- Ein Foto von angeblich entsorgten Spenden für die Ukraine verbreitet sich stark über soziale Netzwerke
- Tatsächlich wurden wohl unbrauchbare Kleidungsstücke entsorgt
- Mehr als 200 Tonnen Hilfsgüter aus der Oberpfalz erreichten Ukrainerinnen und Ukrainer mit einem Konvoi
Pappkartons und Müllsäcke türmen sich auf einem großen Platz, im Hintergrund stehen mehrere LKW und ein gelber Container. Seit Ende letzter Woche kursiert ein Foto dieser Szene in sozialen Netzwerken wie Telegram und Twitter. Im vermutlich ersten Posting des Bildes auf Telegram, geteilt am 8. März 2022, heißt es, Hilfsgüter für die Ukraine seien in der Oberpfalz entladen worden und anschließend in der örtlichen Müllverbrennung gelandet. Wurden hier wirklich Spenden weggeworfen?
Foto verbreitet sich in Querdenker-und Reichsbürgerszene
Das Posting der Telegram-Userin verbreitete sich vor allem in Chatgruppen der bayerischen Querdenker-Szene. In einem bekannten Telegram-Kanal aus dem Reichsbürger-Milieu haben inzwischen mehr als 523.000 Nutzerinnen und Nutzer den Beitrag gesehen (Stand: 17. März). Dort wird die Behauptung, die Hilfsgüter seien verbrannt worden, teils kontrovers diskutiert. Während ein Nutzer erläuterte, dass nur unpassende Klamotten verbrannt wurden, erwiderte ein anderer: “Und glaubst du das? Dass es unpassende Spenden in dieser Menge sind, ich glaube es nicht (...)”. In den meisten bayerischen Chatgruppen der Szene aber wurde das Posting unkommentiert weiterverbreitet. Einige User spekulieren außerdem, ob möglicherweise statt der entsorgten Hilfsgüter Waffen in die Ukraine transportiert wurden. Auch den #Faktenfuchs erreichte die Frage, was es mit dem Bild und der Behauptung auf sich hat.
Bild führt zu Hilfskonvoi aus Auerbach
Recherchen des #Faktenfuchs-Teams haben ergeben, dass es sich bei dem Bild tatsächlich um eine Aufnahme aus Bayern handelt. Entstanden ist es in Auerbach in der Oberpfalz. Im dortigen Industriegebiet Leonie startete am 4. März ein Hilfskonvoi mit mehreren LKW Richtung polnisch-ukrainische Grenze. Organisiert hat den Transport der private Regensburger Rettungsdienst RKT, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Auerbacher Spedition Alfred Böhm. Deren rot-weiße LKW sind auf dem Foto erkennbar.
Viele Medien berichteten vor Ort vom Transport, auch der Bayerische Rundfunk. Einige Journalisten begleiteten den Konvoi sogar bis an die Grenze und dokumentierten die Reise und den Entladevorgang der LKW, so wie zwei Reporter der Mittelbayerischen Zeitung. Dass wie im Netz spekuliert auch Waffen geliefert würden, bestätigen die Medienberichte über den Konvoi aber nicht. Laut Konstantin Steinhauser vom RKT wurden mehr als 200 Tonnen Hilfsgüter an die polnisch-ukrainischen Grenze transportiert und von dort aus weiter verteilt: "Teilweise an Schulen in der Ukraine, Flüchtlingscamps vor Ort und auch an ein Krankenhaus in der Ukraine."
Unbrauchbare Hilfsgüter wurden in der Oberpfalz entsorgt
Konstantin Steinhauser bestätigt dem #Faktenfuchs auch, dass es sich bei der Aufnahme um ein Foto von dem Gelände der Spedition Böhm in Auerbach handelt. Auf dem Bild seien vor allem "Verpackungsmüll und nicht geeignete Sachspenden" zu erkennen:
"Wir haben Sachspenden wie z.B. Kisten voll mit Bikinis, Badeschuhen, Krawatten, Hochzeitskleidern, und sogar Dessous und benutzte Unterwäsche erhalten. Diese wurden mit den Unmengen an Verpackungsmaterialien ordnungsgemäß in einer örtlichen Müllverbrennungsanlage entsorgt. Diese Dinge helfen den Flüchtenden an der Polnisch-ukrainischen Grenze nicht weiter." Konstantin Steinhauser, RKT
Auch in einer auf Facebook geteilten Stellungnahme äußert sich der Rettungsdienst RKT. Darin heißt es: "Jetzt zu hören, man würde LKWs leerräumen, um Waffen zu liefern, lässt einen jeden unserer Helfer fassungslos werden."
Landkreis Amberg-Sulzbach unterstützte bei Entsorgung unbrauchbarer Hilfsgüter
Die Pressesprecherin des Landratsamts Amberg-Sulzbach bestätigt dem #Faktenfuchs, dass unbrauchbare Sachspenden entsorgt wurden. Es seien bei der Sammlung "defekte Sachen und dreckige, unbrauchbare Kleidung" abgegeben worden, die "verständlicherweise nicht für den Transport freigegeben werden konnten." Darunter hätten sich beispielsweise getragene Unterhosen befunden. Der Landkreis Amberg-Sulzbach sei dem Hilferuf der Spedition und der Stadt Auerbach gefolgt und habe mehrere Container zur Verfügung gestellt und sich um die "fachgerechte Entsorgung dieser unbrauchbaren Güter" gekümmert. Dabei seien insgesamt 14 Container mit Verpackungsmüll und unbrauchbaren Gütern befüllt und zum Müllkraftwerk Schwandorf zur Verbrennung transportiert worden. Brauchbare Hilfsgüter für die Ukraine, wie Babynahrung, Hygieneartikel oder Isomatten seien nicht verbrannt worden.
Kleiderspenden waren nicht erwünscht
Die Organisatoren den Konvois kommunizierten im Vorfeld über Facebook und Instagram, dass Kleiderspenden nicht erwünscht sind. Auch in Telefonaten und auf Plakaten wurde darauf verwiesen, wie Mitorganisator Gökhan Altincik von der Ambulanten Intensivpflege Bayern dem #Faktenfuchs mitteilt. Kontaktpersonen an der polnisch-ukrainischen Grenze hätten zuvor von "Bergen von Kleidung" vor Ort erzählt, die dort nicht benötigt würden.
Dennoch sei einiges an Kleidung gespendet worden, vieles davon wurde laut Konstantin Steinhauser aus Erlangen geliefert. Dort hatten Privatpersonen auf eigene Faust eine größere Spendenaktion gestartet und sich dem Hilfskonvoi angeschlossen. Eine der Privatpersonen sagt im Gespräch mit dem #Faktenfuchs, dass sich darunter auch neuwertige Kleidung befunden habe. Die Person habe außerdem nicht gewusst, dass Kleiderspenden nicht erwünscht gewesen seien. RKT-Sprecher Steinhauser hingegen schreibt, dass die Person “mehrmals daran erinnert” worden sei, dass diese Dinge nicht benötigt würden.
Laut dem Mitorganisator Gökhan Altincik wurde in Auerbach mehrere Tage versucht, die nicht benötigte Kleidung anderweitig zur Verfügung zu stellen: Es habe Kontakt zu mehreren Kleiderkammern gegeben, es seien auch Leute vor Ort gewesen und hätten einzelne Teile mitgenommen. Am 7. und 8. März 2022 wurde die übrig gebliebene Kleidung zusammen mit großen Mengen an Verpackungsmüll in Kooperation mit dem Landkreis entsorgt.
Wie richtig für die Ukraine spenden?
Der #Faktenfuchs hat sich bei der "Stiftung Verbundenheit" in Bayreuth erkundigt, wie dort mit unerwünschten Spenden umgegangen wird. Auch diese hat bereits zwei Hilfskonvois zur ukrainischen Grenze geschickt. Ein Sprecher erläutert, dass solche Spenden üblicherweise gar nicht erst angenommen würden.
Tatsächlich ist bei vielen Hilfsprojekten für die Ukraine derzeit zu lesen, dass keine Kleidung gesammelt werde, so zum Beispiel bei den "Students for Ukraine" in München, bei der Regensburger Organisation Space Eye oder bei einem Hilfsprojekt des Kulturzentrums GOROD in München. Auch die Caritas am Münchner Hauptbahnhof nimmt derzeit keine Kleiderspenden an.
Der Bedarf an Sachspenden verändert sich allerdings laufend. Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat empfiehlt daher im Gespräch mit BR24, sich im Vorfeld gut zu informieren, was aktuell benötigt wird. Die Organisationen veröffentlichen meist entsprechende Listen. Mit Geldspenden könne am einfachsten und unkompliziertesten geholfen werden. Dankbar seien die Helfer zudem über Wohnraumangebote.
Der Regensburger Rettungsdienst RKT wird sich am heutigen Freitag erneut auf den Weg zur Grenze machen: Dieses Mal werden die Helfer Feldbetten, Teeküchen, Zelte, Heizgeneratoren und Medikamente transportieren. Ziel ist es laut Konstantin Steinhauser, den ankommenden Geflüchteten an der Grenze das Warten auf den Sammeltransport in die Flüchtlingscamps zu erleichtern, da diese teilweise bis zu 16 Stunden in der Kälte stünden.
Fazit
Das Bild, das vermeintlich die Entsorgung von Hilfsgütern für die Ukraine in der Oberpfalz zeigt, ist echt. Es wurde in Auerbach in der Oberpfalz aufgenommen. Dort war im Rahmen eines Hilfskonvois für die Ukraine eine größere Menge an – laut den Organisatoren – unbrauchbaren Sachen gespendet worden, darunter auch dreckige Wäsche oder Hochzeitskleider. Dass keine Kleiderspenden erwünscht waren, hatten die Organisatoren im Vorfeld kommuniziert. Nachdem sich kein Abnehmer für übriggebliebene Sachspenden fand, wurden diese laut einem Mitorganisator gemeinsam mit großen Mengen Verpackungsmüll in Kooperation mit dem Landkreis Amberg-Sulzbach entsorgt. Jedoch wurden mehr als 200 Tonnen Hilfsgüter, darunter Nahrungsmittel und Medikamente, im Rahmen des Hilfskonvois an die polnisch-ukrainische Grenze transportiert, weitere Transporte sind geplant.
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