Die Informationstechnologie kann das Leben in vielen Bereichen erleichtern – auch in der Forschung. In der Medizin etwa ist es nach wie vor Standard, Mikroskopiebilder von Gewebeschnitten händisch auszuwerten. Auf diese Weise wird beispielsweise beurteilt, wie viele Krebszellen sich in einem Lymphknoten befinden. "Oft sitzt man stundenlang in einem dunklen Raum und zählt die Zellen auf einem Bild, das mit einem Fluoreszenzmikroskop aufgenommen wurde. Das kostet unglaublich viel wertvolle Zeit", erzählt Philipp Sodmann, der am Universitätsklinikum Würzburg in der Herzforschung tätig ist.
Mit dem neuen Programm "deepflash2" können Mikroskopiebilder nach Aussage der Entwickler jetzt schneller und sicherer ausgewertet werden. Auf diese Weise könnten auch Diagnosen schneller gestellt und somit vielleicht sogar Menschenleben gerettet werden.
Mit 10.000 US-Dollar dotierter Innovationspreis für "deepflash2"
Matthias Griebel vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Business Analytics der Universität Würzburg hat das Programm "deepflash2" im Rahmen seiner Promotion entwickelt. Es bildete das Fundament der Lösung, die er gemeinsam mit dem Mediziner Philipp Sodmann für einen internationalen Data-Science-Wettbewerb entwickelt hat. In diesem Wettbewerb war das Team der beiden Würzburger erfolgreich: Es erhielt im Mai 2021 den mit 10.000 US-Dollar dotierten Innovationspreis und eine Gold-Medaille der Online-Plattform Kaggle.
Die Jury mit Fachleuten aus Medizin, Biologie und Künstlicher Intelligenz (KI) bescheinigt "deepflash2" eine weitere Qualität: Das Programm erkennt auch Uneindeutiges. "In der Biologie ist nicht alles schwarz oder weiß", erklärt Matthias Griebel. Nicht selten zweifeln Forschende, ob Zellen, die sie in einem Gewebeschnitt sehen, noch funktionsfähig sind. In solchen Fällen weist "deepflash2" darauf hin: Hier müssen noch einmal Menschen draufschauen! Eben dies macht das Tool nach Meinung der Jurymitglieder besonders innovativ.
Frei verfügbar für Forschende
Noch sei "deepflash2" ein Geheimtipp für Forschende, die sich mit der Biobildanalyse befassen. Das gute Abschneiden beim Data-Science-Wettbewerb will Matthias Griebel nun aber zum Anlass nehmen, um verstärkt Werbung für sein Werkzeug zu machen. Da es sich um ein Open-Source-Tool handelt, können andere Forschende es kostenlos im Browser nutzen oder auf dem eigenen Computer installieren. Inzwischen tüftelt Griebel schon daran, "deepflash2" durch die Erkenntnisse aus dem Wettbewerb weiter zu verbessern.
Anwendbar auch ohne KI-Wissen
Wirtschaftsinformatiker Griebel macht seine Doktorarbeit bei Professor Christoph Flath. Großen Wert legt er bei der Entwicklung darauf, dass auch Forschende ohne KI-Expertise das Tool problemlos nutzen können. Die komplizierten Vorgänge hinter den Kulissen brauchen die Anwenderinnen und Anwender in Medizin und Biowissenschaft nicht zu interessieren. Für sie ist es laut Griebel vor allem wichtig, die Biobildanalyse schneller und gleichzeitig zuverlässiger zu gestalten. Damit ein künstliches neuronales Netz das leisten kann, muss es anhand umfangreicher Datensätze intensiv trainiert werden, so der Wissenschaftler.
Entscheidungen trifft der Mensch
Am Ende bleiben es aber Menschen, die eine Schlussfolgerung aus den Bildern ziehen. Das dürfte alle beruhigen, die befürchten, dass Künstliche Intelligenzen in der Medizin künftig über Wohl und Wehe entscheiden werden. Genau das, betont Philipp Sodmann, sei nicht der Fall und werde sicher nie der Fall werden. Sodmann appelliert, die vielfältigen Möglichkeiten der KI zu erkennen. Der Data-Science-Wettbewerb zum Beispiel fand vor dem Hintergrund des 2016 gestarteten Projekts "Human BioMolecular Atlas Program" statt. Dessen Ziel ist es, jede einzelne der rund 37 Billionen Zellen des Menschen abzubilden und zu charakterisieren. Ohne KI wäre das unmöglich.
Preis für die beste Präsentation
Für den Data-Science-Wettbewerb von Kaggle waren insgesamt Lösungen von rund 1.200 Teams aus mehr als 50 Ländern eingereicht worden. Matthias Griebel und Philipp Sodmann landeten auf Platz 10. "Wobei sich die ersten Plätze in einem Kopf-an-Kopf-Rennen entschieden", so Griebel. Aufregend war für ihn und seinen Kollegen auch die Präsentation des Projekts vor internationalem Publikum. Dabei sahnten die zwei Würzburger nochmals ab: Sie gewannen auch den Preis für die beste Präsentation, zusätzlich zur Gold-Medaille und zum Innovationspreis.
Geeignet für verschiedene Krankheitsbilder
Matthias Griebel möchte nicht im Elfenbeinturm vor sich hinforschen. Ihm ist es wichtig, Tools zu entwickeln, die am Ende den Menschen helfen. Weil das Programm "deepflash2" trainierbar ist, kann es zum Beispiel lernen, verschiedene funktionelle Gewebseinheiten zu erkennen. So kann der Algorithmus mithilfe des maschinellen Lernens beigebracht bekommen, auf einem Bild die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu identifizieren.
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