Der Artikel zu den elektronischen Chip-Implantaten aus der "Augsburger Allgemeinen" mit dem Titel "Chip für Überwachung und Tötung von Menschen" ist vom 8. Mai 2009, trotzdem wird er aktuell vermehrt in den sozialen Netzwerken geteilt. Und zwar meistens so, dass auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, es handele sich dabei um einen aktuellen Artikel.
Darin wird beschrieben, dass ein saudi-arabischer Erfinder beim Deutschen Patentamt in München ein Patent für elektronische Chips beantragt hat, die zur Überwachung und sogar Tötung in den menschlichen Körper implantiert werden sollten.
Alte Patentanmeldung für elektronische Haut-Chips
In der Regel werden Patentanträge laut Deutschem Patentamt nach 18 Monaten veröffentlicht, so auch der Antrag des Mannes aus Saudi-Arabien. Sein Antrag vom 30. Oktober 2007 ist noch immer unter diesem Link abrufbar.
In seinem Antrag erklärt der Erfinder, wie er elektronische Chips in den Körper des Menschen zur Bestimmung seines geografischen Aufenthaltsortes implantieren will. Teilweise könne man die Chips auch mit einer sogenannten "Strafkammer" versehen, die mit Gift oder Explosivstoffen gefüllt seien, um Personen sogar zu töten.
Als Begründung für sein Patent gibt der Erfinder unter anderem Sicherheitsprobleme in seinem Heimatland Saudi-Arabien an: Terrorismus, illegale Aufenthalte etwa nach einer Pilgerfahrt oder politische Widerstände. Über chiffrierte Wellen, die an einen Satelliten geschickt werden, sollte es laut Erfinder möglich sein, den Aufenthaltsort und die Identität der Person zu analysieren.
Patent wurde von Münchner Amt abgelehnt
Bereits im Artikel der "Augsburger Allgemeinen" von 2009 erklärt eine Sprecherin des Deutschen Patentamts, dass die Erteilung eines Patents in diesem Fall ausgeschlossen sei. "Patente auf Erfindungen, die gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen, würden nicht erteilt".
Auf erneute Anfrage des BR24-#Faktenfuchs beim Deutschen Patentamt heißt es von einem Sprecher, dass das Patent zwar beantragt wurde, aber danach müsse auch noch ein Antrag auf die Prüfung des Patents eingereicht werden. Das sei laut Sprecher nicht passiert. "Die Anmeldung ist bereits im Vorverfahren zurückgewiesen worden. Das Verfahren ist abgeschlossen und ein Patent wurde nicht erteilt."
Desinformation zu Impfungen
Der Artikel wird aktuell offenbar so häufig geteilt, dass die "Augsburger Allgemeine" reagiert hat: Die Zeitung hat den Artikel mit dem Hinweis versehen, dass er bereits aus dem Jahr 2009 stammt.
Aber wieso wird er überhaupt verbreitet? Der Artikel zu implantierten elektronischen Chips reiht sich ein in die Kategorie Desinformation rund um die Impfung gegen SARS-CoV-2. Immer wieder kursiert in den sozialen Netzwerken die Falschbehauptung, dass mit der Impfung eine Art Mikrochip in den Menschen implantiert würde, um sie zu überwachen.
So wird zum Beispiel behauptet, der Microsoft-Gründer Bill Gates nutze die Corona-Pandemie als Vorwand, um eine weltweite Impfpflicht einzuführen.
Mit der Impfung würden den Menschen dann Mikrochips implantiert, um so die völlige Kontrolle über die Menschheit zu erlangen. Für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege, mehrere #Faktenchecks sind dieser Falschmeldung bereits auf den Grund gegangen, unter anderem dieser Artikel von Reuters aus dem März 2020.
Auch der ARD-Faktenfinder untersuchte, was an den Vorhaltungen dran ist, Gates wolle den Menschen Mikrochips einsetzen und mit Hilfe dieser Chips und 5G die Menschheit kontrollieren. Der ARD-Faktenfinder kommt zu dem Schluss, dass diese Behauptungen falsch sind: "Die Behauptungen über Gates basieren zumeist auf wenigen Zitaten, die aus dem Kontext gerissen oder absichtsvoll falsch interpretiert werden. Die transparente Zusammenarbeit seiner Stiftung mit anderen Institutionen wird als ein dubioses, geheimnisvolles Netzwerk dargestellt. Auf diese Art und Weise werden komplexe Legenden erschaffen."
Implantate zum Tür öffnen oder Bezahlen
Die Behauptung, Menschen bekämen mit der Impfung gegen SARS-CoV-2 einen Mikrochip implantiert, ist falsch. Aber es ist durchaus möglich, Mikrochip-Implantate unter die Haut zu setzen. So kann man mit einem Implantat unter der Haut etwa Türen öffnen, bezahlen oder seine Gesundheitsdaten speichern, die zum Beispiel bei einem Notfall im Krankenhaus gescannt werden könnten.
Dass mit einer Impfung gleichzeitig ein Mikrochip eingepflanzt werde, sei aber völliger Humbug, so Dr. Patrick Kramer, Gründer und Geschäftsführer der Biohacking-Plattform "digiwell". Er selbst habe schon mehr als 3.500 Menschen in Deutschland ein Mikrochip-Implantat unter die Haut gesetzt. Dabei sind die kleinsten Implantate so groß wie ein Reiskorn, erklärt Kramer. Dementsprechend groß ist die Nadel, mit der das Implantat eingesetzt werden muss. "Wenn diese Nadel gesetzt wird, dann merkt man das." Während eine Impfung in den Muskel gesetzt wird, kommt das Mikrochip-Implantat laut Kramer unter die erste Hautschicht, ein völlig anderes Verfahren also.
Ortung über implantierte Mikrochips technisch nicht möglich
Und selbst wenn man wollte, könne man mit diesen Mikrochip-Implantaten, die unter die Haut gesetzt werden, keine Menschen orten, so Kramer. Denn es fehle schlicht an einer Technologie, die Mikrochips unter der Haut dauerhaft mit Energie versorgen könne.
Bei den derzeit verfügbaren Mikrochip-Implantaten handelt es sich um eine sogenannte "passive Technologie", das heißt, sie funktioniert nur, wenn Strom zugeführt wird. Als Beispiel nennt Kramer Mitarbeiterausweise oder Bezahlkarten, die nur dann funktionieren, wenn sie an ein aktives Lesegerät gehalten werden, also einem Stromimpuls ausgesetzt sind. "Wird kein Strom zugeführt, sind die Mikrochip-Implantate tot", so Kramer. Und folglich könne man also damit auch niemanden dauerhaft überwachen.
Fazit
In den sozialen Netzwerken wird ein alter Artikel zu einem Patentantrag geteilt, in dem es darum geht, wie mit Hilfe eines Mikrochip-Implantats Menschen geortet und sogar getötet werden sollen. Damit wollen Corona-Leugner die Impfung gegen SARS-CoV-2 in Misskredit bringen. Dass der Artikel über diesen Antrag aktuell kursiert, ist irreführend. Das Patent wurde im Vorverfahren zurückgewiesen. Mikrochip-Implantate unter die Haut zu setzen ist grundsätzlich möglich, allerdings würde man das Einsetzen spüren. Eine Ortung von Personen anhand dieser Mikrochip-Implantate ist technisch nicht möglich.
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