Nach den Plänen der Bundesregierung sollen in den kommenden Jahren jährlich bis zu 100.000 Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das haben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) nach einem Treffen mit 30 Vertretern aus der Fernwärme-Branche und den Kommunen erklärt.
Habeck sagte, dass sich immer mehr Menschen für einen Fernwärmeanschluss interessierten: "Da gibt es einen regelrechten Run, eine hohe Nachfrage." Er betonte nach einem so genannten Fernwärmegipfel, dass es auch darum gehe, Transparenz bei den Preisen herzustellen. Außerdem sieht die Erklärung des Gipfels vor, möglichst schnell einen Plan zu entwickeln, in welchen Gebieten innerhalb der nächsten zehn Jahre Wärmenetze auf- und ausgebaut werden sollen.
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Rund sechs Millionen Haushalte in Deutschland heizen mit Fernwärme
In Deutschland wird – Stand heute – jeder siebte Haushalt mit Fernwärme versorgt, rund sechs Millionen Wohnungen. Vor allem in Großstädten ist diese Art der Versorgung attraktiv. Die Vorteile liegen auf der Hand, sagt Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin: "Bei der Fernwärme können wir die Wärmewende deutlich schneller gestalten. Wenn man sich zum Beispiel die Stadt Berlin anguckt, da haben wir am Fernwärmenetz 1,2 Millionen Haushalte und wenn man die Fernwärmenetze klimaneutral gestaltet, bringt das natürlich viel mehr, als wenn man in alle Häuser einzeln reingeht und überall eine Wärmepumpe einbaut."
Verbraucher, die am Fernwärmenetz hängen, brauchen dann natürlich keine Wärmepumpe, auch dann nicht, wenn der Anschluss an ein Fernwärmenetz absehbar ist. Das haben sowohl Bundesbauministerin Geywitz und Bundeswirtschaftsminister Habeck bestätigt.
Der Großteil der Fernwärme basiert auf fossilen Brennstoffen
Besonders grün ist die Fernwärme in Deutschland allerdings nicht, denn sie wird zu einem hohen Anteil aus Gas und Kohle gewonnen. Das zeigen neue Zahlen der deutschen Energie Agentur. Demnach wird die Fernwärme bislang nur zu 22 Prozent aus erneuerbaren Quellen produziert. Volker Quaschning, der regenerative Energiesysteme erforscht, sagt, dass man in den letzten Jahren viel Zeit verloren hat, um diese Art der Versorgung zu stärken, anders als in anderen Ländern. Es räche sich, dass wir in Deutschland generell die Energie- und auch die Wärmewende im Gegensatz zu anderen Ländern wie Dänemark oder Schweden sehr zögerlich angegangen sei. Aber es helfe alles nichts. Quaschning sagt: "Da müssen wir jetzt durch, und Unternehmen, die die falschen Entscheidungen getroffen haben, müssen sie jetzt korrigieren."
Tatsächlich könnte Fernwärme deutlich klimafreundlicher sein. Dazu müsste man aber die 3.800 deutschen Fernwärmenetze mit Wärme aus erneuerbaren Energiequellen beliefern. Bis 2030 – also schon in sieben Jahren – soll zumindest die Hälfte der Fernwärme aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, also aus Solarkraft, Geothermie oder auch mithilfe von Abwärme aus großen Industrieanlagen oder Rechenzentren. So sieht es das geplante Gebäudeenergiegesetz vor. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?
Umstellung der Fernwärme auf erneuerbare Quellen wird dauern
Bedenken gibt es von verschiedenen Seiten, zum Beispiel vom Verband der kommunalen Stadtwerke. Die finden es schwierig, bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 50 Prozent zu steigern und bis 2035 sogar auf 65 Prozent. Dabei sehen die Stadtwerke eigentlich ein Riesenpotential im Ausbau der Fernwärme. Der Hauptgeschäftsführer vom Stadtwerkeverband, Ingbert Liebing, meint, die Fernwärme könnte verdoppelt oder sogar verdreifacht werden, allerdings, würde das viel Geld kosten. Bis zu drei Milliarden Euro staatlicher Förderung pro Jahr wären dafür notwendig, so Liebing. Auch Städtetag und Städte- und Gemeindebund sehen im Ausbau der Fernwärme eine große Chance für die Energiewende, doch auch sie sagen, der Ausbau der Netze und die Umstellung auf erneuerbare Energien brauche mehr Zeit und vor allem koste er Milliarden.
Ein Vorreiter in Sachen Fernwärme ist zum Beispiel München
In einigen Großstädten ist der Anteil der Fernwärme mit bis zu 30 Prozent schon vergleichsweise hoch, sagt Tibor Fischer von der Deutschen Energie-Agentur in Berlin. Die Behörde hat für das Wirtschafts – und Klimaministerium eine Bestandsaufnahme zur Fernwärme gemacht: "Ein Beispiel ist die Stadt München, hier gibt es eine Vorstudie für die kommunale Wärmeplanung. Baden-Württemberg ist als Bundesland auch Vorreiter und auch Halle ist vorbildlich. Die haben eine Energieallianz gegründet, worum es auch darum geht, alle relevanten Stakeholder – Stadtwerke, Kommune, Verbraucher, Erzeuger an einen Tisch zu holen und sich zu überlegen, wie die Dekarbonisierung der Fernwärme funktionieren kann."
Klar ist aber auch, jede Kommune braucht eine individuelle Lösung. Ein Mammutprojekt, meint Tibor Fischer von der Energieagentur und er sagt auch, worauf es aus seiner Sicht besonders ankommt: "Alle relevanten Akteure in einer Kommune ansprechen, um das Thema integriert und schnell voranzubringen."
Der Ausbau der Fernwärme muss schnell gehen
Tempo ist beim Ausbau der Fernwärme dringend notwendig, wie Bundeswirtschaftsminister Habeck nach dem Fernwärmegipfel klarstellte. In Dänemark hängen 65 Prozent der Bevölkerung an sauberer Fernwärme, so Habeck: "Das haben unsere Nachbarn in den letzten Jahrzehnten geschafft. Es ist kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Deutschland keine Jahrzehnte mehr Zeit hat, um zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen. Wir müssen schneller werden, auch bei der Fernwärme."
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