Wem gehören die Reste des vor der US-Ostküste abgeschossenen Ballons, den viele Experten als chinesische Spionage einordnen? Auch bei dieser Frage sind die beteiligten Großmächte USA und China uneins. "Das Luftschiff gehört den USA nicht", sagt die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, hält dagegen: Er wisse nichts "von Plänen, es zurückzugeben".
US-Militär: Ballon war wohl 61 Meter hoch
Allerdings fordert China bisher nicht offensiv von den USA, die Trümmerteile auszuhändigen. Deren Bergung aus dem Meer lief seit dem Wochenende, nachdem ein Kampfjet der Luftwaffe den Ballon an der Atlantikküste South Carolinas vom Himmel geschossen hatte. Die ersten Eckdaten laut einem Militär-Befehlshaber: Der Ballon sei rund 61 Meter hoch gewesen, habe so viel wie ein kleines Linienflugzeug gewogen. Das Trümmerfeld habe eine ungefähre Größe von 1.500 mal 1.500 Metern. Die Ermittler wollen auch die Geräte an Bord auswerten. Die US Navy veröffentlichte inzwischen Fotos, wie Überreste des Ballons aus dem Meer auf ein Boot gezogen wurden.
Bei der offiziellen Interpretation des Vorfalls bleiben die USA und China unterschiedlicher Meinung. "Er stellte keine Gefahr für irgendeine Person oder die nationale Sicherheit der USA dar", betont die chinesische Außenamtssprecherin. Der Abschuss sei eine "klare Überreaktion", die USA sollten mit solchen Vorfällen "auf ruhige und professionelle Art" sowie ohne Gewalt umgehen. Zuletzt betonten chinesische Vertreter mehrmals, es habe sich um ein Versehen mit einem zivilen Ballon gehandelt, der für meteorologische Forschungszwecke bestimmt und vom Kurs abkommen sei.
"Klare Überreaktion" oder nur verteidigter Luftraum?
Vertreter der USA sind aktuell um verbale Abrüstung bemüht. "Es gibt keinen Grund dafür, dass sich die Spannungen in unseren bilateralen Beziehungen zu einer Art Konflikt auswachsen", sagt Kirby vom Nationalen Sicherheitsrat. Er wiederholt, was US-Militärs und andere seit Tagen sagen: Die USA hätten ihren Luftraum und ihr Land verteidigt – und im Einklang mit internationalem Recht gehandelt.
Diplomatische Auswirkungen hatte der Vorfall bereits: Nach dem Auftauchen des Ballons über den USA vergangene Woche sagte Außenminister Antony Blinken eine Peking-Reise kurzfristig ab . Es wäre der erste Aufenthalt eines US-Außenministers in China seit mehr als vier Jahren gewesen.
Spionage mit Ballons – schon lange üblich
Ballons werden schon lange auch für Spionage eingesetzt. Im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) wie auch im Ersten Weltkrieg (1914-1918) dienten Fesselballons dazu, feindliche Truppenbewegungen auszukundschaften.
Höhenballons wie der über den USA abgeschossene bewegen sich in der Stratosphäre – also zwischen rund 15 und 50 Kilometern Höhe. Dort kommen sie Flugzeugen nicht in die Quere, da diese niedriger fliegen. Die Hülle von Stratosphärenballons muss sehr dünn und gleichzeitig reißfest sein. Satelliten wiederum kreisen in deutlich größerer Entfernung um die Erde.
Ballons werden von Winden bewegt
Stratosphärenballons sind in der Regel unbemannt. Sie können in kürzester Zeit Hunderte Kilometer zurücklegen und viele Tage in der Luft bleiben. Sie werden von Winden bewegt, die je nach Höhe in verschiedene Richtungen wehen. Mithilfe von Windprognosen kann man sie relativ genau zu bestimmten Zielen schweben lassen. Zum Teil sind Stratosphärenballons auch mit halbautonomen Navigationssystemen ausgestattet.
Da sie ohne teure Raketen gestartet werden können, ist ihr Einsatz deutlich günstiger als der von Satelliten. Ein weiterer Vorteil: Von Ballons aus lassen sich einfacher hochauflösende Fotos und bessere Videos machen, da sie näher an der Erdoberfläche sind. Sie sind zudem für Radarsysteme schwer erkennbar.
Thiele: "Deswegen sind die Bilder besser"
Das betonte zuletzt auch Militärkenner Ralph Thiele bei Bayern 2. "Oben drin ist alle mögliche Aufklärungstechnik, die man sich nur wünschen kann", sagte Thiele in der radioWelt. "Die ist natürlich viel näher als Satelliten, deswegen sind die Bilder besser, deswegen sind die ganzen elektronischen Aufzeichnungen dramatisch besser."
Thiele geht klar von Spionage aus. Laut ihm konnte die Technik "sicher erstmal ein paar Tage wirken", auch wenn die USA nach der Entdeckung des Ballons Störversuche unternommen haben dürften.
Mit Informationen von dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!