Der Alltag hat sich in den letzten Tagen schnell verändert. Trotz Corona kann man einkaufen und Restaurants jetzt ohne Maske besuchen. Das nehmen viele mit Erleichterung auf. Ältere Menschen erleben diese neue " Normalität" mit gemischten Gefühlen.
Die 77-jährige Zenta Reiser aus Schrobenhausen genießt die gefühlte Normalität. Vergangene Woche war sie mit Besuch im Restaurant beim Essen: "Ohne Maske geht man einfach ganz anders rein. Und das war irgendwie schon schön, weil ich mir gedacht hab, dass könnte man jetzt wieder leichter machen.“ Allerdings bleibt sie trotzdem auch weiter vorsichtig und hält sich an Abstands- und Hygieneregeln.
Seniorinnen und Senioren bleiben vorsichtig
Diese Vorsicht beobachtet auch der Geschäftsführer der bayrischen Landesseniorenvertretung, Thomas John: "Viele Seniorinnen und Senioren gehen beispielsweise zu Randzeiten einkaufen.“ Zudem seien viele unsicher, was im Herbst wieder auf sie zukommen werde. Ob die vulnerablen Gruppen dann wieder besonders geschützt werden müssen. Allerdings könne man Seniorinnen und Senioren laut Thomas John nicht als homogene Gruppe sehen. Wie sie mit den Corona-Lockerungen umgehen, hänge ganz von den individuellen Erfahrungen und auch Vorerkrankungen ab.
Einsamkeit durch Pandemie
Die alleine lebende Zenta Reiser freut sich, dass sie nun auch wieder ins Seniorencafé des Seniorenbeirats Schrobenhausen gehen kann: Zweimal im Monat findet es statt. Für Zenta Reiser bedeutet das, "dass man unter Menschen ist und nicht immer nur alleine hockt.“ Unter dem Motto "Gemeinsam gegen Einsam“ bieten die Ehrenamtlichen des Seniorenbeirats das Café schon seit 2019 an. Die Pandemie hat die Einsamkeit noch verstärkt: Jeder fünfte Mensch über 75 fühlt sich laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2021 einsam – häufig, oder zumindest hin und wieder.
Corona-Maßnahmen in Seniorenheimen verlängert
Beim Seniorencafé begrüßen die Ehrenamtlichen die Seniorinnen und Senioren herzlich mit einer Umarmung. Es wird gesungen und gelacht. Die Frauen und Männer blühen sichtlich auf. Corona-Einschränkungen gelten hier seit Anfang April nicht mehr - anders als in Seniorenheimen: Dort hat das bayerische Kabinett die Basisschutzmaßnahmen verlängert, vorerst bis zum 28. Mai. Das heißt, FFP2-Maskenpflicht und Testpflicht für Besucher und Mitarbeitende. Und anders als in Kitas und Schulen, wo die Testpflicht ab Mai wegfällt.
Angehörige: Testen stört nicht, Maske eher
Für Heidemarie Kalasch aus Ingolstadt ist das schon Gewohnheit: Zwei- bis dreimal pro Woche besucht sie ihre Mutter und Tante im AWO-Seniorenzentrum Katharinengarten in Ingolstadt. Davor macht sie einen Schnelltest bei einer Teststation. "Das Testen macht mir nichts aus, da macht mir die Maske mehr aus“, erzählt sie. Sie wohne allerdings auch direkt neben einer Teststation, mit Anfahrt sei das bestimmt schwieriger. Zudem würden immer mehr Teststationen in ihrer Gegend schließen, erzählt die Ingolstädterin.
Besuch tut Menschen im Seniorenheim gut
Mit FFP2-Maske und nach einem negativen Testergebnis besucht Heidemarie Kalasch ihre Tante. Die 90-Jährige freut sich sichtlich über den Besuch "ihrer Heidi“ – vor allem über die Bilder und Videos von deren Enkelkindern. Altenpflegerin Martina Quass beobachtet, dass die Bewohnerinnen und Bewohner viel aufgeschlossener sind, seitdem sie wieder regelmäßig Besuch bekommen können. Auch für sie und die anderen Mitarbeitenden ist es eine Entlastung, wenn die Angehörigen beim Essen helfen oder einfach nur Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern verbringen.
Testpflicht im Seniorenheim polarisiert
An den Schnelltest vor jedem Dienstbeginn hat sich Pflegerin Martina Quass schon gewohnt. Sie findet es gut, dass sich auch die Besucher weiter testen müssen. Das sieht auch der 80-jährige Bewohner Helmut Sturm so: "Die kommen doch von außen rein und können dann andere anstecken. Und bevor man schaut, ist dann das ganze Heim unter Quarantäne, das wäre nichts.“ Der Einrichtungsleiter Ralph Bartoscheck ist anderer Meinung: "Wir sind ein offenes Haus. Das heißt, die Leute können am Wochenende zu ihren Angehörigen, und wenn sie dann wieder zurückkommen, dann können sie das Virus genauso mitbringen wie ein Angehöriger. Deshalb finde ich, bringt die Testpflicht nicht viel.“
Balance-Akt zwischen Schutz und Isolation
Ende Februar hatten sie das letzte Mal Corona-Erkrankungen im Heim, meint Einrichtungsleiter Ralph Bartoscheck. Weil er bei Omikron mildere Verläufe beobachtet, fände er es angebracht, weiter zu lockern – wie auch in Schulen und Kindertagesstätten. Der Geschäftsführer der Landesseniorenvertretung Bayern, Thomas John findet die Verlängerung der Basisschutzmaßnahmen bis Ende Mai richtig. Danach hofft allerdings auch er auf weitere Schritte Richtung Normalität. Allen recht machen könne man es aber eh nie meint John: Das Spannungsfeld zwischen Schutz und Isolation, Vorsicht und Lockerungen bleibt bestehen.
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