Der lang erwartete Showdown im Kanzleramt: Am Abend des 6. November rollen die Limousinen der Ampel-Spitzen vor, eine Frage dominiert: Hält die Ampel-Regierung? Was als Abendessen und Koalitionsausschuss beginnt, wird zum Tag der Entscheidung. Die Wiederwahl von Trump zum US-Präsidenten sorgt auch in Berlin für ein politisches Beben – ein möglicher Zeitpunkt für die FDP, aus der Ampel-Regierung auszusteigen. Doch wie kam es dazu?
Wiederwahl von Donald Trump: Druck auf Ampel enorm
Nach der Wiederwahl Trumps erhöht sich der Druck auf die Ampel, die in der Krise steckt: Zutiefst zerstritten in Wirtschafts- und Finanzfragen, braucht es eine Antwort: Wie geht es weiter – schweißt die US-Wahl die Ampel zusammen oder bedeutet sie das Aus?
Noch am Nachmittag mahnt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): Die Rückkehr von Trump als Präsident habe Folgen für Deutschland, er warnt vor einem Ampel-Aus – eine klare Botschaft vor allem an Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Knackpunkt Kosten: Ampel scheitert am Geld
Am Abend ab 18 Uhr trudeln die Spitzen der Ampel im Kanzleramt ein. Was da noch nicht klar ist: Es wird die letzte gemeinsame Sitzung. Die Parteien verbreiten während des Treffens und danach ihre verschiedenen Sichtweisen.
So soll Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem Finanzminister ein Angebot unterbreitet haben, etwa steuerliche Anreize für neue Investitionen, aber auch Unterstützung für die Ukraine. Das bedeutet: viel Geld, neue Schulden. Eine rote Linie für Lindner, der an der Schuldenbremse festhält.
SPD und FDP: Gegenseitige Schuldzuweisungen
Dann überschlagen sich um 20.40 Uhr die Ereignisse: Die "Bild"-Zeitung meldet, Lindner habe Scholz Neuwahlen angeboten – die Differenzen seien zu groß, die Gemeinsamkeiten zu gering. Scholz aber lehnt ab, entlässt Lindner als Finanzminister.
All das dringt nach draußen – vor allem die SPD wirft Lindner im Nachgang einen "schwerwiegenden Vertrauensbruch" und "grobe Indiskretion" vor. Es sei dieser Moment gewesen, der Scholz keine andere Wahl gelassen habe, als Lindner zu entlassen, meint am Tag nach dem Ampel-Aus SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Die FDP sieht es ganz anders. Vieles liegt im Dunkeln.
Fest steht: Das Krisen-Treffen am Abend hat keine zweieinhalb Stunden gedauert, dann ist die Ampel-Koalition am Ende. Es sind die FDP-Spitzen, die als erste aus dem Kanzleramt eilen: Justizminister Marco Buschmann, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Fraktionsvorsitzender Christian Dürr.
Ampel-Aus läutet Wahlkampf ein
Rasant folgen Einladungen zu Pressekonferenzen – von seltener Klarheit und Schärfe geprägt. Den Beginn macht Scholz um 21.15 Uhr. Sein Statement dauert 15 Minuten. Offenbar wurden zwei Versionen vorbereitet – auch eine Rede für den Fall des Weitermachens. Doch die braucht der Kanzler am Abend nicht mehr.
Energisch liest er jetzt die Version zum Ampel-Aus vom Teleprompter ab. Seine Rede wird in Berlin als eine Abrechnung mit Lindner angesehen, als knallhart, als ein persönlicher Angriff: Scholz wirft Lindner Vertrauensbrüche und Egoismus vor: "Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden", so Scholz.
Hartes Durchgreifen, das hat sich vor allem die SPD von ihrem Kanzler erhofft. Von seiner Fraktion wird er mit Standing Ovations gefeiert. Spätestens jetzt ist klar: Das Ampel-Aus läutet den Bundestags-Wahlkampf ein.
Alle FDP-Minister außer Wissing treten zurück
Der jetzige Ex-Finanzminister Lindner hingegen schlägt bei seinem Statement zurück, liest seine Notizen in vier Minuten von einem Zettel ab, wirft dem Kanzler vor, das Statement "genau vorbereitet" zu haben – für ihn ein "kalkulierten Bruch" der Koalition. Der FDP-Chef betont: Hätte er als Finanzminister die Schuldenbremse ausgesetzt, hätte er damit seinen "Amtseid verletzt". Auch er erhält von seiner Partei Rückendeckung – alle FDP-Ministerinnen und Minister treten zurück, bis auf einen: Volker Wissing verlässt nach dem Ampel-Aus die FDP, will im Amt als Verkehrsminister bleiben, bekommt das Justizministerium noch dazu.
Für die Grünen ist es ein "tragisches" Ende. Die Entscheidung des Kanzlers bezeichnet Wirtschaftsminister Habeck als "folgerichtig wie unnötig".
Ende der Ampel: Deutschland steht vor Neuwahlen
Der Abend zeigt eines sehr deutlich: Die gegenseitigen Schuldzuweisungen stehen symbolisch für das seit langer Zeit tief zerrüttete Verhältnis der Koalition. Die drei so unterschiedlichen Parteien scheiterten letztlich nicht nur am Geld, sondern auch am fehlenden Vertrauen. Die Ampel ist nach drei Jahren Geschichte.
Die Opposition fordert jetzt sofortige Neuwahlen. Doch der Kanzler hält an seinem Zeitplan fest: Mitte Januar erst will er die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, im März könnte neu gewählt werden. Bis dahin wollen SPD und Grüne in einer Minderheitsregierung regieren.
Deutschland steht vor Neuwahlen – das Ende der Ampel könnte eine politische Zeitenwende einläuten. Doch in welche Richtung, ist noch ungewiss.
- Zum FAQ bei tagesschau.de: Scholz will Vertrauensfrage stellen: Der Weg zur Neuwahl
In voller Länge: Scholz erklärt Ampel-Aus
Im Video: Interview mit der Leiterin des BR-Hauptstadtstudios Stephanie Stauss
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