Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt sich im Frühjahr das Bundeswehr-Feldlager "Camp Castor" zeigen (Archivbild). Er steht neben Soldaten der Bundeswehr. Die letzten von ihnen sollen in den kommenden Tagen nach Deutschland zurückkehren (Archivbild).
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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt sich im Frühjahr das Bundeswehr-Feldlager "Camp Castor" zeigen (Archivbild).

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Bundeswehr aus Mali abgezogen – Einsatz nach zehn Jahren beendet

Bundeswehr aus Mali abgezogen – Einsatz nach zehn Jahren beendet

Die letzten Bundeswehrsoldaten kehren aus Mali zurück. Der MINUSMA-Einsatz ist damit nach gut zehn Jahren beendet. Was bedeutet das für die Bundeswehr? Wie läuft der Abzug? Und: Wurden die Ziele der Mission erreicht?

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

Die Bundeswehr hat ihren UN-Einsatz im westafrikanischen Mali nach mehr als einem Jahrzehnt beendet. Die letzten deutschen Soldaten der Friedensmission MINUSMA verließen ihr Feldlager Camp Castor am Rande des Flughafens der Stadt Gao am Dienstag, wie die Bundeswehr mitteilte. Die 142 Männer und Frauen waren demnach unterwegs zu einem Zwischenstopp an der Atlantikküste und sollten erst im Laufe der Woche auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf landen. Lediglich vier Soldaten befinden sich noch im MINUSMA-Hauptquartier in der malischen Hauptstadt Bamako, sie kehren am 17. Dezember nach Deutschland zurück.

In Mali endet damit nach Afghanistan der zweite große Einsatz der Bundeswehr außerhalb Europas. Der Auftrag in Westafrika galt zuletzt als gefährlichster Einsatz, drei Soldaten verloren ihr Leben. Auf den Abzug bereitet sich die Bundeswehr seit Monaten vor. Ihre Planungen musste sie allerdings mehrfach anpassen. Zuvor war ein Verbleib der Soldatinnen und Soldaten bis längstens Mai 2024 angedacht.

Bayerische Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 im letzten Kontingent

Beteiligt am letzten Kontingent waren auch Soldatinnen und Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bayern. Für die Sicherheit während des Abzugs waren Gebirgsjäger aus Bischofswiesen zuständig, die zur Brigade gehören. Der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 232 aus Bischofswiesen war als Chef des Stabes eingesetzt. Teil des letzten Kontingents waren zudem Soldatinnen und Soldaten des Gebirgspionierbataillons 8 aus Ingolstadt, des Gebirgsversorgungsbataillons 8 aus Füssen sowie des ebenfalls dort stationierten Gebirgsaufklärungsbataillons.

Ein Sprecher der Gebirgsjägerbrigade 23 erklärte auf BR-Anfrage, die Unterstützung im Rahmen des Abzugs habe ein "Höchstmaß an Professionalität und Flexibilität" erfordert. Insbesondere die Einsatzkräfte hätten sich bis zum letzten Tag immer wieder auf neue Rahmenbedingungen und Zeitlinien einstellen müssen, "wie beispielsweise den Zeitpunkt der Rückkehr nach Deutschland, bei dem lange Zeit nicht klar war, ob er noch vor Weihnachten stattfinden wird." Der Abschluss des Einsatzes sei maßgeblich auf die "extrem hohe Einsatzbereitschaft der Soldaten und das Verständnis ihrer Angehörigen" zurückzuführen.

Zudem waren nach Angaben der Bundeswehr zuletzt noch einzelne Soldatinnen und Soldaten des IT-Bataillons 293 aus Murnau vor Ort. Die Einheit ist unter anderem für die Aufrechterhaltung sowie für den Abbau der Kommunikationsinfrastruktur zuständig.

Sprecher: "Keine Hand darf fehlen"

Material wurde bereits seit Mitte des Jahres außer Landes gebracht. Der Abzug gilt als logistisch aufwendig. Der Rücktransport musste genau berechnet werden. Bis zuletzt verbleibt unter anderem Ausrüstung vor Ort, die die medizinische Versorgung der Soldatinnen und Soldaten ermöglicht.

Insgesamt musste die Bundeswehr den Angaben des Sprechers zufolge eine Materialmenge nach Deutschland bringen, die etwa 1.000 Containerladungen entsprechen würde. Der weitaus größte Teil des Materials wurde auf dem Luftweg transportiert. Nach BR-Informationen war die Bundeswehr dabei in den vergangenen Tagen auch auf die Unterstützung befreundeter Streitkräfte angewiesen, die schwere Transportmaschinen einsetzten.

Unter anderem wird militärische Ausrüstung komplett zurückgebracht. Bundeswehrangaben zufolge fallen etwa Waffen, Munition, geschützte Fahrzeuge, IT- oder Kommunikationsausstattung darunter. Vor Ort wurde mitunter Material verkauft, bei dem ein Rücktransport wirtschaftlich nicht lohnend war, weil es durch den Einsatz stark an Wert verloren hat.

Erschwert wurde der Abzug durch den Militärputsch im angrenzenden Niger. Dort unterhält die Bundeswehr einen Stützpunkt für Lufttransporte in der Hauptstadt Niamey.

Einsatzende nach einem Jahrzehnt

Mit dem Abzug der letzten Soldatinnen und Soldaten endet die deutsche Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA nach rund einem Jahrzehnt. In der Hochphase waren über 1.000 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Mission im Land. 2013 begann der Einsatz mit der Entsendung von Stabspersonal. Ab 2016 verlegte Deutschland auch Aufklärungskräfte des Heeres nach Mali. Diese sollten als Augen der UN-Mission fungieren. Sie setzen unter anderem Aufklärungsdrohnen ein.

Die Gesamtkosten für die Missionen in Mali wurden von der Bundesregierung vor mehreren Monaten auf rund 4,3 Milliarden Euro geschätzt. Die Summe geht aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) hervor.

Wurden die Ziele der Mission erreicht?

Militärisch, so war in den letzten Monaten wiederholt aus Bundeswehrkreisen zu hören, hätten die deutschen Soldatinnen und Soldaten ihre Aufträge erfüllen können, soweit sie dies selbst in der Hand hatten. Teils durften Aufklärungsdrohnen nicht starten, weil die malische Militärregierung entsprechende Genehmigungen verweigerte. Auch wurden Überflüge verboten. Zu einer nachhaltigen Stabilisierung des Landes sowie der Sahelregion dürfte die UN-Mission MINUSMA in den Augen vieler Beobachter aber nicht geführt haben.

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa äußerte sich die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) besorgt über einen Anstieg an Gewalt im Zentrum und Norden Malis. Die UN-Truppen haben diese Regionen bereits verlassen oder ziehen sich von dort zurück. MSF habe in der Region aus Sicherheitsgründen medizinische Teams evakuieren müssen, meldet die dpa. Die malische Armee kämpfe dort nun mit Unterstützung russischer Söldner gegen bewaffnete Gruppen. Dabei komme es in betroffenen Gegenden zu Todesfällen und Verletzten.

Sind derartige Missionen in Zukunft noch denkbar?

Für die Bundeswehr fällt das Ende des Mali-Einsatzes in eine Zeit des Umbruchs. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine hat die Rückbesinnung auf die einstige Kernaufgabe, die Landes- und Bündnisverteidigung, an Bedeutung gewonnen.

Die Armee richtet sich deshalb gerade schwerpunktmäßig auf andere Bedrohungsszenarien aus. Nach der Einschätzung von Beobachtern bindet das in größerem Maße Kräfte. Parallel beteiligt sich Deutschland auch noch mit kleineren Truppenkontingenten an internationalen Missionen, etwa in Jordanien und im Irak.

Nanni: Engagement herunterzufahren wäre "fatal"

In den Augen der Vereidigungspolitikerin Sara Nanni (Bündnis 90 Grüne) macht es Sinn, sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung zu fokussieren. "Es wäre aber fatal, wenn man das Engagement bei internationalen Kriseneinsätzen stark runterfährt", sagte Nanni in einer BR-Sendung im Sommer, in der die Geschichte der Bundeswehr als Einsatzarmee nachgezeichnet wurde.

Eine Prognose, ob es große Auslandseinsätze wie in Afghanistan oder Mali in Zukunft geben werde, wollte sie nicht wagen. Sie rechne aber damit, dass "Räume, in denen es schwer ist, Sicherheit ohne externe Unterstützung herzustellen, auch in Anbetracht der Klimakrise eher noch größer werden und nicht kleiner."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sagte in diesem Zusammenhang, es sei "eine der wesentlichen Lehren für künftige Auslandseinsätze, so reinzugehen, dass man in der Lage ist, die klar formulierten politischen Ziele und militärischen Unterziele zu erreichen. Ansonsten sollte man es nicht tun."

"Wir müssen auch in Zukunft bereit sein"

Ausgeschlossen sind größere Einsätze wie in Mali in der Zukunft allerdings keineswegs. In den entsprechenden Strategiepapieren werden Auslandseinsätze ausdrücklich erwähnt. Im Vorwort der kürzlich veröffentlichten Verteidigungspolitischen Richtlinien schreiben Verteidigungsminister Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer: "Der langjährige Einsatz der Bundeswehr auf dem Westbalkan und in der Sahelregion sowie die militärische Evakuierungsoperation im Sudan machen zudem deutlich: Wir müssen auch in Zukunft bereit sein, gemeinsam mit unseren Partnern international Verantwortung zu übernehmen und handlungsfähig zu sein."

Militärische Beiträge im Rahmen internationaler Organisationen zur Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und Stabilisierung werden in dem Dokument ausdrücklich als Aufträge der Bundeswehr definiert. Darunter fallen auch UN-Friedensmissionen.

Über dieses Thema berichtete die Sendung "Politik und Hintergrund" im Radioprogramm von BR24 am 10.12. "Politik und Hintergrund" gibt es auch als Podcast. Der Podcast "Ein Thema drei Köpfe" widmete sich in einer eigenen Folge der Lage in Westafrika.

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