Der deutsche Staat verfolgt das Prinzip, Mehrstaatigkeit zu vermeiden. Dennoch gibt es Menschen, die mehrere Staatsbürgerschaften haben. Aber wie viele sind erlaubt? Und was können Erklärungen dafür sein, wenn jemand mehrere Staatsbürgerschaften hat? Diese Fragen kommen in den Kommentarspalten der sozialen Medien häufig auf. Der #Faktenfuchs liefert die Antworten - und fängt erst einmal mit den verschiedenen Begriffen an, die eine Rolle spielen.
Was ist die deutsche Staatsbürgerschaft?
Die deutsche Staatsbürgerschaft bestimmt, dass eine Person laut Gesetz Deutsche oder Deutscher ist. Wer sie besitzt, gilt laut Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) als deutscher Staatsbürger, als Bundesbürger. Die deutsche Staatsbürgerschaft erhält man erstens durch Abstammung. Das heißt, wenn Vater oder Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit haben, dann hat das Kind sie auch. Zweitens unter bestimmten Bedingungen durch Geburt in Deutschland oder drittens durch Einbürgerung. Für letztere gibt es Hürden. Für Menschen zum Beispiel, die den rechtlichen Status eines Asylbewerbers oder eines Flüchtlings haben, ist ein Antrag auf Einbürgerung frühestens nach sechs Jahren möglich.
Was ist der deutsche Pass?
In Deutschland können der Personalausweis oder Reisepass die Staatsbürgerschaft nachweisen. Diese beiden Dokumente machen die deutsche Staatsangehörigkeit hinreichend glaubhaft. Jeder Bundesbürger muss einen solchen amtlichen Identitätsnachweis besitzen. Der - Achtung, sperriges Wort - Staatsangehörigkeitsausweis hingegen ist der einzige urkundliche Nachweis für die Staatsbürgerschaft. Diesen braucht man allerdings nur, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft und klärungsbedürftig ist oder eine öffentliche Stelle den Nachweis verlangt.
Dass jemand mehr Pässe unterschiedlicher Staaten als Staatsangehörigkeiten besitzt, sei nicht denkbar, schreibt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) in einer Mail-Antwort an BR24. In Ausnahmefällen kann eine Person mehrere Pässe eines Staates besitzen. Möglich ist auch, dass jemand weitere Staatsangehörigkeiten besitzt, sich aber in den jeweiligen Staaten keinen Pass ausstellen lässt (und damit mehr Staatsangehörigkeiten als Pässe hat).
Wie viele Staatsbürgerschaften kann man in Deutschland haben?
Menschen in Deutschland können mehrere Staatsbürgerschaften haben. Meistens hört man nur von der doppelten Staatsbürgerschaft. Zahlenmäßig etwas offener heißt das Konzept Mehrstaatigkeit, auch in Deutschland, denn: "Eine maximale Zahl von Staatsangehörigkeiten gibt es nicht", schreibt der BMI-Sprecher. Diese Mehrstaatigkeit will der deutsche Staat jedoch grundsätzlich vermeiden.
Wie erklärt sich, dass manche mehrere Staatsbürgerschaften haben?
Deutsche, die auf eigenen Antrag eine andere Staatsangehörigkeit erwerben, verlieren deshalb grundsätzlich automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Will man das nicht, muss dafür ein Antrag gestellt und genehmigt werden. Eine generelle Ausnahme gilt nur für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz. Umgekehrt müssen auch Ausländer bei der Einbürgerung grundsätzlich ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben - doch auch da gibt es Ausnahmen für EU-Bürger.
Für die Einbürgerung - also den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ohne Abstammung oder hier geboren zu sein - gelten bestimmte Voraussetzungen. Diese wurden noch ausgebaut: An Menschen, die sich in Deutschland einbürgern lassen, stellt der Staat noch eine weitere Forderung: Sie müssen eine "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" erfüllen.
Nicht alle Eingebürgerten können andere Staatsbürgerschaften abgeben
Die Voraussetzung, dass bei Einbürgerung die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben ist, gilt auch nicht, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Manche ausländische Staaten sehen das Ausscheiden aus der Staatsangehörigkeit nicht vor oder verweigern es laut BMI regelmäßig, Menschen daraus zu entlassen.
Generell lassen demnach Argentinien und Bolivien ihre Bürger nicht aus der Staatsangehörigkeit ausscheiden. Folgende Staaten entlassen gebürtige Staatsangehörige nicht: Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama und Uruguay. Brasilien enthebt Menschen nicht aus ihrer Staatsbürgerschaft, die in Deutschland leben oder ihre deutsche Staatsbürgerschaft wiedererwerben, und die Dominikanische nicht solche, die gebürtige dominikanische Staatsangehörige sind. Staaten, die in der Regel faktisch kein Ausscheiden aus der Staatsangehörigkeit ermöglichen, sind dem BMI nach: Afghanistan, Algerien, Angola, Eritrea, Iran, Kuba, Libanon, Malediven, Marokko, Nigeria, Syrien, Thailand und Tunesien. Die Türkei zählt nach BMI-Angaben nicht zu diesen Staaten. Nach türkischem Recht ist demnach der Ausstritt aus der Staatsangehörigkeit auf Antrag grundsätzlich möglich. So bürgerte Deutschland 2018 von allen Bewerbern aus der Türkei 87,6 Prozent mit Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit ein.
Abstammung und Geburtsort bestimmen die Staatsangehörigkeiten
Mehrstaater können aber auch Kinder binationaler Eltern sein - entweder wegen ihrer Abstammung, sofern auch das betreffende andere Land das Abstammungsprinzip verfolgt, oder durch den Geburtsort Deutschland. Hat ein Elternteil die deutsche und die französische, der andere die britische und die russische Staatsangehörigkeit, erwirbt das Kind alle vier Staatsangehörigkeiten. Hier gilt das sogenannte Ius sanguinis.
Ein weiterer Grund für Mehrstaatigkeit ist, dass Deutschland sein Staatsangehörigkeitsrecht vor einigen Jahren etwas öffnete. Seit 2000 können auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Damit gilt für sie das sogenannte Geburtsortprinzip (Ius soli) - wenn mindestens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und bei der Geburt des Kindes ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Das sind sogenannte Ius-soli-Kinder. So wäre es zum Beispiel möglich, dass ein Kind, das zwei binationale Eltern hat (ohne deutsche Staatsbürgerschaft), auch die deutsche erhält – und damit fünf Staatsbürgerschaften hat.
Hier geborene Kinder sind deutsch - unter bestimmten Bedingungen
Seit 2014 können diese Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit auch dauerhaft behalten und müssen sich nicht mehr zwischen den Staatsbürgerschaften entscheiden - wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind oder wenn sie neben der deutschen die Staatsangehörigkeit eines EU-Staats oder der Schweiz besitzen. Hierfür änderte der Bundestag die Regeln. Davor mussten diese Kinder mit 18 Jahren wählen, ob sie die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit wollen - das war die sogenannte Optionspflicht.
Nur wer woanders aufgewachsen ist, muss sich auch heute nach dem 21. Lebensjahr entscheiden; für diese Menschen gilt die Optionspflicht noch. In Deutschland aufgewachsen ist laut Gesetz, wer bis einschließlich 21 Jahren acht Jahre in Deutschland lebte, sechs Jahre in Deutschland zur Schule ging oder in diesem Land einen Schul - oder Berufsausbildungsabschluss machte. Diese Menschen sind dann deutsch. Unter Umständen verlangt aber das Recht des anderen Landes, sich zu entscheiden.
Gibt es eine "Haupt"-Staatsbürgerschaft?
Eine Regelung, wonach bei mehreren Staatsangehörigkeiten eine als "bestimmend" gilt, besteht dem BMI zufolge nicht. Wer sich einen deutschen Reisepass ausstellen lässt, braucht die deutsche Staatsangehörigkeit - sie steht dabei aber nicht in einer Rangfolge mit möglichen anderen. Welche Staatsangehörigkeit für die Beurteilung zum Beispiel der Wirksamkeit einer Ehe oder im Scheidungs- oder Namensrecht maßgeblich ist, regelt dem Bundesverwaltungsamt zufolge das Deutsche Internationale Privatrecht (EGBGB).
Wer muss die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben?
Abgesehen davon, dass - im Prinzip - jeder, der eine andere Staatsbürgerschaft annehmen will, die deutsche abgeben muss: Deutsche Staatsangehörige, die freiwillig und ohne vorherige Zustimmung des Bundesministeriums für Verteidigung in den Dienst von Streitkräften oder vergleichbaren bewaffneten Verbänden eines anderen Landes eintreten, dessen Staatsangehörigkeit sie auch besitzen, verlieren die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch. Und Mehrstaater, die sich von Deutschland ab- und einer terroristischen Vereinigung zuwenden, müssen ebenfalls ihren deutschen Pass abgeben (außer sie sind Minderjährige).
Fazit
In Deutschland gibt es keine gesetzliche Begrenzung der Zahl möglicher Staatsbürgerschaften. Der deutsche Staat verfolgt aber das Prinzip, Mehrstaatigkeit grundsätzlich zu vermeiden. Deshalb müssen zum Beispiel sowohl Ausländer, die eingebürgert werden wollen, ihre andere(n) Staatsbürgerschaft(en) abgeben, als auch Deutsche, die anderswo eine Staatsbürgerschaft annehmen wollen, ihre deutsche. Es gibt jedoch Ausnahmen für diese Regeln. Mehrstaater werden aber zum Beispiel auch - unter bestimmten Bedingungen - akzeptiert, wenn sie Kinder von Eltern mit mehreren Staatsbürgerschaften sind.
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