Menschen siedeln am liebsten in Regionen mit einer Durchschnittstemperatur von 11 bis 15 Grad. Doch diese Klima-Nischen sind bedroht. Bald könnten ein Drittel der Menschheit in Regionen leben, die deutlich heißer sind.
Laut einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature Sustainability" veröffentlicht wurde, werden bei einer Erderwärmung um 2,7 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter im Jahr 2100 mehr als zwei Milliarden Menschen - dann 22 Prozent der Weltbevölkerung - aus der klimatischen Komfortzone fallen.
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Erderwärmung verändert "Bewohnbarkeit" der Erde grundlegend
Um einen Klimawandel mit katastrophalen Folgen abzuwenden, hatte die Weltgemeinschaft 2015 im Pariser Klimaabkommen vereinbart, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Durch den Treibhausgas-Ausstoß der Menschheit, insbesondere durch die Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas, hat sich die Erde bereits um fast 1,2 Grad erwärmt.
Die Chancen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, stehen angesichts weiterhin zunehmender Treibhausgas-Emissionen schlecht. Tatsächlich steuert die Erde bei der aktuellen Klimapolitik auf eine Erwärmung um 2,7 Grad zu. Auch ein noch höherer Anstieg der Durchschnittstemperatur ist möglich. Ein Temperaturanstieg um 2,7 Grad werde die "Bewohnbarkeit" der Erde grundlegend verändern und möglicherweise zu einer "großangelegten Neuordnung der Orte führen, an denen Menschen leben", sagte Studien-Hauptautor Tim Lenton von der britischen University of Exeter. Mit jedem weiteren Temperaturanstieg um 0,1 Grad "werden weitere 140 Millionen Menschen gefährlicher Hitze ausgesetzt sein", fügte Lenton hinzu.
Klimakrise: Diese Länder sind besonders betroffen
Die Länder mit der größten Zahl an Menschen, denen laut der Studie gefährliche Hitze droht, sind demnach Indien (600 Millionen Menschen), Nigeria (300 Millionen Menschen) und Indonesien (100 Millionen Menschen). Besonders große Flächenanteile eines Landes wären in Burkina Faso, Mali und Katar betroffen, die nahezu komplett außerhalb der Klima-Nische liegen würden.
Als gefährliche Hitze definieren die Studienautoren eine Durchschnittstemperatur von 29 Grad. Besonders groß ist das Risiko in den heißen und feuchten Regionen entlang des Äquators: Dort wird Hitze schon bei niedrigeren Temperaturen lebensbedrohlich, weil sich der Körper bei hoher Luftfeuchtigkeit nicht durch Verdunstung von Schweiß auf der Haut abkühlen kann.
"Menschliche Klima-Nische": Neuer Kennwert für Folgen des Klimawandels?
Die Forscher betonen, dass die Folgen des Klimawandels häufig vor allem in wirtschaftlichen Kategorien - also Kosten - beschrieben würden. Zunehmend gebe es jedoch Bemühungen, mit der "menschlichen Klima-Nische" eine neue Größe zu etablieren. Sie beschreibt die Regionen der Erde, in denen Menschen in der Vergangenheit dank günstiger klimatischer Bedingungen bevorzugt lebten. Die optimale Jahresmitteltemperatur dieser Nische liegt bei etwa 11 bis 15 Grad Celsius. Aktuell leben laut Studie bereits über 600 Millionen Menschen außerhalb derartiger Gebiete.
Das Zeitfenster für die Sicherung eines lebenswerten Lebens schließe sich, mahnte die Bonner Entwicklungsgeografin Lisa Schipper in einer ersten Reaktion auf die Studie. Die Möglichkeiten, sich an veränderte Klimabedingungen anzupassen, seien begrenzt: Insbesondere bei Extremereignissen hätten viele Menschen kaum Chancen, sich vorzubereiten.
Aus Sicht von Schipper ist es wahrscheinlich, dass Betroffene versuchen werden, umzusiedeln. "Die internationale Klima- und Entwicklungspolitik sollte diesen Prozess unterstützen, aber nicht die Finanzierung der Orte einstellen, die nicht in die menschliche Klima-Nische fallen."
Migrationsbewegungen und Konflikte: Umsiedlung wegen Klimakrise
Der Stockholmer Klimaforscher Richard J.T. Klein verwies darauf, dass neben den Temperaturen weitere Faktoren für ein menschenwürdiges Leben wichtig seien - etwa Wasser, Luftfeuchtigkeit und Lebensbedingungen der für die Ernährung gehaltenen Tiere und angebauten Pflanzen. "Was diese Studie sehr gut zeigt, ist das direkte menschliche Leid, das der Klimawandel verursachen könnte", sagte er.
Technisch gesehen, könnten sich manche Regionen an die neuen Lebensbedingungen anpassen, so Klein. "Die Menschen können die meiste Zeit ihres Lebens in klimatisierten Gebäuden verbringen und ihre Lebensmittel von anderswo importieren, sofern sie die Mittel dazu haben." In Deutschland ist möglicherweise genug Geld da, um sich auf Starkregen, Hitzewellen und Dürreperioden einzustellen. In anderen Teilen der Welt dürfte das fast unmöglich sein. Der Klimawandel werde deshalb vermutlich zu stärkeren Migrationsbewegungen und Konflikten führen.
Mit Informationen von AFP und KNA
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