"Mama!", habe das Mädchen ununterbrochen gesagt und unter Tränen ins Ladeninnere gezeigt. Sie habe es in den Arm genommen und versucht, die Kleine zu trösten. Dass in dem Kaufhaus am Barbarossaplatz, in dem sie als Verkäuferin arbeitet, gerade ein Mann andere Menschen angreift, hatte sie bereits mitbekommen. Dann wurde auch sie Opfer. Die Narben im Schulter- und Nackenbereich erinnern die 53-Jährige bis heute an diesen Nachmittag im Juni 2021.
Verkäuferin stellte sich schützend vor Mädchen
Sechs Augenzeugen des Messerangriffs am Würzburger Barbarossaplatz im Juni 2021 haben am fünften Verhandlungstag im Prozess am Würzburger Landgericht ausgesagt. Unter ihnen die Frau, die das elfjährige Mädchen getröstet hat, nachdem dessen Mutter vom Beschuldigten niedergestochen worden war. Heute gehe es ihr gut, sagte die 53-Jährige vor Gericht. Schlafprobleme etwa hätte sie auch vorher schon gehabt, das habe nichts mit dem Erlebten zu tun, sagte sie. "Ich sehe eine sehr starke Frau vor mir, muss ich sagen", beendet der Richter die Vernehmung der Zeugin.
Passant und Helfer: "Für Sekunden war es still in meiner Welt"
Auch Elvis Dick, ein 20-jähriger Zeitsoldat aus Würzburg, war am 25. Juni 2021 um 17 Uhr zufällig am Barbarossaplatz unterwegs. "Es war ein Sommertag in Würzburg - da hätte niemand mit sowas Schrecklichem gerechnet", erzählte der junge Mann. Er hatte den Angriff auf die 53-Jährige von der anderen Straßenseite beobachtet. "Für ein bis zwei Sekunden war es für mich in meiner Welt still." Dann habe er sich eine Warnbarke geschnappt und versucht, den Täter abzulenken. "Der Herr hat nach weiteren Opfern Ausschau gehalten", erinnert sich Dick. Der Somalier habe es vor allem auf wehrlose Menschen abgesehen, "unterlegene Opfer", sagte der 20-Jährige.
Auch Polizistin sagte vor Gericht aus
Auch die Polizeibeamtin, deren Kollege den Schuss abgesetzt hat, mit dem der Messerangreifer außer Gefecht gesetzt werden konnte, war als Zeugin geladen. "Auf dem Weg zum Tatort habe ich im Auto noch meine Schutzweste angezogen. Ich hatte das Gefühl, das könnte nötig werden." Als sie ankamen, hatte eine Menschenmenge den Angreifer bereits in eine Gasse gedrängt. Es galt schnell zu reagieren. Binnen weniger Sekunden hätten sie und ihre Kollegen sich für den Gebrauch der Schusswaffe entschieden. Der gezielte Schuss ins Bein des Angreifers setzte diesen außer Gefecht. Das Erlebte habe sie gut verkraftet, "weil wir uns sicher sind, vor Ort die richtige Entscheidung getroffen zu haben", sagte sie.
Angreifer leidet unter paranoider Schizophrenie
Der Prozess zur Messerattacke läuft seit dem 22. April 2022. Es geht um die Geschehnisse Ende Juni vergangenen Jahres, als ein Mann aus Somalia in der Würzburger Innenstadt drei Frauen tötete und neun Menschen verletzte. Das Landgericht Würzburg hat 27 Prozesstage bis in den September angesetzt. Am heutigen Prozesstag verhandelte das Landgericht in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim. Aus Platzgründen hatte das Landgericht die Verhandlungen in verschiedene Veranstaltungshallen im Raum Würzburg ausgelagert. Wegen einer paranoiden Schizophrenie gilt der Angreifer als schuldunfähig. Wahrscheinlich wird er langfristig in einer forensischen Einrichtung untergebracht.
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