Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin
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Faeser: Deutschland stimmt Asyl-Krisenverordnung der EU zu

Deutschland will trotz anhaltender Bedenken der umstrittenen Krisenverordnung für die geplante EU-Asylreform zustimmen. Obwohl noch Änderungsbedarf gesehen werde, will die Innenministerin heute Deutschlands Verantwortung gerecht werden, sagte Faeser.

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Nach monatelanger Blockade stimmt Deutschland der Krisenverordnung der EU zur Migration zu. Das kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel an und sprach von einem "hervorragend ausgehandelten Kompromiss". Damit ist nach Angaben des spanischen EU-Ratsvorsitzes der Weg frei für den letzten Baustein der europäischen Asylreform.

EU will unerwünschte Migration begrenzen

Die Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform, mit der unter anderem unerwünschte Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Zuletzt war dafür im Krisenfall eine Dauer von bis zu 40 Wochen im Gespräch - selbst Migranten mit guten Asylchancen sind dann von diesen Verfahren betroffen.

In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken. In Deutschland äußerten Außenministerin Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln "Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland" setzen könnte.

Kanzler gab wohl Kurs aus

Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte. Den Plänen für die Asylreform zufolge müssten die Mitgliedstaaten auch bei einem starken Anstieg der Migration alle ankommenden Menschen registrieren. Eine mögliche Verlängerung von Fristen dafür wäre zudem nur nach vorheriger Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten möglich. Das Gleiche gilt auch für die Aufweichung von Schutzstandards. Es blieben demnach auch in einer Krisensituation noch etliche Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern.

Am Mittwoch hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe.

Jamila Schäfer, Grünen-Bundestagsabgeordnete, äußert sich im BR24-Interview zu den EU-Beschlüssen in der Asylpolitik.
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Jamila Schäfer, Grünen-Bundestagsabgeordnete, äußert sich im BR24-Interview zu den EU-Beschlüssen in der Asylpolitik.

Bald Verhandlungen im EU-Parlament?

Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können voraussichtlich auch die für die Reform wichtige Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden. Denn das Parlament hatte zuletzt angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die EU-Staaten bei dem Thema Krisenverordnung positioniert haben.

Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.

Kritik von NGOs - "Menschenrechtliche Erwägungen soll nichts mehr zählen"

An der Krisenverordnung selbst gibt es heftige Kritik. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International sehen sie als "Verrat an den Rechten von Menschen auf der Flucht". "Ärzte ohne Grenzen" erklärte, man beobachte in ganz Europa, "wie Staaten Abweichungen von Mindeststandards unter dem Deckmantel der 'Krise' oder 'Instrumentalisierung' vornehmen - mit dramatischen Folgen".

"Dass der Bundeskanzler nun die Zustimmung erzwingt, zeigt, dass in der Bundesregierung menschenrechtliche Erwägungen nichts mehr zählen sollen", teilte der Verein Pro Asyl bereits am Mittwoch mit. "So macht die Bundesregierung sich zukünftig mitschuldig an Pushbacks und Elend an den Außengrenzen, obwohl sie im Koalitionsvertrag versprochen hatte, diese zu bekämpfen."

Aber auch innerhalb der EU gibt es Widerstand, vor allem von Polen und Ungarn. Beide Staaten fordern eine noch härtere Gangart. Ungarns Vertreter betonte am Donnerstag, man brauche Konsens in sensiblen Fragen der Migrationspolitik und diesen Konsens gebe es nicht.

Mit Informationen von dpa, AFP und epd

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