Die Impfstoff-Entwickler von BioNTech - sie möchte sich Kai Gniffke zum Vorbild nehmen. In Deutschland sei während der Corona-Pandemie Beeindruckendes geleistet worden, erklärte er. Diesen "Erfindergeist" aus Deutschland bräuchte es jetzt auch an anderer Stelle, nämlich im Journalismus.
Was Gniffke vorschwebt, ist, die öffentlich-rechtlichen Sender zur relevantesten Streamingplattform in Deutschland zu entwickeln. "Da muss doch was zu machen sein", sagte Gniffke in seinem Vortrag bei der evangelischen Akademie im oberbayerischen Tutzing am Wochenende. Die Plattform solle zusammen mit dem ZDF gedacht werden. Es geht ihm dabei um den Wettbewerb mit anderen Plattformen wie Netflix oder Amazon.
Ein Marktplatz für alle Medien
Die Idee an sich ist nicht neu. Der Elan, mit dem Kai Gniffke die Vision vorträgt, ist es wohl schon. "Mehr Technikfröhlichkeit" wünscht sich Gniffke bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. In den kommenden Jahren möchte Kai Gniffke, der auch Intendant des SWR ist, mehrere hundert Millionen Euro in neue Technologie investieren.
Das Streaming-Netzwerk mit dem ZDF könnte "der Nukleus sein für etwas noch viel Größeres", so Gniffke. Ihm schwebt ein Marktplatz für alle deutschen Medien vor. Auch privatwirtschaftlich organisierte Medienhäuser sollten darin Platz finden. So könnte das Monopol weniger internationaler Großkonzerne gebrochen werden.
Kann man es mit Netflix und Co aufnehmen?
Gniffkes Vorstoß hält Johannes Hillje für sehr wichtig. Der Kommunikations- und Politikberater hält es ebenfalls für zentral, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ein gemeinsames Angebot entwickeln, in dem alle Inhalte zu finden sind, egal ob Video, Audio oder Text. Er nennt einen "One-Stop-Shop" als Ziel. Den Anspruch, mit Netflix und anderen globalen Anbietern konkurrieren zu wollen, nennt Johannes Hillje allerdings unrealistisch.
Mark Eisenegger, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Zürich, unterstrich während der Diskussion in Tutzing die größere Perspektive. Aus seiner Sicht müsse eine solche Plattform gesamteuropäisch gedacht werden. So könne für alle Bürger Europas eine neue Medienheimat entstehen.
Die Idee, dabei Inhalte öffentlich-rechtlicher und privater Medien zu bündeln, sah Jürgen Kaube zurückhaltend. Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betonte unter anderem die unterschiedlichen Finanzierungsmodelle. Zudem seien Netflix und andere für seine Zeitung eher kein Konkurrent, sagte Jürgen Kaube im Interview mit BR24 Medien.
Finanzierung durch mehr Arbeitsteilung
Neben der Entwicklung einer neuen Plattform betonte der ARD-Vorsitzende Gniffke, dass man auch im Bereich künstliche Intelligenz investieren müsse. Text-Roboter könnten künftig einfache Routineaufgaben übernehmen. Auch die Blockchain-Technologie nahm Gniffke in den Blick. Auf diese Weise könnten künftig Inhalte mit digitalen Wasserzeichen markiert werden. Damit könnte eindeutig nachvollziehbar sein, welches Material von ARD-Redaktionen stammt. Fake-Videos könnten bekämpft werden.
Gniffke räumte ein, dass seine angedachten Innovationen viel Geld kosten würden. Um diese Investitionen zu finanzieren, unterstrich er erneut, dass durch verstärkte Arbeitsteilung in der ARD Mittel frei werden könnten. "Es muss nicht jeder alles machen. Sondern jeder macht nur noch das, was er am besten kann", so Gniffke. Ähnliches hatte vor einiger Zeit auch bereits die BR-Intendantin Katja Wildermuth gefordert.
Neue Impulse durch Zukunftsrat
Deutlich wurde während der Diskussionen und Vorträge in der evangelischen Akademie in Tutzing, wie groß der Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender inzwischen ist. Aber gleichzeitig war zu spüren, welchen Veränderungswillen es dort gibt. Kai Gniffke erklärte beispielsweise, dass man die Compliance-Regeln nach den Enthüllungen rund um die frühere rbb-Intendantin Patricia Schlesinger inzwischen ARD-weit überprüft und nachgeschärft habe.
In Kürze wird auch ein neues Gremium die Arbeit aufnehmen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland entwickeln. Dieser Zukunftsrat wurde von der Rundfunkkommission der Länder ins Leben gerufen. In ihm sind aus Bayern unter anderem die Präsidentin der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München, Bettina Reitz, oder die Digitaljournalismus-Professorin Annika Sehl von der Uni Eichstätt-Ingolstadt vertreten.
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