Wird der deutsche Wald derzeit nachhaltig bewirtschaftet? Da sei noch Luft nach oben, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen. Deshalb stellt er bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro zur Verfügung, damit die Waldbesitzerinnen und -besitzer den Wald klimastabiler machen. Ab Samstag können sie online die Förderung beantragen, für 2022 stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung. Doch werden die abgerufen?
Wald aufforsten - aber nicht mit Geld vom Bund
Martin Fink ist Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Starnberg und besitzt 27 Hektar Wald. Wie überall in Bayern hat in den letzten Jahren der Borkenkäfer seine Fichten zum Absterben gebracht. Jetzt muss er die Flächen wieder aufforsten. Käme da das Geld aus Berlin nicht gerade recht? Nein, sagt er: "Wenn ich will, dass wir in 50 Jahren einen intakten klimatoleranten Wald haben, brauche ich waldbauliche Ziele - und die kann ich mit diesem Programm absolut nicht erreichen."
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Waldbauer will Kahlflächen nicht der Natur überlassen
Um die Förderung von 100 Euro pro Jahr und Hektar zu erhalten, müsste er zwölf Kriterien beachten, die den Wald aus Sicht der Bundesregierung toleranter für das Klima der Zukunft machen. Einer der zwölf Punkte: "Eine natürliche Entwicklung auf kleinen Freiflächen zulassen." Das bedeutet für Martin Fink: Er müsste die Flächen, die der Borkenkäfer zerstört hat, ohne Neuanpflanzung nachwachsen lassen, durch Naturverjüngung. Aus Sicht der Bundesregierung passt sich der Wald so am besten von selbst an das veränderte Klima an. Das Prinzip: Evolution. Nur die Bäume überleben und pflanzen sich fort, die die wärmeren Temperaturen auch aushalten. Dieser Prozess kann aber mehrere Jahrzehnte dauern. "So lange können wir nicht warten", kritisiert Martin Fink. Außerdem würden solche Flächen sehr schnell von Brombeeren überwuchert werden.
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Kritik der Waldbesitzer: Viel Aufwand und Bürokratie
Neben der natürlichen Sukzession, also der Rückkehr der für einen Standort typischen Pflanzen-, Tier- und Pilzgesellschaften, müsste Fink noch elf weitere Kriterien erfüllen. Er dürfte zum Beispiel fünf Prozent seiner Fläche nicht mehr für den Verkauf von Holz nutzen. Und er müsste pro Hektar mindestens fünf sogenannte Habitat-Bäume stehen lassen, mit Spechthöhlen oder als Lebensraum für Insekten, Pilze und Flechten. Alle Maßnahmen müssten dokumentiert und würden regelmäßig kontrolliert werden. Viel Aufwand und Bürokratie für vergleichsweise wenig Geld, kritisieren Waldbesitzer.
Fördergeld wird nach dem Windhundverfahren verteilt
Wie viele Menschen ab Samstag online die Förderung beantragen werden, sei schwer einzuschätzen, heißt es beim Bayerischen Waldbesitzerverband. Das Geld wird nach dem Windhundverfahren verteilt: Wer zuerst beantragt, bekommt auch Geld. Ob Waldbesitzer leer ausgehen, weil sie bei der Antragsstellung zu langsam waren, oder ob Geld überbleibt, weil das Interesse gering ist, weiß niemand. Weil nach Hektar gefördert wird, ist das Programm umso lukrativer, je größer der Waldbesitz ist. Aber auch für Waldbesitzer, die ohnehin schon viele der zwölf Kriterien erfüllen, ist das Programm durchaus attraktiv.
Waldgesetze regeln Nutzung
Schon bisher ist es so: nicht jeder Waldbesitzer kann in seinem Wald tun und lassen, was er will - denn es gibt auf Bundes- und Länderebene Waldgesetze. Die regeln zum Beispiel, dass nach einem Kahlschlag wieder aufgeforstet werden muss. Kahlschläge im Schutzwald sind verboten. Wald darf nicht ohne Erlaubnis gerodet und zu Ackerland oder Wiesen umgewandelt werden. Auch der Einsatz von Pestiziden im Forst zur Bekämpfung von Schädlingen ist streng reglementiert.
Bayern fördert schon seit langem den Waldumbau
Unabhängig von dem aktuellen Förderprogramm des Bundeslandwirtschaftsministeriums gibt es in Bayern schon lange eine eigene Waldbauförderung. Fast 70 Millionen Euro wurden allein 2019 bis 2021 in den Waldumbau investiert.
Bayern ist das Bundesland mit der größten Waldfläche in Deutschland, rund 5 Milliarden Bäume stehen auf 2,5 Millionen Hektar. Die dominierenden Baumarten sind Fichte, Kiefer und Buche. Rund 30 Prozent der Forstflächen sind Staatswald, über 50 Prozent werden von rund 700.000 Privatwaldbesitzern bewirtschaftet.
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