- Gerhard Schröder erhält auch als Ex-Kanzler öffentliche Gelder
- Sein Ruhegehalt kann er nur verlieren, wenn er als Straftäter verurteilt wird
- Das Geld für die Ausstattung seines Büros muss dagegen jedes Jahr der Bundestag bewilligen
Seit seinem Angriff auf die Ukraine hat Russland nur noch wenige Alliierte in der Welt, und auch nur noch wenige Persönlichkeiten in Deutschland erhalten ihre Verbindungen nach Russland aufrecht.
Einer davon ist Gerhard Schröder (SPD). Der Altkanzler ist mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und in russische Unternehmen involviert: Der 77-Jährige ist Aufsichtsratschef des Mineralölkonzerns Rosneft, der als vom russischen Staat gelenkt gilt. Außerdem ist er Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG.
Anfang März, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, wurde bekannt, dass Schröder in diesem Sommer auch in den Aufsichtsrat von Gazprom aufrücken soll. Gazprom gilt ebenfalls als Staatsunternehmen.
Ein User fragt in einer Mail an den #Faktenfuchs: Könnte Schröder wegen seines Verhaltens "einen Teil seiner Bezüge verlieren", weil er mit seinem Verhalten seinen Amtseid gebrochen habe, Schaden von der Bundesrepublik abzuwenden?
Wie viel Geld erhält Gerhard Schröder?
Gerhard Schröder war Landtagsabgeordneter und Ministerpräsident in Niedersachsen, außerdem Bundestagsabgeordneter und von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. Deshalb erhält er Gelder und Zuwendungen vom Staat, die mit seiner ehemaligen Tätigkeit in der Politik zusammenhängen.
In diesem Artikel soll es nur um die Gelder gehen, die Schröder für seine frühere Tätigkeit als Bundeskanzler erhält. Da ist zum einen das sogenannte Ruhegehalt. Dieses Gehalt erhält jedes ehemalige Mitglied einer Bundesregierung, "wenn es der Bundesregierung mindestens vier Jahre angehört hat", so legt es das Bundesministergesetz fest.
Für seine sieben Jahre als Bundeskanzler erhält Schröder knapp 35 Prozent des derzeitigen Amtsgehaltes und Ortszuschlages eines Bundeskanzlers als Ruhegehalt. Legt man Zahlen zugrunde, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 2020 veröffentlichte, sind dies für Schröder gut 7.000 Euro brutto im Monat.
Kann Schröder sein Ruhegehalt verlieren?
Dieses Ruhegehalt könnte Gerhard Schröder verlieren. Dafür müsste er aber zum rechtskräftig verurteilten Straftäter werden. Im Bundesministergesetz und im Beamtenversorgungsgesetz ist das Erlöschen dieser Bezüge geregelt, zum Beispiel wenn der oder die Betreffende wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird. Bei speziellen vorsätzlichen Taten wie Hochverrat oder Landesverrat reicht schon eine Verurteilung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Ein Sprecher der Bundesregierung antwortete auf #Faktenfuchs-Anfrage, es lägen keine Informationen vor, dass schon einmal ein Regierungsmitglied sein Ruhegehalt verloren habe.
Die finanzielle Ausstattung des Büros von Gerhard Schröder
Während das Ruhegehalt Schröder per Gesetz zusteht, ist dies bei weiteren Zuwendungen anders. Denn Gerhard Schröder bekommt von der Bundesrepublik auch Geld und Sachleistungen für ein Büro, persönliche Mitarbeiter oder Chauffeure.
Diese Ausstattung der ehemaligen Amtsträger gibt es schon, seitdem der erste Kanzler Konrad Adenauer (CDU) 1963 aus dem Amt ausschied, sagt der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Bröchler beschäftigt sich in seiner Forschung stark mit Regierungszentralen und deswegen dem Kanzleramt in Deutschland und Österreich.
"Es war in der damaligen Zeit - wenn wir uns das dann in der weiteren Entwicklung anschauen - natürlich eine ganz spartanische Ausstattung, also ein Referent und ein Sekretariat." Professor Stephan Bröchler.
Angela Merkel (CDU) erhält seit ihrem Ausscheiden im letzten Jahr zum Beispiel Büroräume in Berlin und einen Büroleiter, einen stellvertretenden Büroleiter, zwei Fachreferenten, drei Sachbearbeiter und zwei Fahrer.
Für Gerhard Schröders Büropersonal wurden im vergangenen Jahr 407.000 Euro aus dem Bundeshaushalt aufgewendet. Für das laufende Jahr 2022 sind 374.455 Euro im Bundeshaushalt eingeplant, verteilt auf vier Stellen, wie ein Regierungssprecher auf #Faktenfuchs-Anfrage mitteilt.
Dazu kommt die Überlassung von Räumen des Deutschen Bundestages, also ein Büro. Außerdem bezahlt der Staat für den Schutz aller Altkanzler. "Für den Personenschutz und den inneren Schutz der Büros, Wohnsitze und weiterer von den Bundeskanzlern a. D. genutzter Räumlichkeiten werden jährlich Ausgaben in Millionenhöhe aus dem Bundeshaushalt geleistet", schrieb der Bundesrechnungshof 2018 in einem Bericht.
Diese Schutzaufgaben übernimmt das Bundeskriminalamt. An Personalkosten wurden dafür von 2012 bis 2015 jährlich insgesamt rund 1,2 Millionen Euro beim BKA fällig. Allerdings lebten damals noch drei Altkanzler, heute sind es noch Schröder und Merkel. Außerdem wendete das BKA in dieser Zeit für den Schutz der Altkanzler Geld für "Verbrauchsmaterialien, Mieten, Dienstreisen" auf. Diese jährlichen Ausgaben variierten zwischen 121 000 Euro und 287 000 Euro - je nachdem, wie viel der jeweilige Altkanzler reiste.
Dass der Staat diese Ausgaben übernimmt, ist für Bundeskanzler also üblich. Die Ausstattung, die bisher immer lebenslänglich zugestanden wurde, ist aber nirgends per Gesetz geregelt. Sie war lange Zeit lediglich "gute Tradition". Erst 2012 gab es erstmals Regelungen dazu.
Damals beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages zum Beispiel, dass Ex-Bundespräsidenten und Ex-Kanzler für ihr Büro vier Stellen bezahlt bekommen und Räume des Deutschen Bundestages gestellt werden. Das Geld dafür kommt jedes Jahr aus dem Etat des Bundeskanzleramtes und wird mit dem Bundeshaushalt im Deutschen Bundestag beschlossen. Diese 2012 beschlossene Regel gilt zum Zeitpunkt des Beschlusses erst für "zukünftige" Kanzlerinnen und Kanzler, Präsidentinnen und Präsidenten - das erklärt, warum Merkel neun Stellen erhielt: Sie war 2012 schon im Amt.
Warum erhalten ehemalige Amtsinhaber Geld vom Bund?
Begründet wird diese Ausstattung für die Büros und das zugehörige Personal damit, dass Schröder, Merkel und Co. auch nach Verlassen des Amts keine normalen Privatpersonen sind. "Die künftige Bundeskanzlerin a. D. wird nach ihrer Kanzlerschaft im Bundesinteresse liegende Aufgaben wahrnehmen, die aus fortwirkenden amtlichen Pflichten resultieren", begründete zum Beispiel die Ampel-Bundesregierung die Ausstattung Merkels.
Politikwissenschaftler Stephan Bröchler erklärt diese Versorgung damit, dass der Staat sich das erworbene Wissen und die geknüpften Kontakte der Ex-Kanzler "für die Zukunft und für zukünftige Bundesregierungen fruchtbar machen will".
Dieser Austausch laufe oft für die Öffentlichkeit unsichtbar ab, sagt Bröchler mit Blick auf den aktuelle Ukraine-Krieg: "Ein sehr großer Teil ist informell, also wovon wir gar nichts mitbekommen an Beratungstätigkeit gegenüber der Regierung. Da können wir zum Beispiel davon ausgehen, dass im Augenblick das Telefon zwischen Frau Merkel und Olaf Scholz nicht stillsteht."
Diskussion um Versorgung ist nicht neu
Um die Ausstattung von Ex-Amtsinhabern gibt es immer wieder Diskussionen. Als der damalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) wegen politischer Skandale zurücktreten musste, wurde er heftig angegriffen: Denn er erhält trotzdem lebenslang "Ehrensold", etwa 240.000 Euro pro Jahr.
Der Bundesrechnungshof, der die Ausgaben des Bundes überprüft, kritisierte die Aufwendungen für Ex-Kanzler bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2018. Die Behörde betrachtete für den Bericht alle Zahlungen an die damaligen Ex-Kanzler Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder zwischen 2013 und 2015. Die Prüfer sahen sich diese Zahlungen zum ersten Mal genauer an und inspizierten die Büros vor Ort.
Der Bundesrechnungshof bemängelte generell, dass sich "ein Automatismus entwickelt hat, der weder hinsichtlich seiner ursprünglichen Begründung noch nach den Grundsätzen von Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hinterfragt wurde".
Die Kritik wurde aber noch konkreter. Die Ex-Kanzler würden ihre Ausstattung für die Organisation von privaten Terminen nutzen oder "Lobbyarbeit für bestimmte Interessengruppen" übernehmen. Und: Das Büro und das Personal würden für die "Erzielung zusätzlicher Einkünfte" für "Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate" von "jährlich mehreren hunderttausend Euro" genutzt.
In einem Fall betreute eines dieser Büros eine private Liegenschaft eines Altkanzlers und hatte dafür mit Baufirmen verhandelt und mit Handwerkern abgerechnet. "Büros übernahmen zum Teil auch Arbeiten für Ehefrauen der Bundeskanzler a. D. (...) In einem Fall unterstützen Mitarbeiter des Büros die Ehefrau eines Bundeskanzlers a. D. bei ihrer schriftstellerischen Tätigkeit", schrieb der Bundesrechnungshof im Bericht von 2018.
"Die Kritik finde ich völlig gerechtfertigt", sagt Stephan Bröchler dem #Faktenfuchs. "Es darf nicht darum gehen, dass sie sich bereichern." Wenn die Altkanzler mit ihrer Ausstattung Einkommen erzielen, dann sollte dieses wieder an die Bundeskasse abgeführt werden, meint Bröchler.
Auf Anfrage des #Faktenfuchs, wie überwacht wird, dass Altkanzlerinnen und -kanzler nicht ihre Privatgeschäfte in diesen Büros erledigen, antwortet eine Regierungssprecherin, dass diese Büros nicht dazu dienen dürften, Privateinkünfte zu erzielen oder Privatangelegenheiten zu erledigen. "Die Einhaltung dieser Vorgaben wird im Rahmen der Dienstaufsicht sichergestellt."
Nach dem Bericht des Bundesrechnungshofes verschärfte der Haushaltsausschuss 2019 diverse Regeln für die Ex-Amtsinhaber. So soll zukünftig nach fünf Jahren eine Referentenstelle entfallen, auch die Reisekosten von privaten Begleitungen werden nicht mehr erstattet werden.
Bundestag könnte Schröders Ausstattung verweigern
Die Causa Gerhard Schröder sieht Bröchler trotz der Diskussionen in der Vergangenheit als Novum in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik. "So was haben wir bis dato noch nicht gehabt", sagt Bröchler. Schröder habe sich bei seinen privaten Tätigkeiten nach Dienstende anders verhalten als seine Vorgänger. "Er hat auf jeden Fall das gewohnte Terrain verlassen."
Altkanzler Helmut Schmidt arbeitete zum Beispiel auch nach seinem Dienstende weiter in der Wirtschaft, er war Herausgeber der Wochenzeitung Zeit. "Das ist natürlich was ganz anderes, als wenn man dann sozusagen für einen Staatskonzern arbeitet", sagt Bröchler mit Blick auf Schröders Wirken für russische Unternehmen.
In der Diskussion um Schröder forderten mehrere Seiten bereits, die Ausstattung einzustellen. Das wäre theoretisch einfach: Der Bundestag könnte diese Gelder verweigern, indem er bei der entsprechenden Abstimmung nicht mehrheitlich zustimmt. Der CSU-Politiker Stefan Müller, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Verein "Bund der Steuerzahler" haben dies bereits angeregt.
Die meisten Fraktionen äußern sich nicht zum Thema
In dieser Woche liefen die ersten Beratungen für den Bundeshaushalt 2022. Der #Faktenfuchs hat aus diesem Grund alle Bundestagsfraktionen angefragt, wie sie zu der Ausstattung von Gerhard Schröder stehen, ob sie ihr zustimmen werden oder Änderungen für die Zukunft fordern.
Bis zu der gesetzten Frist antworteten lediglich die FDP und die Grünen. "Der Regierungsentwurf wird in den kommenden Wochen erst beraten, daher bitte ich um Verständnis, dass ich Ihnen an dieser Stelle keine weiterführenden Informationen geben kann", schreibt ein Referent der FDP-Bundestagsfraktion.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, schreibt, dass ihre Fraktion zukünftige Änderungen nicht grundsätzlich ablehne: "Wir sind offen, die Regeln zur Amtsausstattung des Bundeskanzlers zu überarbeiten, eine Debatte zu den Details gibt es derzeit nicht."
Die Grünen wollen an der derzeitigen Ausstattung Schröders aber vorerst nichts ändern, schreibt Mihalic. Man mache keine "populistische Politik für den Einzelfall", so Mihalic: "Wir sehen die Rolle des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit Blick auf seine engen Kontakte zu Putin sehr kritisch. Die willkürliche Kürzung von Bezügen oder Details der Amtsausstattung ist nur weil es gerade opportun erscheint jedoch keine Option, denn der Rechtsstaat basiert in hohem Maße auf Verlässlichkeit."
Chance für neue Regelungen: Verhaltenskodex für Altkanzler
Politikwissenschaftler Stephan Bröchler sieht in der Diskussion um Schröder einen "Weckruf". Bröchler hält es generell für sinnvoll, dass Altkanzler vom Steuerzahler ausgestattet werden. Den Trubel rund um Schröder müsse man auch trennen von dieser generellen Fragen, sagt Bröchler. Allerdings befürwortet der Experte eine Diskussion über die konkrete Ausgestaltung.
"Ist es wirklich sinnvoll, dass zum Beispiel das Büro und das Personal tatsächlich lebenslang vorgehalten wird?", fragt er. Er könnte sich eine Begrenzung auf zwei Legislaturperioden und eine anschließende Überprüfung gut vorstellen. "Ein anderer Punkt, wo man auch ansetzen kann, das ist natürlich die Besoldungsstufe, die es da gibt. Also brauchen wir eine B6-Besoldung für den Büroleiter der Altkanzlerin bzw. des Altkanzlers?", sagt er. Die B6-Stelle, die derzeit für Schröders Büro bezahlt wird, erhält dieses Jahr 160.000 Euro brutto Gehalt.
Bröcher plädiert außerdem für Regeln, die ehemalige Amtsinhaber einhalten sollten, um die Gelder zu erhalten. "Und mit Blick auf Schröder würde ich sagen, sollten wir auch darüber nachdenken, ob wir sowas wie einen Verhaltenskodex brauchen." Durch einen solchen Verhaltens- oder Ethikkodex könne man öffentliches Vertrauen zurückgewinnen, glaubt Bröchler.
Fazit
Gerhard Schröder erhält derzeit als ehemaliger Bundeskanzler ein Ruhegehalt und Aufwendungen für ein Büro aus öffentlichen Mitteln. Er kann diese Geld- und Sachleistungen unter bestimmten Bedingungen verlieren. Bei seinem Ruhegehalt als Bundeskanzler wäre dies der Fall, wenn er zu bestimmten Freiheitsstrafen verurteilt würde.
Die finanzielle Ausstattung für Büro und Büropersonal kann ebenfalls verloren gehen. Diese Bezüge werden im Bundeshaushalt festgelegt. Gibt es keine parlamentarische Mehrheit für diese Gelder, dann erhält Schröder sie auch nicht. Aktuell ist nicht erkennbar, dass die Parteien im Bundestag die Zuwendungen an Schröder streichen wollen.
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