Wie wählen wir? Die häufigsten Fragen zum deutschen Wahlsystem und Wahlrecht beantworten wir hier.
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Wer darf wählen?
Wahlberechtigt ist jede/r Deutsche, der/die am Wahltag das 18. Lebensjahr erreicht hat.
Im Ausland lebende Deutsche können wählen, wenn sie
- entweder ab dem 14. Lebensjahr und innerhalb von 25 Jahren mindestens 3 Monate am Stück in der Bundesrepublik (oder der DDR) gelebt haben,
- oder „wenn sie persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind.“ Was das bedeutet, hat der Bundeswahlleiter hier zusammengefasst.
Wer wird gewählt?
Die Mitglieder des Bundestags. Der Bundestag ist die einzige in der Verfassung festgeschriebene Institution, die direkt vom Volk bestimmt wird. Der Bundestag umfasst im Normalfall 598 Abgeordnete. Die tatsächliche Zahl kann aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten (siehe unten) weit darüber liegen. Im aktuellen Bundestag sitzen zum Beispiel 709 Abgeordnete.
Personalisierte Verhältniswahl – was bedeutet das?
Der Bundestag wird nach dem Prinzip der Verhältniswahl bestimmt. Das heißt, jede Partei bekommt den Anteil an Sitzen, die dem Stimmenverhältnis entspricht. Hat die XY-Partei 12 Prozent der Stimmen, erhält sie auch mindestens 12 Prozent der Sitze.
Mindestens deshalb, weil Parteien unter fünf Prozent nicht ins Parlament einziehen. Alle anderen Parteien bekommen deshalb ein größeres Stück vom Kuchen ab. Beispiel: 2017 erhielt die FDP 10,7 Prozent der Stimmen, aber 11,3 Prozent (80 von 709) der Sitze.
Personalisiert ist die Verhältniswahl, weil eine Hälfte der Sitze (299) über Parteienlisten, die andere Hälfte aber über die Direktwahl einer Kandidatin oder eines Kandidaten in den Wahlkreisen besetzt wird.
Was sind Erst- und Zweitstimme?
Deshalb hat jede/r Wähler/in zwei Stimmen. Die Erststimme gebe ich dem Direktkandidaten in meinem Wahlkreis. Diese Stimme hat keinen Einfluss auf die Sitzverteilung. Aber alle direkt gewählten Abgeordneten ziehen in den Bundestag ein – auch dann, wenn ihre Partei die Fünfprozenthürde (siehe unten) nicht überspringt.
Wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekommt, das wird ausschließlich über die Zweitstimme bestimmt. Sie ist also die entscheidende Stimme für das Kräfteverhältnis im Parlament. Mit der Zweitstimme entscheiden wir uns für die Landesliste einer Partei.
Muss ich die Landeslisten nehmen wie sie sind?
Ja. Jeder Wähler und jede Wählerin kann die Zweitstimme nur der kompletten Liste einer Partei geben. Er oder sie hat also keinen Einfluss auf die Reihenfolge der aufgeführten Kandidatinnen und Kandidaten – und damit auf deren Chance, in den Bundestag einzuziehen. Die ist umso größer, je weiter oben der/die Kandidat/in steht.
Ein Vergleich: Bei den bayerischen Landtagswahlen beispielsweise gibt es keine solchen starren oder geschlossenen Listen. Im Freistaat kann ich einen bestimmten Kandidaten auf der Liste ankreuzen – und damit auch auf diese Weise dem Parlament eine persönliche Note geben.
Welchen Sinn hat die Fünfprozenthürde?
Zur Bundestagswahl treten viele Parteien an. Doch die wenigsten schaffen es ins Parlament. Denn dazu brauchen sie bundesweit mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen. Bekommt eine Partei weniger, sind ihre Stimmen verloren.
Die Fünfprozenthürde verhindert also, dass zu viele kleine Parteien ins Parlament einziehen. Der Gesetzgeber wollte damit die Mehrheitsbildung im Parlament erleichtern. Der Nachteil: Die Fünfprozenthürde verleitet Anhänger kleiner Parteien dazu, sich für aussichtsreichere Parteien zu entscheiden und verringert damit die Chance der Kleinen, ins Parlament einzuziehen, erst recht.
Besonderheiten:
- Wer in seinem Wahlkreis das Direktmandat erobert hat, zieht in jedem Fall in den Bundestag ein, egal ob seine Partei die Hürde übersprungen hat oder nicht.
- Erhält eine Partei drei oder mehr Direktmandate, gilt die Fünfprozenthürde nicht. Dann darf die Partei so viele Abgeordnete in den Bundestag schicken, wie ihr nach dem Zweitstimmenanteil zustehen. Das war 1994 der Fall. Damals gewann die PDS 4 Direktmandate und 4,4 Prozent der Zweitstimmen. Ihr wurden 26 Sitze zugeteilt. Den Fraktionsstatus erhielten die PDS-Abgeordneten aber nicht.
Was sind Überhang- und Ausgleichsmandate?
Bei Bundestagswahlen können sogenannte Überhangmandate einstehen, nämlich dann, wenn Wählerinnen oder Wähler die Erst- und Zweitstimme unterschiedlichen Parteien geben. Normalerweise erhält jede Partei so viele Sitze, wie es ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht.
Doch nehmen wir folgendes an: Die XY-Partei erhält in einem Bundesland 8 Direktmandate. Gleichzeitig bekommt sie aber nur so wenige Zweitstimmen, dass es gemäß dem Stimmverhältnis nur für 6 Sitze reicht. Trotzdem darf die XY-Partei alle 8 Abgeordneten in den Bundestag schicken. Das heißt: Sie hat 2 Überhangmandate gewonnen.
Diese zu viel vergebenen Mandate verzerren das Stimmenverhältnis. Deshalb bekommen die anderen Parteien Ausgleichsmandate. Die Folge: Der Bundestag wird unter Umständen viel größer als die eigentlich vorgesehenen 589 Sitze.
Ein praktisches Beispiel: Der aktuelle Bundestag umfasst 709 Sitze. Der Grund für diese Aufblähung lag vor allem in den Überhangmandaten der CSU. Die Partei konnte 2017 erneut alle Direktmandate Bayerns für sich gewinnen, schnitt aber bei der Verteilung der Zweitstimmen gegenüber 2013 deutlich schlechter ab. Das führte zu Überhangmandaten einer bundesweit gesehen relativ kleinen Partei und löste einen entsprechend großen Bedarf an Ausgleichsmandaten aus.
💡 Wahlrechtsreform: Wie verkleinert man den Bundestag?
Der Bundestag hat mit Koalitionsmehrheit für 2021 beschlossen, bis zu drei Überhangmandate nicht auszugleichen. Außerdem soll eine "teilweise Verrechnung von Überhang- mit Listenmandaten der gleichen Partei [in einem anderen Bundesland] ermöglicht" werden. Ziel ist es, die Aufblähung des Parlaments einzugrenzen. Erst für 2025 sollen dann die Wahlkreise von 299 auf 280 verringert werden.
Wie werden die Sitze verteilt?
Das Auszählungs- und Sitzzuteilungsverfahren ist kompliziert. Generell gilt: Da alle gewählten Direktkandidaten in den Bundestag einziehen, werden diese Sitze zuerst berücksichtigt. Es kann also sein, dass die Listenkandidaten - wie im Falle der CSU 2017 - gar nicht mehr zum Zuge kommen. Joachim Herrmann, damals auf Platz 1 der CSU-Landesliste, zog nicht in den Bundestag ein.
Wenn die Landesliste einer Partei nicht ausreicht, um alle ihr zustehenden Sitze zu besetzen, werden diese Sitze nicht vergeben.
Kandidatenaufstellung in Corona-Zeiten
Wegen der Corona-Pandemie wurde im Oktober 2020 das Wahlrecht geändert: Parteien dürfen Kandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr nun auch ohne Versammlungen aufstellen. Das gilt mit Erlaubnis des Innenministeriums künftig auch bei Naturkatastrophen und ähnlichen Ereignissen - immer dann, wenn Versammlungen unmöglich sind.