US-Präsident Joe Biden hat in seiner Abschiedsrede von einer "gefährlichen Machtkonzentration" gesprochen, die sich in den USA herausbilde. "Heute zeichnet sich in Amerika eine Oligarchie von extremem Reichtum, Macht und Einfluss ab", sagte Biden. Diese Oligarchie bedrohe die Demokratie, Grundrechte, Freiheiten und "die faire Chance für alle, voranzukommen". Doch was heißt Oligarchie?
Die Herrschaft der Wenigen
"Oligarchie" bedeutet, dass eine Gruppe von wenigen Menschen die Macht hat. Die Wortbedeutung leitet sich aus den griechischen Begriffen "oligoi" (wenige) und "archē" (Herrschaft) ab. Gemeint sind meist oligarchische Strukturen oder eine mächtige, einflussreiche Personengruppe innerhalb eines Landes, das seine Staatsform selbst anders nennt.
Russland zum Beispiel beschreibt sich in seiner Verfassung als ein "demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform". Die Analyse von außen sieht anders aus. So kommt die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zu dem Schluss, dass Russland "eher eine Mischung aus Autokratie und Oligarchie mit deutlichen Einschränkungen freiheitlich-demokratischer Grundrechte" [externer Link] sei.
Auch in anderen Ländern gibt es Oligarchen. So wehrt sich zum Beispiel die Ukraine mit einem "Anti-Oligarchen-Gesetz" [externer Link] gegen deren Einfluss, und in Moldau hatte die prowestliche Präsidentin Maia Sandu Oligarchen-Einfluss den Kampf angesagt.
Oligarchie: Mächtige Leute haben das Land unter Kontrolle
Ein wichtiges Element von demokratischer und freiheitlicher Ordnung ist die Gewaltenteilung. Ein entscheidender Punkt dabei: Die Rechtsprechung ist unabhängig von der Regierung. Oder anders ausgedrückt: Richter entscheiden nach dem Gesetz, nicht nach dem, was Machthaber vielleicht möchten. Das schützt die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger. Auch die ausführende Gewalt, zu der die Polizei gehört, ist ans Gesetz gebunden und sorgt für deren Umsetzung.
In einer Oligarchie ist das anders. Oligarchen können unkontrollierter und willkürlicher ihre Macht ausüben: "Eine kleine Gruppe von Personen oder eine Familie herrschen im Staat", erläutert die Bundeszentrale für politische Bildung den Begriff "Oligarchie" (externer Link). "Das Parlament (wenn es überhaupt eines gibt), die Gesetze, die Polizei und das Militär werden von dieser Gruppe kontrolliert und die Macht wird an Familienmitglieder weiter vererbt. Von Freiheit kann in einem solchen Staat nicht die Rede sein." Die Oligarchie ähnele einer Diktatur.
Reiche US-Unternehmer suchen Nähe zu Trump
Obwohl Biden in seiner letzten Rede aus dem Oval Office keine Namen nannte, spielte er bei seiner Oligarchie-Warnung wohl unter anderem auf US-Unternehmer Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos an – diese reichsten Männer der Welt suchen auffallend Trumps Nähe.
Tesla-, SpaceX und X-Chef Musk hat einen besonders engen Draht zu Trump. Er soll die künftige US-Regierung bei der Kürzung von Ausgaben beraten und meldet sich trotz fehlenden Mandats bei vielen Politikthemen zu Wort. Zuckerberg, Chef des Facebook-Konzerns Meta, leitete mit der Abkehr von Faktenchecks einen Kurswechsel und eine Annäherung an den Republikaner Trump ein.
Amazon-Gründer Bezos, der mit seinem Raumfahrtunternehmen Blue Origin zum Konkurrenten von SpaceX werden will und dem die "Washington Post" gehört, handelte sich vor der US-Wahl den Vorwurf ein, aus unternehmerischem Kalkül auf eine Wahlempfehlung der Redaktion für die Demokratin Kamala Harris verzichtet zu haben.
Allen drei Unternehmern wird nachgesagt, sich von der Nähe zu Trump Vorteile für ihre Firmen zu erhoffen. Musk, Zuckerberg und Bezos werden bei Trumps Amtseinführung am Montag in Washington erwartet.
Wirtschaftswissenschaftler: Nicht vergleichbar mit russischen Oligarchen
Die Einschätzung Bidens, dass sich die USA auf dem Weg in die Oligarchie befände, erfährt auch Widerspruch. So sagte der Wirtschaftswissenschaftler Holger Schmieding im Deutschlandfunk [externer Link], dass Personen wie Musk, Zuckerberg und Bezos zwar Einfluss hätten. Doch dies sei nicht vergleichbar mit dem Begriff "Oligarch", wie er im Zusammenhang mit Russland angewendet werde.
Dort seien die reichsten Menschen Teil der politischen Macht und hätten ihre Konkurrenten im Land zum Teil mit Gewalt ausgeschaltet. Zudem seien sie seit langem von Präsident Wladimir Putin abhängig.
Machtmissbrauch durch Falschinformationen?
Biden verwies in seiner Abschlussrede auch auf die Gefahr von Fakenews. "Die Amerikaner werden mit Fehlinformationen und Desinformationen überschüttet, was den Missbrauch von Macht ermöglicht", sagte der 82-Jährige. Die freie Presse "bröckele", in den sozialen Medien würden Faktenchecks aufgegeben, die Wahrheit von Lügen unterdrückt. Biden forderte, soziale Plattformen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, um Kinder, Familien und die Demokratie selbst vor Machtmissbrauch zu schützen.
Musk, Zuckerberg und Bezos besitzen Plattformen bzw. Medien, die viele Menschen erreichen. Donald Trump hat sein eigenes soziales Netzwerk gegründet.
Mit Informationen von Reuters und dpa
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