Blick ins Wahllokal
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#Faktenfuchs: Gab es mobile Wahlurnen für Maskenverweigerer?

#Faktenfuchs: Gab es mobile Wahlurnen für Maskenverweigerer?

Auf Twitter empören sich Nutzer, dass die Stadt Köln für Maskenverweigerer mobile Wahlurnen im Freien aufstellen wollte. Für Rollstuhlfahrer würde nie solch ein Aufwand betrieben. Doch sind mobile Urnen erlaubt? Und wie barrierefrei sind Wahllokale?

Schon vor der Wahl beschäftigte User in den sozialen Netzwerken die Frage, ob Maskenverweigerer möglicherweise versuchen könnten, den Wahlablauf zu stören. Tatsächlich wurde im Vorfeld der Wahl und am Wahltag selbst dann auch vereinzelt über solche Fälle berichtet: In Köln, das meldete der WDR schon zwei Tage vor der Abstimmung, bereiteten Wahlvorstände sich auf mögliche Auseinandersetzungen vor, indem sie planten, mobile Wahlurnen im Freien aufzustellen. Anderswo wollte man für vereinzelte Maskenverweigerer kurzzeitig das Wahllokal freiräumen und danach durchlüften, hieß es im Vorfeld.

In Berlin-Moabit wurde Berichten zufolge am Wahltag dann kurzzeitig ein ganzes Wahllokal für zwei Frauen freigeräumt, die partout keine Maske aufsetzen wollten und deren Maskenbefreiungsattest von den Wahlhelfern angezweifelt worden war. Die Polizei bestätigt den Vorfall gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Vielerorts also schien man bemüht, einen Weg zu finden, auch Maskenverweigerern die Wahl zu ermöglichen. Gerade bei Menschen mit körperlichen Behinderungen sorgte dieses Entgegenkommen für Ärger:

"Das machen die nicht ernsthaft? Die tragen nicht ernsthaft die Urnen für Maskenverweigerer raus, während sie die Barrieren für Menschen mit Behinderung seit Jahrzehnten ignorieren? Wie sehr kann ein Land eigentlich sagen, dass es auf mich als Rollstuhlfahrerin scheißt?"

So beschwert sich am Wahlabend die Autorin und Aktivistin Tanja Kollodzieyski, die auf Twitter unter dem Spitznamen "RolliFraeulein" unterwegs ist. Ihr Tweet wird mehr als 19.000 Mal geliked.

Und auch eine andere Nutzerin ärgert sich über den Aufwand, der für die Maskenverweigerer betrieben wird:

"Für Maskenverweigerer werden also "mobile Urnen" draußen aufgestellt - wollt ihr behinderte Menschen, die seit Jahrzehnten durch nicht barrierefreie Wahllokale gegängelt werden, eigentlich verarschen?! Das wäre also schon die ganze Zeit gegangen?!"

Doch sind die mobilen Wahlurnen in NRW überhaupt wirklich zum Einsatz gekommen? Und wenn ja: Ist das erlaubt? Und wie steht es um die Barrierefreiheit in den Wahllokalen?

Wurden wirklich Urnen in Köln rausgetragen?

Der BR24-#Faktenfuchs hat bei der Stadt Köln nachgefragt, ob dort bei der Bundestagswahl tatsächlich mobile Wahlurnen im Freien für Maskenverweigerer aufgestellt wurden. "Nein", sagt Robert Baumanns von der Pressestelle der Stadt Köln. Mobile Wahlurnen seien am Wahltag auch nicht zum Einsatz gekommen. Man habe ein solches Vorgehen für Menschen diskutiert, die etwa aus medizinischen Gründen keine Maske tragen dürfen, es dann nach einem Hinweis der Bundeswahlleitung aber verworfen. Stattdessen habe man sich entschieden, für maskenbefreite Wähler den Raum – bis auf den Wahlvorstand – freizumachen und den Raum danach zu desinfizieren.

Sind mobile Wahlurnen erlaubt?

Aus Sicht des stellvertretenden Landeswahlleiters in Bayern, Karsten Köhne, sind solche mobilen Wahlurnen ohnehin rechtswidrig. Das gehe, so Köhne, aus der Bundeswahlordnung (BWO) hervor. In §46 steht dort, dass in "Wahlräumen" gewählt werde. In §50 BWO ist zudem vorgesehen, dass in jedem Wahlraum eine oder mehrere "Wahlkabinen mit Tischen" einzurichten seien, "in denen der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten kann". In jedem Fall müsste also auch im Freien gewährleistet werden, dass der Wähler oder die Wählerin seine oder ihre Stimme unbeobachtet abgeben kann.

Auch der Landeswahlleiter von Nordrhein-Westfalen sieht das auf Nachfrage des #Faktenfuchs so. Mobile Wahlurnen seien "im Bundeswahlrecht nicht vorgesehen". Das habe man auch am Wahltag selbst nochmal in Bezug auf eine "ähnliche Vorgehensweise" der Stadt Köln klargestellt.

Sind Wahllokale barrierefrei?

Und was ist mit dem zweiten Aspekt, den viele auf Twitter ansprechen: Stimmt es, dass Rollstuhlfahrer immer noch oft Probleme haben, ins Wahllokal zu kommen? Tatsächlich ist das Ziel, dass Wahllokale barrierefrei sein sollten, ebenfalls in der BWO festgehalten. In §46 Absatz 1 heißt es dort:

"Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Wahlberechtigten, insbesondere Menschen mit Behinderungen und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeindebehörden teilen frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche Wahlräume barrierefrei sind."

Auf der Seite des Bundeswahlleiters heißt es unter dem Stichwort "Barrierefreiheit": "Der Anteil barrierefreier Wahlräume soll weiter erhöht werden." Generell gilt: Ist der auf der Wahlbenachrichtigung genannte Wahlraum nicht barrierefrei, können Betroffene beantragen, in einem anderen Wahllokal wählen zu können.

In der Praxis sind viele Wahllokale noch nicht barrierefrei

In der Realität sind bisher längst nicht alle Wahllokale barrierefrei. So teilt etwa die Landeswahlleiterin von Berlin auf Anfrage des #Faktenfuchs mit, dass der Anteil der barrierefreien Wahllokale in diesem Jahr in Berlin bei 69,2 Prozent lag. Das heißt, rund ein Drittel war nicht barrierefrei. Man bemühe sich zwar, den Anteil zu steigern, sagt die Landeswahlleiterin – dieses Mal habe die Pandemie das Problem aber zusätzlich verschärft: Wegen der Ansteckungsgefahr konnten in Berlin nicht wie sonst Senioreneinrichtungen als Wahllokale genutzt werden, die barrierefrei sind.

Für Bayern konnte der stellvertretende Landeswahlleiter bis zum 28.09.2021 nur den Anteil der barrierefreien Wahllokale für 2017 nennen. Damals lag er bei 67,15 Prozent. Die Zahlen für 2021 liegen noch nicht gesammelt vor.

Mehr als 85.000 Menschen konnten das erste Mal wählen

Auf Nachfrage bestätigen auch der Deutsche Behindertenrat und eine Sprecherin des Verbandes für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen dem #Faktenfuchs, dass Barrierefreiheit bei der Wahl immer noch ein Problem sei. Konkrete Beschwerden dazu sind bei dieser Wahl aber bei keinem der befragten Verbände eingegangen.

Peer Brocke, Sprecher der Lebenshilfe, weist im Gespräch mit dem #Faktenfuchs aber auch darauf hin, dass die Bundestagswahl 2021 einen "großen Sieg" für viele Menschen mit Behinderungen gebracht habe. Zum ersten Mal überhaupt konnten mehr als 85.000 Menschen, die eine rechtliche Vollbetreuung haben oder wegen einer Schuldunfähigkeit in der Psychiatrie untergebracht sind, ihr Wahlrecht ausüben. Bisher waren sie von der Wahl ausgeschlossen – eine Praxis, die das Bundesverfassungsgericht 2019 für verfassungswidrig erklärt hat.

Und auch für Blinde und für Menschen, die nicht lesen und schreiben können, gibt es inzwischen Wege, an Wahlen teilzunehmen. Für Sehbehinderte ist das mit Hilfe von kostenlosen Schablonen möglich, anhand derer sie den Wahlzettel ausfüllen können. Diese werden ihnen vor der Wahl vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband zur Verfügung gestellt.

Wer nicht lesen oder schreiben kann oder anderweitig Unterstützung beim Ausfüllen des Wahlzettels benötigt, kann sich außerdem von einer Wahlassistenz helfen lassen. Die Assistenz darf dem Betroffenen beim Ausfüllen des Wahlzettels allerdings nur "technisch" helfen, in keiner Weise darf er oder sie Einfluss auf die Entscheidung nehmen.

Wünschenswert wären mehr Informationen in leichter Sprache

Nachholbedarf sieht der Sprecher der Lebenshilfe, Peer Brocke, allerdings noch auf anderer Ebene: Sein Verband würde sich wünschen, dass zusammen mit der Wahlbenachrichtigung auch Hinweise dazu verschickt werden, wo Informationen zur Wahl in leichter Sprache zu finden sind – damit sichergestellt ist, dass auch Menschen mit geistigen Einschränkungen ihr Wahlrecht ausüben können.

Fazit

Im Vorfeld der Bundestagswahl berichtete der WDR, dass die Stadt Köln plane, mobile Urnen außerhalb von Wahllokalen aufzustellen. So wollte man Konfrontationen mit Maskenverweigerern vermeiden. Sowohl der Landeswahlleiter von Bayern als auch von Nordrhein-Westfalen sehen ein solches Vorgehen als rechtswidrig an. Man habe dies auch am Morgen des Wahltages der Stadt Köln mitgeteilt, schreibt eine Sprecherin des Landeswahlleiters dem #Faktenfuchs. Nach diesem Hinweis hätte man sich für ein anderes Vorgehen entschieden.

Auf Twitter wurde das Vorhaben auch deshalb kontrovers diskutiert, weil viele Menschen mit Behinderungen das Gefühl haben, mangelnde Barrierefreiheit sei seit Jahren ein Problem, gleichzeitig werde aber ein großer Aufwand betrieben, um Maskenverweigerern die Ausübung ihres Wahlrechts zu ermöglichen. Tatsächlich ist zwar in der Bundeswahlordnung vorgesehen, dass Wahlräume "möglichst" barrierefrei sein "sollen". Tatsächlich sind dies etwa in Berlin und Bayern aber erst knapp 70 Prozent. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, die im Wahllokal wählen möchten, können allerdings beantragen, in einem anderen Lokal wählen zu dürfen. Auch für Menschen mit anderen Beeinträchtigungen ist Unterstützung vorgesehen.

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