AfD-Fraktionschefin Weidel steht am Rednerpult des Bundestags, im Hintergrund sitzt Bundeskanzler Scholz an der Regierungsbank.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

AfD-Fraktionschefin Weidel steht am Rednerpult des Bundestags, im Hintergrund sitzt Bundeskanzler Scholz an der Regierungsbank.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Analyse: Die SPD und ihre (Nicht-)Strategie gegenüber der AfD

Die AfD setzt im aktuellen ARD-DeutschlandTrend mit 21 Prozent ihren Höhenflug fort. Das Erstarken der in Teilen rechtsextremen Partei setzt die Kanzlerpartei SPD unter Druck. Welche Strategien hat sie, um der AfD zu begegnen?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Neulich im Bundestag. Der Kanzler schaut nach ganz Rechtsaußen. Auf die AfD, um dann nach der Methode der schlichten Behauptung über die Zukunft dieser Partei zu sagen: "Sie werden bei der nächsten Bundestagswahl nicht anders abschneiden als bei der letzten." Woher Olaf Scholz diese Gewissheit nimmt, sagt er nicht.

Zehn Prozent erreichte die AfD damals, 2021. Im ARD-DeutschlandTrend liegt sie bei 21. Vier Prozentpunkte vor der Kanzlerpartei mit einem SPD-Bundeskanzler, dessen Strategie gegen den Aufstieg der AfD darin zu bestehen scheint, sie als "Schlechte-Laune-Partei" abzutun.

Und Rechtsextreme? Die gebe es schließlich auch anderswo auf der Welt: "Rechtsextreme müssen deshalb nicht dominant und relevant sein, und das wird auch hier nicht der Fall sein."

Reicht die Erzählung vom "guten Regieren" aus?

Das Motto von Scholz: Wird schon gut gehen – für seine SPD. Aber derzeit sieht es ganz anders aus. Die AfD legt zu, die SPD nicht. Der Bundeskanzler setzt auf gutes Regieren, gute Ergebnisse als Gegengift gegen Rechtsextremismus.

Kajo Wasserhövel, ehemaliger SPD-Bundesgeschäftsführer und Parteistratege, ist anderer Ansicht. Wasserhövel sagt, gutes Regieren allein reicht nicht mehr: "Am Ende geht’s auch darum, die Interpretationshoheit zu behalten. Und diese Interpretationshoheit über das, was in der Politik hier läuft, ist weggerutscht an vielen Stellen." Ohne, dass die Lücke gefüllt worden sei.

Die Ampel-Querelen befeuern die Verdrossenheit

Beispiel Ampelkoalition. Die habe zuletzt im Ringen um Themen wie das Heizungsgesetz nach Außen den Eindruck vermittelt, nichts gehe mehr voran. Wasser auf AfD-Mühlen, sagt Wasserhövel. Alle, die daran beteiligt gewesen seien, müssten sich darüber im Klaren sein, dass alle die Verlierer sein werden, wenn sie das nicht verändern.

Für Raphael Brinkert, der den SPD-Wahlkampf in Bayern strategisch begleitet, hat die SPD noch die Kraft, ein Bollwerk gegen Rechts zu sein, wie sie es historisch seit jeher war. Aber "am besten bekämpft man die AfD, in dem man überzeugt, transparent macht, welch großes Rad wir gerade in Deutschland drehen". Auch eine Union, die Deutschland nur mehr schlecht rede, schade dem großen Ganzen. Am Ende gewinne keiner. Außer der AfD.

Eine SPD-Strategie gegen die AfD – Fehlanzeige

Aber was ist nun die SPD-Strategie gegen die AfD? SPD-Co-Chefin Saskia Esken sitzt im fünften Stock des Willy-Brandt-Hauses, der SPD-Parteizentrale, und redet im ARD-Interview viel über gutes Regieren, soziale Politik. Zukunftsglauben.

Worüber sie nicht redet: Wie konkret die SPD der AfD, ihren Wählerinnen und Wählern und dieser scheinbar ungebremsten Anziehung begegnen will. Wenn sich die SPD noch in einer Analyse- und Sortierungsphase befindet, wo man überlegt, welche Maßnahmen greifen, halten sie das in der Parteizentrale gerade sehr geheim.

Stattdessen redet Esken freimütig über möglicherweise missratene Kommunikation. Beispiel Sonneberg, wo die AfD gerade erstmals eine Landratswahl gewann. Wenn man darauf schaue, dass im Landkreis Sonneberg 44 Prozent der Beschäftigten von der Erhöhung des Mindestlohnes profitiert hätten, dann sei es der SPD möglicherweise nicht gelungen zu erzählen, wer es war. "Da müssen wir in der Kommunikation besser werden."

Ein Eingeständnis: SPD-Kommunikation misslungen

Aber Kommunikation, sagt der Parteistratege Wasserhövel, sei auch klare Kante. Klare Worte. Die AfD isolieren, ihre Programmatik bloßstellen. Sympathisanten und Wählern erklären, wen sie wählen.

Der Sound bei ihm klingt offensiv: "Die AfD ist die politische Heimat der Niedertracht. Wer AfD wählt, wählt Faschisten, wählt eine Partei, die Europa zerschlagen will. Europa ist entstanden auf den Gräbern zweier Weltkriege. Das ist das Ergebnis von Nationalismus. Und das ist Ergebnis einer Ideologie, für die Leute wie Höcke brennen. Und so wie die dafür brennen, wollen sie am Ende Europa brennen sehen."

Raphael Brinkert ist da deutlich vorsichtiger. Die AfD, sagt Brinkert, sei vor allem im Osten Deutschlands in der Mitte der Gesellschaft präsent, stark vernetzt und nicht nur ein Becken für frustrierte Protestwähler. Eine "latente Unzufriedenheit" vereine viele ihrer Wähler. Ein Abkanzeln mit der "Nazi-Keule" hält Brinkert, ein erfolgreicher Werber, der viel und kreativ mit Worten arbeitet, nicht für hilfreich.

Bayern-SPD setzt auf "klare Kante gegen Rechts"

Vor den Landtagswahlen in Bayern im Herbst setzt SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn auf "klare Kante gegen Rechts". Seine Strategie: "Wir müssen die AfD konsequent vom Verfassungsschutz beobachten lassen, gegen Reichsbürger vorgehen."

Von Brunn setzt zudem auf gesellschaftlichen Widerstand, Menschen sollen sich zusammentun und gegen Fake-News und Rechtspopulismus auf die Straße gehen. Für die bayerische SPD gelte, um Rechtsextremen den Wind aus den Segeln zu nehmen, müssten die Anliegen der Menschen angepackt werden. Dazu gehörten der Bau von bezahlbaren Wohnungen, günstige Energie, kostenfreie Kitas.

2024 – ein Superwahljahr, vor allem im Osten

Im kommenden Jahr stehen in den drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen an. Dazu noch eine Europawahl, die gerne als Protestwahl genutzt wird.

SPD-Co-Chefin Saskia Esken macht sich ernsthafte "Gedanken über den Ausgang dieser Wahlen", sagt sie. Aber ist sich Gedanken machen eine Strategie für den Umgang mit der AfD?

Manche fragen hinter vorgehaltener Hand: Wo eigentlich ist hier der Generalsekretär Kevin Kühnert, wo SPD-Co-Chef Lars Klingbeil? Wo ist die SPD-Bundestagsfraktion, die im Parlament die AfD stellen und auch bloßstellen müsste?

Der Stratege Kajo Wasserhövel rät seinen Sozialdemokraten, wehrhafter, lauter zu werden. Und die Interpretationshoheit zurückzuholen. Noch sei etwas Zeit, die Sommerpause könne dazu genutzt werden, den "Kopf mal ordentlich aufzuräumen", um im Herbst ein anderes, besseres und stabileres politisches Klima zu schaffen, als es im Moment der Fall ist.

Im Video: Was wäre, wenn am Sonntag Wahlen wären?

Regierungsviertel in Berlin
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Was wäre, wenn am Sonntag Wahlen wären? Diese Frage stellt der ARD-DeutschlandTrend repräsentativ ausgewählten Bürgern.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!