Der Auftritt der fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein auf dem CDU-Grundsatzkonvent sorgt für Diskussion: Ist es erlaubt, dass die Bundespolizistin bei der parteipolitischen Veranstaltung in Uniform ans Rednerpult trat? Durfte sie sich in Uniform zur Asylpolitik äußern - so wie sie es getan hat?
"Die Bundespolizei hat am Samstagmittag von dem in Rede stehenden Vorgang erfahren und unverzüglich eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet", antwortet das Bundespolizeipräsidium auf BR24-Anfrage. Die Pressestelle ging dabei nicht auf einzelne Aspekte ein.
Pechstein weist Kritik am Tragen der Uniform zurück
Pechstein selbst äußerte sich am Sonntag gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Ich war bei der CDU zu Gast – und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin", wird sie dort zitiert.
Gemäß Polizeidienstvorschrift sei das Tragen der Uniform außerhalb des Dienstes erlaubt und nur bei Krankheit oder der Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes verboten, sagte sie weiter. "Ein ausdrückliches Verbot des Uniformtragens auf Parteiveranstaltungen besteht nicht", so Pechstein. Ihren eigenen Angaben zufolge hatte Pechstein laut der Zeitung im Vorfeld des Auftritts sowohl einen Gewerkschaftsvertreter der Bundespolizei als auch einen Vorgesetzten angefragt. Der Auftritt in Uniform sei ihr freigestellt worden, so Pechstein.
Grünen-Politikerin Mihalic bezweifelt Rechtmäßigkeit
Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic allerdings bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Auftritts in Polizeiuniform beim CDU-Konvent. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte Mihalic mit Blick auf die Neutralitätspflicht von Beamten: "Ich habe da viele Fragen, ob das bei einem Auftritt in Uniform auf einer Parteiveranstaltung so gegeben ist. Und deswegen muss das Innenministerium rechtlich prüfen, ob hier beamtenrechtliche Pflichten verletzt wurden."
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, die selbst ausgebildete Polizeibeamtin ist, betonte: "Dass sie [Claudia Pechstein] in Uniform auf einem Parteitag auftritt, ist natürlich etwas, das drückt auch etwas aus. Und ich frage mich ernsthaft, ob dieser Auftritt nicht auch das erreichen sollte: Dass also alle sozusagen die CDU mit der Polizei verknüpfen. Ich finde, da muss auch Herr Merz noch einiges erklären, ob er oder vielleicht auch seine Partei diesen Auftritt in Uniform nicht in irgendeiner Weise angeregt haben." Mihalic stellte klar: "Ich wäre zu meiner aktiven Zeit nie auf die Idee gekommen, mich in Uniform auf einen Grünen-Parteitag zu stellen."
In Uniform zum CDU-Grundsatzkonvent
Claudia Pechstein war am Samstag zum CDU-Grundsatzkonvent geladen - unter dem Aspekt, Impulse aus der Zivilgesellschaft zu erhalten. "C. Pechstein sollte ihre Perspektive zu Sport und Ehrenamt beitragen", schreibt Karin Prien, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und stellvertretende Parteivorsitzende, auf Twitter. Die CDU ist gerade dabei ein neues Grundsatzprogramm zu entwickeln, das Anfang Mai 2024 bei einem Bundesparteitag verabschiedet werden soll. Der Konvent in Berlin gehörte zum Prozess, um dieses Programm zu erarbeiten.
Die Bundespolizistin Pechstein kam in Uniform zur Veranstaltung und begann ihre etwa siebenminütige Rede zwar damit, dass sie "hier in erster Linie für den Sport" stehe. So sprach sie sich für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports ein. Doch danach äußerte sie sich zur Asylpolitik. Sie mahnte auch Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel "ohne ängstliche Blicke" nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, "als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen", sagte Pechstein.
Pechstein ist selbst politisch aktiv und war 2021 für die CDU Treptow-Köpenick als Bundestagskandidatin angetreten, zog jedoch nicht ins Parlament ein. Der "Bild"-Zeitung sagte sie, dass sie kein CDU-Mitglied ist.
Kritik von mehreren Politikern - Merz sieht "brillanten" Auftritt
Der Auftritt Pechsteins beim CDU-Grundsatzkonvent hatte bereits am Wochenende zu Diskussionen und Kritik geführt. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler schrieb auf Twitter: "Eine Polizeibeamtin in Uniform schwingt Parteitagsreden? Ich reibe mir gerade ungläubig die Augen." Er fordere vom Bundesinnenministerium Transparenz und Nachbereitung dazu. Fiedler nutzte in seinem Tweet den Hashtag "Neutralitätspflicht".
Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) schrieb auf Twitter: "Befasse mich seit 25 Jahren mit Beamten und Disziplinarrecht, nicht nur im Innenausschuss, dazu kommt Parteienfinanzierung und Zeugs- dieser Vorgang ist außerhalb von jeder tolerablen Möglichkeit."
Eine CDU-Sprecherin sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag, dass vor der Rede nicht klar gewesen sei, dass Pechstein eine Uniform der Bundespolizei tragen werde. Die Polizistin habe ihrer Kenntnis nach aber eine Tragegenehmigung. Die Äußerungen Pechsteins wollte die Sprecherin nicht kommentieren.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wies die Kritik an der Olympionikin zurück. "Der Auftritt war brillant", sagt Merz in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" am Sonntag. Pechstein habe aus ihrer Erfahrung gesagt, wie wichtig Vereine und Breitensport seien. Diese Aussage interessiere ihn wirklich und nicht das Äußere, sagte Merz weiter. Der Inhalt "war wirklich interessant und der hat uns auch ein Stück motiviert, in diese Richtung weiterzuarbeiten", so Merz.
Noch keine Stellungnahme vom Bundesinnenministerium
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte sich zunächst nicht äußern. Beamte unterliegen nach dem Beamtenrecht der Neutralitätspflicht.
Im Bundesbeamtengesetz heißt es: "Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben."
Phoenix berichtete am 17. Juni live von dem CDU-Grundsatzkonvent. Die Rede von Claudia Pechstein ist in der ARD-Mediathek nachzuschauen und beginnt bei Minute 1:20:30.
Mit Informationen von dpa.
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