Eine schwere graue Stahltür versperrt den Weg in den ehemaligen Luftschutzraum tief unter der Regensburger Altstadt. Eine Signalleuchte direkt daneben zeigt an: "Bitte öffnen". Melanie Neuhoff drückt daher den Hebel nach unten. Vor ihr öffnet sich ein leerer Raum. Ein postkartengroßes Fenster fällt ins Auge. Ein Guckloch für den Bunkerwart, erklärt die Katastrophenschutz-Beauftragte der Stadt Regensburg. Er hätte bestimmt, wer während des Kalten Krieges hier einen der 2.400 Plätze bekommen hätte. Heute hätte er allerdings keine Plätze mehr zu vergeben - denn der größte von drei öffentlichen Luftschutzräumen in Regensburg ist nicht mehr einsatzbereit.
Luftschutzraum: Relikt aus dem Kalten Krieg
Vieles, was zur Grundausstattung eines Luftschutzraums gehört, ist inzwischen verschwunden oder rückgebaut worden. So fehlt im ersten Raum, der Dekontaminations-Schleuse, die Duschvorrichtung. Erst nachdem der Schutzsuchende seine Kleidung gegen einen Overall eingetauscht hätte, hätte er den eigentlichen Schutzraum betreten dürfen.
Jetzt ist der Bunker nur ein Parkdeck, zugeparkt mit Autos der Altstadtbewohner. "Der Schutzraum hatte zum einen den Zweck, als Tiefgarage in Friedenszeiten genutzt werden zu können. Im Falle eines Krieges wären hier die Bürger untergebracht worden", erklärt Neuhoff. Die Fahrzeuge hätten dann entfernt werden müssen. Das steht bei manchem Stellplatzbesitzer noch im Vertrag. "Dann wären hier Betten aufgebaut worden, um es einigermaßen 'bequem' zu haben - wenn man das in einem Bunker so sagen kann." Allerdings: Die Betten sind inzwischen entsorgt worden. Für die Wartung fehlte das Geld.
Bundesweit kein Luftschutzraum einsatzbereit
Der Bund hat einst zusammen mit den Ländern beschlossen, die "funktionale Erhaltung öffentlicher Schutzräume" ab 2007 einzustellen. Seither wurden von den ehemals bundesweit 2.000 Anlagen rund 1.400 Luftschutzräume rückabgewickelt, also entweder abgebaut, verkauft oder umfunktioniert. Bundesweit gibt es laut dem zuständigen Bundesamt für Immobilienaufgaben nur noch rund 600 öffentliche Luftschutzräume.
In Bayern unterliegen von ursprünglich 492 Anlagen nur noch 156 Schutzräume der "Zivilschutzbindung", darunter die Anlage in der Regensburger Baumhackergasse. Dem Schutz der Bevölkerung bringen sie fast nichts. "Einsatzbereite öffentliche Schutzräume, wie zum Beispiel Luftschutzbunker, gibt es nicht mehr", teilt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) schriftlich mit. Zumindest aktuell.
Forderung: Zehn Milliarden Euro für den Zivilschutz
Als Folge des Ukraine-Krieges plant die Bundesregierung nun eine Bestandsaufnahme aller noch vorhandenen Luftschutzräume in Deutschland. "In diesem Kontext werden auch das aktuelle Rückbaukonzept für Schutzräume und eine gegebenenfalls erforderliche Neuaufstellung geprüft", so das BBK auf BR-Nachfrage. Auch Vertreter einzelner Bundestags-Parteien diskutieren derzeit, den Stellenwert des Zivilschutzes zu erhöhen und dementsprechend zu finanzieren. Von bis zu zehn Milliarden Euro ist Rede, unter anderem für die Ertüchtigung der Bunkeranlagen.
Faeser will Rückbau stoppen
Neben einem Ausbau der Reserven könnten auch die öffentlichen Luftschutzräume wieder ertüchtigt werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht dafür aber keine Notwendigkeit: "Wir brauchen in der Tat Milliarden für den Katastrophenschutz, auch für den Zivilschutz. Aber welche Rolle dabei der Bau von Bunkern spielen soll, muss meines Erachtens erst mal in Ruhe diskutiert werden." Ohnehin hätte auch während des Kalten Krieges nur ein Bruchteil der Bevölkerung dort Schutz gefunden, so Herrmann weiter. "Ich habe daher meine Zweifel, dass es uns jetzt weiterhilft."
Anders sieht das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Dass seit 2007 über 1.400 Anlagen zurückgebaut wurden, hält die zuständige Ministerin für einen Fehler. "Ich finde es auch nicht gut, dass die Vorgänger dort auch einen sehr massiven Abbau betrieben haben. Ich glaube, dass man sehr genau hingucken muss: Was kann man mit sehr einfachen Mitteln reaktivieren." Den Rückbau will Faeser stoppen.
Umfassende Sanierung der Bunker notwendig
Als 1974 der Regensburger Luftschutzraum fertiggestellt wurde, hat er umgerechnet rund viereinhalb Millionen Euro gekostet. Die letzte Renovierung in den 1990er-Jahren kostete dann noch einmal um die 900.000 Euro.
Danach sei nichts mehr getan worden, sagt Regensburgs Katastrophenschutz-Beauftragte Melanie Neuhoff. Sie steht in der Sanitäranlage, die gut versteckt ist hinter einer unscheinbaren Tür. Von der Decke bröckelt der Putz, der sich auf die kaum benutzten Toiletten verteilt. Rost und Schimmel tun ihr Übriges. "Gerade als Katastrophenschützer blutet einem natürlich das Herz, wenn man seine Anlagen verkommen sieht", sagt Neuhoff. Doch eine Instandsetzung wäre aufwendig: Die Wasserleitungen waren lange nicht in Betrieb, müssten im Zweifel ausgetauscht werden. Die Kabel der Kommunikationsanalage gehen ins Leere. Auch neue Feldbetten würden es brauchen. Und dabei handelt es sich nur um die Grundausstattung. Neuhoff schätzt daher, dass die Sanierungskosten im Millionenbereich liegen dürften.
Zukunft der Luftschutzräume offen
Immerhin ein Teil der Technik im Regensburger Luftschutzraum ist noch vorhanden und funktionsfähig. Der Dieselgenerator wurde vor zehn Jahren das letzte Mal getestet, sagt Neuhoff. "Und er ist ohne Probleme angesprungen." Direkt daneben geht es zum Notbrunnen, der innerhalb von einer Sekunde sechs Liter Trinkwasser in drei zimmerhohe Tanks pumpen kann. Der Brunnen ist immer noch Teil des Katastrophenschutzkonzepts; zum Beispiel, wenn in der Regensburger Altstadt die Trinkwasserversorgung zusammenbrechen würde. Auch für einen mehrtägigen Aufenthalt im Luftschutzraum wäre die Technik essentiell. Doch ob die Anlage je wieder diesen Zweck erfüllen wird und wer eine mögliche Ertüchtigung bezahlt, ist offen, so Regensburgs Katastrophenschützerin Neuhoff. "Da warten auch wir noch auf eine entsprechende Order."
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!