminister Horst Seehofer "höchstselbst" habe für "reichlich Schoko-Nikoläuse gesorgt", so der Autor, der offenbar unter Pseudonym veröffentlicht. Eingeladen gewesen seien "ausschließlich illegale Migranten". Außer einigen Tafelmitarbeitern hätten keine Deutschen teilgenommen. Der Vorwurf: Die Tafel würde Deutsche von derartigen Veranstaltungen konsequent ausschließen. Belege für diese Behauptung liefert die Verschwörungsseite allerdings nicht.
Die Website "anonymousnews" veröffentlicht reihenweise Artikel, die auf eine klar ausländer- und islamfeindliche Haltung der Autoren schließen lassen. Das Bundesinnenministerium stuft die Seite als "nicht vertrauenswürdig" ein. Für BR24-Netzexperte Christian Schiffer ist die Website "eine der zentralen und aggressivsten Seiten, die Verschwörungstheorien und rechtsextreme Falschbehauptungen streut". Weil die Seite in Russland gehostet ist, kann sie weitgehend ungehindert Falschmeldungen und Hass-Inhalte in deutscher Sprache verbreiten. "Die Betreiber der Website müssen zwar bei der russischen Domain-Registrierungsstelle Kontaktdaten angeben, für die Öffentlichkeit ist aber nicht sichtbar, wer hinter der Seite steckt", sagt Schiffer.
Bund stellt Mittel für interkulturelle Veranstaltungen bereit
Tatsache ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesem Jahr das Projekt "Maßnahmen zur Offenheit der Tafeln für Interkulturelles und Vielfalt (MOTIV)" gestartet hat. Mit diesem Projekt sollen Tafeln bei der interkulturellen Öffnung und der Etablierung der Tafeln als soziale Orte einer vielfältigen Gesellschaft unterstützt werden, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, aus dem Mittel für MOTIV stammen, BR24 mitteilte.
Über das BAMF gelangten die Mittel zur Tafel-Akademie, einer hundertprozentigen Tochter der Tafel Deutschland. Die Tafel-Akademie bezuschusste 45 Mikroprojekte mit bis zu 1.000 Euro, darunter die Nikolausaktion der Tafel Gauting und Aktionen vier weiterer bayerischer Tafeln.
Tafeln bedienen nur Bedürftige
Auch die Behauptung des Artikels, es seien "ausschließlich illegale Migranten" eingeladen gewesen, entbehre jeder Grundlage. Bei der Tafel sei grundsätzlich jeder willkommen, Herkunft spiele keine Rolle, so Fliedner, die seit 15 Jahren ehrenamtlich bei der Tafel in Gauting arbeitet. Bei der Veranstaltung am Sonntag seien sehr wohl Einheimische vor Ort gewesen. Allerdings hätten diese sich nicht fotografieren lassen wollen. Laut Fliedner sei die Scham, zur Tafel gehen zu müssen, bei Einheimischen deutlich größer als bei den Teilnehmern aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Diese Personen wiederum seien, so die Leiterin der Tafeln, keine "Illegalen", wie die Verschwörungsseite behauptet, sondern hier legal lebende Menschen. Zugang zu einer Tafel haben nur Personen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen können, etwa Empfänger von Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Sozialhilfe oder anerkannte Asylbewerber.
Unterstützung aus dem Innenministerium: 1000 Euro
Von der "gehörigen Finanzspritze", wie die rechte Verschwörungsseite behauptet, könne ebenfalls keine Rede sein, so Fliedner. Von den 1.000 Euro aus dem MOTIV-Projekt habe sie einen Teil für das Buffet aufgewendet und vom Rest "kleine Geschenke" besorgt, die an die Anwesenden verteilt wurden. Die Geschenke umfassten Hygiene-Artikel für Männer und Frauen und überstiegen, so Fliedner, nicht den Wert von zehn Euro pro Person. Kinder bekamen Spielzeug sowie Musikinstrumente geschenkt, die über das Jahr hinweg an die Tafel gespendet worden waren.
Drohungen gegen die Tafel
Die Episode setze Monika Fliedner und den anderen Mitarbeitern der Tafel zu. Sie sei fassungslos, da sich die Tafel in Gauting durch ein "wunderbares Miteinander" auszeichne. Fliedner sagt, sie habe mittlerweile Angst. Sie erhalte Drohanrufe und Drohmails. In den Kommentaren unter dem Text auf der rechten Verschwörungsseite wird offen zur Gewalt aufgerufen.
Das BAMF prüft nach Angaben von Sprecher Jochen Hövekenmeier, welche der Aussagen in dem anonymousnews-Text justiziabel sind und ob das Amt rechtliche Schritte einleitet.
“Wir müssen den Menschen, die bei uns Schutz suchen, auch Schutz bieten - auch vor solchen Verleumdungen.” Jochen Hövekenmeier, Sprecher BAMF
Fazit
Die Behauptungen auf der rechtsextremen Verschwörungsseite sind größtenteils falsch und diffamierend. Bei der interkulturellen Nikolausfeier waren laut der Gautinger Tafel Menschen mit und ohne Migrationshintergrund anwesend, die selbst Speisen mitbrachten. Für die Organisation der Feier erhielt die Gautinger Tafel 1.000 Euro aus einem Förderprogramm des Bundes für interkulturelle Verständigung. Mit diesem Geld wurde ein Teil des Buffets finanziert sowie Geschenke für alle Teilnehmer, auch für Deutsche. Zugang zu Tafeln haben nur Menschen, die durch einen amtlichen Bescheid ihre Bedürftigkeit nachweisen können, egal, welcher Nationalität sie sind. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft, ob es rechtliche Schritte gegen die Website einleitet, die die Falschmeldungen über die Feier verbreitet hat.
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