Auch wenn der Zahn der Zeit mittlerweile ordentlich Spuren hinterlassen hat: die Zeppelintribüne und das angrenzende Zeppelinfeld auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg vermitteln ein eindrückliches Bild vom Größenwahn des Nationalsozialismus. Die Bauwerke gehören zu den bekanntesten der NS-Zeit. Damit Zeppelintribüne und Zeppelinfeld auch in Zukunft als Lernorte erhalten bleiben, muss die Stadt allerdings tief in die Tasche greifen.
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Führungen fast komplett ausgebucht
Einmal jährlich veranstalten die Stadt Nürnberg und der Verein "Geschichte für Alle" einen "Informationstag Zeppelintribüne und Zeppelinfeld". Auch heuer war das Interesse groß. Von neun bis 18.00 Uhr gab es im Viertelstundentakt kostenlose Führungen: in Deutsch, aber auch in Englisch, Französisch, Türkisch und Griechisch. Für Blinde wurde auch eine spezielle Tastführung angeboten. Die Rundgänge waren dabei nahezu komplett ausgebucht, heißt es vom Verein "Geschichte für Alle". Insgesamt nahmen rund 800 Interessierte das Angebot wahr: vom Zeppelinfeld über dessen von Pflanzen überwucherten Ränge durch den Goldenen Saal bis hoch auf die Zeppelintribüne.
Reichsparteitagsgelände "einzigartig in Deutschland"
Andreas Krätzer vom Verein "Geschichte für Alle" betont beim Rundgang die geschichtliche Bedeutung der Zeppelintribüne und des angrenzenden Zeppelinfelds. Sie seien die einzigen noch im Wesentlichen erhaltenen Bauwerke, die für die NS-Reichsparteitage geplant, fertig gebaut und tatsächlich auch genutzt wurden. "Das ist einzigartig in Deutschland", so der Experte. Die Nationalsozialisten nutzten das Zeppelinfeld u.a. für Aufmärsche und zu Propagandazwecken. Teils hätten sich bis zu 100.000 Menschen auf dem Zeppelinfeld versammelt.
"Das waren Massenveranstaltungen. Man wollte den Rückhalt der Bevölkerung symbolisch darstellen, eine Selbstinszenierung der Partei. Man wollte die Volksgemeinschaft einschwören. (...) Nirgendwo anders kann man Bildungsarbeit so gut betreiben wie auf dem Gelände." Andreas Krätzer, Geschichte für alle
Andreas Krätzers Gruppe ist nach Ende der etwa 60-minütigen Führung größtenteils beeindruckt. "Selbst als Nürnberger hat man noch einiges erfahren", sagt einer der Teilnehmer.
Gezeichnet vom Zahn der Zeit
Der geschichtsträchtige Ort ist längst in die Jahre gekommen. Die Ränge rund um das Zeppelinfeld sind von Pflanzen überwuchert. Auf der Zeppelintribüne bröckeln nicht nur die Fugen zwischen den Steinquadern heraus. An einigen Stellen lösen sich große Brocken von den Steinen. 60 Prozent der Steine an den Fassaden und 80 Prozent der Natursteinblöcke an den Stufen der Zeppelintribüne sind zerstört. Im Inneren muss die Tribüne teils durch massive Holzkonstruktionen gestützt werden. Außen schützen Zäune Passantinnen und Passanten vor herabstürzenden Steinbrocken. Teile der Tribüne sind aus Sicherheitsgründen nicht mehr betretbar.
Zeppelintribüne wird erhalten, nicht saniert
Dass dem Verfall Einhalt geboten werden soll, darüber sind sich in Nürnberg die Meisten einig. "Nirgendwo anders kann man Bildungsarbeit so gut betreiben wie auf dem Gelände", sagt Andreas Krätzer vom Verein "Geschichte für alle". Nur über das "wie" wurde in Nürnberg jahrelang diskutiert. Während die Stadt nach Kriegsende lange versuchte, die Spuren der NS-Zeit aus dem Stadtbild zu tilgen, habe man sich später für einen offensiveren Umgang mit der Geschichte entschieden, so Krätzer. Im Jahr 2004 habe der Nürnberger Stadtrat dann beschlossen, das Reichsparteitagsgelände als Relikt für künftige Generationen zu erhalten, erklärt Matthias Braun von der Stadt Nürnberg. Dabei habe man sich allerdings gegen eine Wiederherstellung, sprich gegen eine Sanierung entschieden. Stattdessen soll der jetzige Bestand erhalten und das Gelände "trittsicher" gemacht werden, wie es heißt.
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Bauarbeiten ab 2024
Die Arbeiten an der Zeppelintribüne und dem Zeppelinfeld sollen voraussichtlich im Frühjahr 2024 beginnen und wohl mindestens sechs Jahre lang dauern. Die Kosten belaufen sich auf rund 85 Millionen Euro. Die Hälfte übernimmt der Bund. Die andere Hälfte teilen sich der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg.
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