Die Zeit drängt, machte die Bundesagentur für Arbeit am Montag bezüglich des neuen sogenannten Bürgergelds klar. Mit der Reform will die Ampel-Koalition das bisherige Hartz-IV-System ablösen - nach aktuellem Plan am 1. Januar 2023. Doch die Ampel-Parteien und die Union blieben auch am Wochenanfang auf Konfrontationskurs, trotz zuletzt erfolgter Änderungen am Gesetzesentwurf.
Bürgergeld: Bundestag entscheidet wohl am Donnerstag
Voraussichtlich am Donnerstag soll sich der Bundestag mit dem Vorhaben beschäftigen. Wahrscheinlich wird die Ampel dann das Gesetz mit ihrer Mehrheit beschließen. Angesichts der Lage ist aber zumindest denkbar, dass bei Verhandlungen mit der Union doch noch auf den letzten Drücker Änderungen erfolgen könnten.
Danach muss der Bundesrat entscheiden. Dort könnte die Union über ihre Regierungsbeteiligungen in den Länder eine nötige Mehrheit verhindern. Die nächste reguläre Sitzung ist für den 25. November angesetzt. Bekommt das Gesetz dort keine Zustimmung, könnte ein Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden.
Vermittlungsausschuss könnte um Kompromiss ringen
CDU-Generalsekretär Mario Czaja äußerte sich bereits in diese Richtung: Er rechnet damit, dass der Ausschuss am Ende einen Kompromiss suchen muss, wie er am Montag deutlich machte. Das Gremium besteht aus Mitgliedern des Bundesrates und des Bundestags. Ein solches Vorgehen würde den Zeitplan der Ampel noch mehr ins Wanken bringen. Bislang kritisieren sich beide Seiten weiter gegenseitig.
Man sei auf zahlreiche Änderungswünsche der Bundesländer eingegangen, sagte Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) zuletzt. "Die Hand ist also ausgestreckt." Auch Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch nutzte diese Redensart und ergänzte bei den Zeitungen der "Funke Mediengruppe": "Die Union reagiert darauf mit weiteren Fake News und einem Wettbewerb der Schäbigkeit." Bei dem bisherigen Kompromissvorschlag sollen unter anderem die Heizkosten nur in einem angemessenen Maß von den Jobcentern übernommen werden.
Auf der anderen Seite warf Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) der Ampel eine "Kombination von unzureichenden Vorschlägen und Beleidigungen der Union" vor. Dies sei "prognostisch kein Beitrag zur Erleichterung der Zustimmung".
Kritik der Union
Aus Sicht von CDU und CSU setzt das Bürgergeld unter anderem "falsche Anreize". So stören sich Unionspolitiker etwa an der sogenannten Vertrauenszeit, bei der in den ersten sechs Monaten kaum Leistungen gekürzt werden sollen. Auch das sogenannte Schonvermögen steht in der Kritik - maximal 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher, die vorerst nicht angetastet werden, wenn jemand Bürgergeld bezieht.
Doch die Ampel verteidigte ihre Pläne: "Wir haben in dem Gesetz auch Mitwirkungspflichten verankert, aber wir sind der Ansicht, dass wir Menschen nicht zunächst mit Sanktionen bedrohen, sondern sie erst einmal einladen, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Das halten wir für erfolgsversprechender", sagte etwa die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt.
Ampel gegen Merz' Vorschlag zu getrennter Entscheidung
Derweil schlägt Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz eine Entkopplung der Pläne vor, schließlich wolle auch die Union Regelsätze erhöhen. Deshalb sollten nach Merz' Vorschlag aus den ARD-"Tagesthemen" von Sonntag zunächst einmal nur die bisherigen Hartz-IV-Regelsätze zum Jahresanfang erhöht werden. "Und dann müssen wir uns über diesen Systemwechsel unterhalten, der mit diesem sogenannten Bürgergeld vorgenommen wird", erklärte der Politiker.
- Zum Artikel: "Trotz Änderungen: Merz weiter strikt gegen Bürgergeld"
Das lehnten Ampel-Vertreter aber prompt ab: "Das wäre arbeitsmarktpolitisch zu kurz gesprungen. Deshalb werben wir für eine große Reform", entgegnete Arbeitsminister Heil. "Einfach nur die Regelsätze erhöhen, ohne Leistungsgerechtigkeit und Aufstiegschancen durch Reformen zu verbessern - das kommt für die FDP nicht in Frage", sagte auch der stellvertretende Parteivorsitzende Johannes Vogel.
CSU stellt sich hinter Plan von Merz
CDU-Präsidium und der Bundesvorstand stellten sich am Montag hinter einen Vorschlag von Parteichef Merz. Generalsekretär Czaja kündigte an, dass die Unions-Bundestagsfraktion noch diese Woche eine Abstimmung beantragen und auf ein namentliches Votum bestehen werde. Auch die CSU unterstützte die Pläne: "Wir bringen einen Antrag in den Bundestag ein, mit dem sich die Erhöhung der Regelsätze unabhängig vom vermurksten Ampel-Hartz-4/Bürgergeld-Gesetz umsetzen lässt", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem "Münchner Merkur".
Für die Umsetzung des Bürgergelds braucht es laut Bundesagentur für Arbeit auf jeden Fall noch im November einen Bundesratsbeschluss. Die geplante Anhebung der jetzigen Hartz-IV-Sätze könne nur dann umgesetzt werden, sagte die Sachverständige Eva Strobel bei einer Anhörung im Sozialausschuss des Bundestages. Es steht eine eventuelle Einführung des Bürgergelds erst Mitte 2023 im Raum.
Mit Informationen von dpa, AFP, epd und Reuters
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