Die Flugschülerin Franka Adelgoß startet mit ihrem Gleitschirm Richtung Bolsterlang.
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Die 20-jährige Flugschülerin Franka Adelgoß mit einem Start wie aus dem Lehrbuch.

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Zwischen Freiheit und Gefahr: Wie sicher ist Gleitschirmfliegen?

Zwischen Freiheit und Gefahr: Wie sicher ist Gleitschirmfliegen?

Wie ein Adler durch die Luft segeln – mit dem Gleitschirm lässt sich der uralte Traum vom Fliegen erfüllen. Immer mehr entdecken den Sport für sich, doch kürzlich sind zwei Gleitschirmflieger im Allgäu verunglückt. Wie sicher ist der Sport?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Franka Adelgoß macht sich bereit: Auf 1.300 Meter Höhe, auf einer Grünfläche neben Kühen, legt sie ihren Gleitschirm aus. Vor ihr, im Tal, schimmert im Morgendunst Bolsterlang im Oberallgäu. "Der Start ist mit am Wichtigsten, den will ich gut hinbekommen, aber zu sehr verkopfen darf ich mich auch nicht, sonst wird's nichts", sagt die 20-Jährige aus Schöllang im Allgäu.

Vor dem Traum umfangreiche Ausbildung nötig

Franka will sich ihren Traum vom Fliegen erfüllen und Gleitschirmfliegerin werden: "Dieser Ausblick von da oben ist einfach jedes Mal wieder unbeschreiblich." Wer legal fliegen möchte, braucht dafür in Deutschland eine Linzenz. Die hat Franka noch nicht, sie ist noch mitten in der Ausbildung und muss noch Flüge sammeln und trainieren, damit sie bald zur praktischen Prüfung zugelassen wird.

Per Funk bekommen die Flugschüler Kommandos. Gerade beim Start kann so manches schiefgehen, weiß Ausbilder Michael Bender: ”Wenn wir da in die falsche Richtung laufen oder zu wenig oder zu viel anbremsen, produzieren wir ein starkes Pendel." So können Boden oder Hang gefährlich nahekommen. Beim Start geht es besonders um eines: "Das Gespür für den Schirm zu bekommen, das trainieren wir."

Zwei tödliche Gleitschirm-Unfälle im Allgäu

Sicherheit habe in der Ausbildung oberste Priorität – seit diesem Sommer ganz besonders. Denn am Berg gegenüber kam es zu zwei tragischen Unfällen: Am Nebelhorn sind im August zwei Gleitschirmflieger abgestürzt und gestorben. Wie es dazu kam, ist nicht endgültig geklärt. Der Sicherheitsexperte vom Deutschen Hängegleiterverband (DHV), Karl Slezak, hat die Wetterlagen an den Unfalltagen analysiert und ist der Auffassung, dass die Bedingungen eigentlich gut gewesen seien.

Auch die Bergretter vor Ort haben die Unfälle überrascht, sagt Einsatzleiter Michael Lacher von der Bergwache Oberstdorf: "Dass so etwas an zwei darauffolgenden Tagen passiert, ist sehr ungewöhnlich und auch entsprechend tragisch." Zwar komme es immer mal wieder zu kleinen Vorfällen, aber der letzte tödliche Gleitschirmunfall liege 18 Jahre zurück.

Bergrettungen: Gleitschirmunfälle vergleichsweise selten

Mehr als 1.000 Mal pro Jahr muss die Bergwacht Oberstdorf ausrücken – meistens aber wegen Ski-, Wander- oder Kletterunfällen. Gleitschirmunfälle sind relativ selten. "Wenn man die Gesamtanzahl an Einsätzen betrachtet, machen die Gleitschirmflieger einen ganz geringen Prozentanteil aus", sagt der Einsatzleiter Lacher. "Und das, obwohl am und um das Nebelhorn sehr, sehr viel geflogen wird."

Dass Gleitschirmfliegen als Sportart immer sicherer wird, davon ist Peter Geg überzeugt. Er betreibt die Flugschule "Oase" in Obermaiselstein und fliegt seit mehr als 30 Jahren selbst Gleitschirm, früher auch für die Nationalmannschaft. Seine Beobachtung: "Was die Ausrüstung anbelangt und die Ausbildung, so wird der Sport definitiv sicherer", sagt Geg.

Gleitschirm-Ausbildung wird immer umfangreicher

Die Ausbildung zum Gleitschirmflieger lässt sich laut Geg mit einem Führerschein vergleichen: Es gibt Theorie- und Praxis-Unterricht, am Ende gibt es jeweils eine Prüfung. Manche schaffen die Ausbildung in einigen Wochen, bei den meisten dauert es, auch wetterbedingt, oft mehrere Monate, bis sie den Schein in der Tasche haben.

Über die Jahre sei die Ausbildung auch immer umfangreicher geworden, sagt der Ausbildungsleiter Geg. Meteorologie, Luftrecht, Gerätetechnik, Flugtechnik – all das wird unterrichtet und in der Prüfung abgefragt. Und besonders was die Praxis anbelangt, gibt es zahlreiche Übungen und Manöver, die während der Ausbildung erfolgreich absolviert werden müssen. So müssen Flugschüler etwa Schnellabstiegsmethoden erlernen, damit sie bei einem plötzlichen Wetterumschwung schnell landen können. Auch das richtige Verhalten in Extremsituationen wird trainiert, zum Beispiel wenn das Segel teilweise einklappt. Insgesamt müssen Flugschüler in der Ausbildung 18.000 Höhenmeter "abfliegen", also mindestens 40 Flüge von einem größeren Berg machen, bevor sie zur Prüfung zugelassen werden.

Immer mehr Flieger, aber relativ stabile Unfallzahlen

Gegs Vermutung, Gleitschirmfliegen werde immer sicherer, lässt sich auch in der offiziellen Statistik des DHV erkennen. Aktuell gibt es ca. 40.000 Mitglieder – das sind ungefähr doppelt so viele wie noch zur Jahrtausendwende. Trotzdem ist die Zahl der tödlichen Unfälle mit neun pro Jahr in etwa gleich geblieben. 2023 waren es laut DHV-Sicherheitsexperte, Karl Szlezak, fünf. Und auch die Unfälle – im vergangenen Jahr waren es knapp 400 – seien nicht unverhältnismäßig viel mehr geworden, obwohl immer mehr Flieger dazukommen. Für viele aus der Szene der Beweis: Die umfangreiche Ausbildung trägt Früchte.

Faszination Fliegen – mit Respekt

Dieser Meinung ist auch die angehende Gleitschirmfliegerin Franka, die an jenem Morgen fünf Flüge vom Weiherkopf sicher absolviert hat. Für sie ist klar: Mit Gleitschirmfliegen hat sie ihren Sport gefunden, den Respekt vor den Gefahren will sie aber nie verlieren: "Man muss sich schon bewusst sein, dass da was passieren kann. Aber gerade durch die umfangreiche Ausbildung und die Trainings fühle ich mich gut vorbereitet."

Dieser Artikel ist erstmals am 20. September 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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