Es ist kaum ein Durchkommen im Untergeschoss des Berliner Hauptbahnhofs. Vor den spiegelnden Schaufenstern von Fastfood-Läden und Autovermietungen stehen Tausende an – fast ausschließlich Frauen und Kinder.
Sie warten auf Bahn-Tickets, ein warmes Essen, ein Bett zum Schlafen. Eine ältere Frau sitzt in ihrem Wintermantel erschöpft auf dem grauen Steinboden, neben ihr nur ein paar Einkaufstüten. Ein Junge hält seinen Kuschel-Delfin im Arm.
Freiwillige tragen improvisierte Hilfe
Handgeschriebene Zettel mit der blau-gelben Flagge der Ukraine weisen den Weg zu Bussen, Kinderspielecke und SIM-Karten – damit die Menschen die Familie in ihrer Heimat anrufen können. Helferinnen und Helfer in neon-gelben Westen verteilen Wasserflaschen, Windeln und Corona-Schutzmasken. Auf Klebeband haben sie ihre Namen geschrieben und welche Sprache sie sprechen. Die großen Hilfsorganisationen sind da und vor allem viele Freiwillige, die spontan einspringen. Von staatlichen Stellen ist hier im Untergeschoss nichts zu sehen.
Union kritisiert chaotische Aufnahme
Vom Berliner Hauptbahnhof in den Bundestag sind es zu Fuß zehn Minuten. Alexander Throm kommt gerade aus dem Innenausschuss. Was der CDU-Politiker dort über die Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine gehört hat, reicht ihm nicht. Sein Eindruck: "Das läuft momentan noch sehr chaotisch ab. Deswegen brauchen wir eine stärkere Einbindung der Länder, aber auch der Kommunen." Für Throm kommt es zu spät, dass sich der Krisenstab des Bundes erst seit Anfang der Woche mit den Ländern abstimmt.
Nancy Faeser beschreibt ein anderes Bild. Die Bundesinnenministerin von der SPD lobt, wie hilfsbereit die Menschen in Deutschland auf den Krieg reagieren – und wie gut die Zusammenarbeit mit den Ländern läuft. Ihr Eindruck: "Das funktioniert sehr gut, sehr solidarisch, so dass wir da momentan auch keinen starren Verteilerschlüssel anlegen müssen."
Bisher keine zentral gesteuerte Verteilung
In Berlin stellt der Bund Busse bereit, um die Ankommenden in andere Bundesländer zu fahren. Doch das Angebot ist freiwillig, eine zentral gesteuerte Verteilung der Geflüchteten gibt es bisher nicht.
Kritik daran kommt aus Bayern. Aus dem Innenministerium in München heißt es, der Bund müsse die Unterbringung in staatlichen Unterkünften steuern. Andernfalls sei eine vernünftige Planung nicht möglich.
Das Ministerium verweist auf Anfrage von BR24 auf den "Königsteiner Schlüssel" – der Bundesländer nach Bevölkerungsgröße und Steueraufkommen aufschlüsselt. Demnach müsste Bayern gut 15 Prozent der Geflüchteten aufnehmen. Das bayerische Innenministerium geht aber davon aus, dass der Freistaat momentan ohnehin schon mindestens doppelt so viele Menschen aufnimmt.
Geflüchtete müssen sich vorerst nicht registrieren
In Berlin kommen jeden Tag mehr als 13.000 Menschen an. Schätzungsweise – denn genaue Zahlen kennt niemand. Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen ohne Visum einreisen. Viele registrieren sich erst später bei den Behörden.
Das gilt in der gesamten EU. In seltener Einigkeit hatten alle 27 Regierungen zugesagt, Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Welches Land wie viele Menschen aufnimmt, ist weiter offen. Einen Verteilmechanismus gibt es auch auf europäischer Ebene bisher nicht. Für Bundesinnenministerin Faeser kein Problem: "Solange das so solidarisch toll funktioniert innerhalb Europas, brauchen wir das nicht. Wenn das nicht mehr funktionieren sollte, werden wir uns sicher sehr schnell darüber verständigen."
Wer zahlt für Unterbringung und Integration?
Noch geht es um eine schnelle, unbürokratische Aufnahme der Geflüchteten. Doch Bürgermeisterinnen, Landräte und Ministerpräsidenten fragen sich auch, wer langfristig für Unterbringung, Versorgung und Integration zahlt.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erwartet ein rasches Signal des Bundes. Im Interview mit BR24 sagt er: "Die Kommunen und die Länder sind an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht worden durch die Krisen der Vergangenheit. Es ist jetzt Aufgabe des Bundes dafür Abhilfe zu schaffen."
Profis lösen langsam Freiwillige ab
Zurück am Berliner Hauptbahnhof: Auf dem Vorplatz stehen rote Lkw der Feuerwehr. Eine Hilfsorganisation hat im Auftrag der Stadt ein 600 Quadratmeter großes Zelt errichtet. "Welcome Hall Berlin" steht auf einem Schild. Die Willkommens-Halle steht seit Mittwochabend offen und soll das Provisorium im Untergeschoss ersetzen.
Außerdem bereitet Berlin ein zweites Ankunftszentrum am ehemaligen Flughafen Tegel vor. Die Hilfe bekommt langsam professionelle Strukturen. Es ist eine Entlastung für die vielen Freiwilligen, und für die Menschen aus der Ukraine.
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