Fernwärme-Rohre  (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance/dpa | Christian Charisius
Bildbeitrag

Fernwärme-Rohre (Symbolbild)

Bildbeitrag
>

100.000 Haushalte sollen jährlich ans Fernwärmenetz

100.000 Haushalte sollen jährlich ans Fernwärmenetz

Die Bundesregierung will laut Bauministerin Geywitz jährlich 100.000 Haushalte an die Fernwärme anschließen. Wer mit einem Anschluss rechnen könne, müsse sich um seine Heizung "keinen Kopf machen", die Verpflichtung zum Neueinbau könne entfallen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) wollen die geplanten Vorschriften für den Einbau neuer Heizungen zugunsten des Ausbaus der Fernwärmenetze lockern. In Deutschland sollten in den kommenden Jahren jährlich Tausende Haushalte in Deutschland Zugang zur Fernwärme bekommen, so Geywitz. "Das Ziel ist erstmal, 100.000 Haushalte pro Jahr zusätzlich anzuschließen", erklärte sie bei n-tv.

Wer Fernwärme bezieht, braucht keine Wärmepumpe

Wer an ein solches Netz angeschlossen sei, müsse sich dann auch keine Gedanken über eine Wärmepumpe oder andere Alternativen machen, betonte Geywitz: "Wenn man im Fernwärmegebiet ist, muss man sich eigentlich um seine individuelle Heizung keinen Kopf machen, sondern kann sich an die Fernwärme anschließen."

Wenn klar sei, dass jemand innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden könne, "dann kann der so lange natürlich auch weiter heizen wie bisher und weiß: Wenn die Heizung dann eines Tages kaputt ist, muss man sich nicht individuell eine Lösung suchen, sondern dann kann man sich an die Fernwärme anschließen."

Lockerung beim Einbauverbot in Sicht?

Bei einem Treffen mit Kommunen und Branchenvertretern wollen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Geywitz (SPD) heute ein "deutliches Aufbruchssignal" für den klimaneutralen Um- und Ausbau der Fernwärmeversorgung setzen.

Vorgesehen ist eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes - das sogenannte Heizungsgesetz - sowie eine Reform der kommunalen Wärmeplanung. Laut Gesetzentwurf sollen Länder und Kommunen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Dies soll Bürgern eine wichtige Orientierung geben, indem sie erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird - oder sie ihre Heizung absehbar auf eine Wärmepumpe oder andere Optionen umrüsten sollten.

Anschluss-Frist bis zum Jahr 2034

Die "Augsburger Allgemeine" hatte vor dem Treffen bereits gemeldet, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sein geplantes Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen weiter lockern wolle. Unter Berufung auf eine Beschlussvorlage für das Gespräch Habecks mit der Energiewirtschaft berichtete das Blatt, Hausbesitzer sollten beim Heizungstausch keine Wärmepumpe einbauen müssen, wenn Straßenzüge oder Stadtteile an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Das umstrittene, im Kabinett bereits beschlossene Gesetz zum Heizungstausch sieht eine solche Regelung bereits vor. Demnach soll auch eine besondere Übergangsfrist gelten, wenn die alte Öl- oder Gasheizung kaputt geht, die Erschließung mit Fernwärme von der Kommune aber bereits zugesagt ist. Eigentümer müssen sich dann verpflichten, den Anschluss an ein Wärmenetz bis allerspätestens Ende 2034 sicherzustellen - und dürfen so lange zum Beispiel noch eine Gasheizung nutzen.

Dem von der Zeitung zitierten Papier von Habeck zufolge soll für Fernwärme-Nutzer dann die Pflicht wegfallen, eine neue Heizung einzubauen, die mit 65-Prozent erneuerbaren Energien betrieben wird. "Wenn ein Wärmenetzbetreiber einen solchen Ausbau verbindlich verfolgt, sollten daran interessierte Gebäudeeigentümer:innen (...) von der Pflicht zum Einbau einer die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllenden Heizung befreit werden", heißt es.

Fernwärme-Anteil soll auf ein Drittel steigen

Fernwärme ist Wärme, die nicht im Wohnhaus erzeugt wird, sondern aus einem Kraft- oder Heizwerk in der Umgebung kommt. Meistens wird dort Wasser erhitzt, das dann durch isolierte Rohre in die Häuser geleitet wird. Im Jahr 2045 sollen nach dem Willen der Bundesregierung etwa ein Drittel aller Gebäude auf diesem Wege geheizt werden. Heute liegt der Anteil der Fernwärme erst bei rund zehn Prozent. Etwa jede siebte Wohnung in Deutschland wird mit Fernwärme beheizt, 2020 lag die Trassenlänge bei mehr als 31.000 Kilometern.

Die Energie stammt aktuell noch zu rund 70 Prozent aus klimaschädlichen, fossilen Energieträgern, also vor allem Kohle und Gas. Bis 2030 sollen die Wärmenetze aber zu mindestens 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien oder Abwärme gespeist werden, bis 2045 müssen sie komplett treibhausgasneutral sein.

Stadtwerke wollen Milliarden vom Bund

Kurz vor dem Fernwärmegipfel hatten Vertreter der Städte und der kommunalen Unternehmen allerdings flexiblere Zeitpläne und Energie-Quoten für Wärmenetze gefordert. Der Verband kommunaler Unternehmen VKU, der insbesondere Stadtwerke vertritt, sieht noch Hürden für einen Ausbau.

Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing forderte unter anderem eine längere, milliardenschwere staatliche Förderung. Beim Bau von Fernwärmenetzen gehe es um "kapitalintensive Projekte". Deswegen müsse es beim Treffen mit Habeck und Geywitz wird "auch um Finanzierungsfragen gehen". Die Bundesförderung für Wärmenetze laufe aber 2026 aus. Bis dahin seien drei Milliarden Euro im Topf: "Diese drei Milliarden Euro brauchen wir aber bis in die Mitte der 30er Jahre jährlich an staatlicher Förderung."

Gegen "Fokussierung auf die Wärmepumpe"

"Ich erwarte vom Fernwärmegipfel einen wesentlichen Impuls und konkrete Vorschläge", erklärte Liebing. Die Fernwärme solle und werde einen wesentlichen Beitrag dazu leisten müssen, insgesamt die Wärmewende hinzubekommen. Es dürfe keine Fokussierung nur auf die Wärmepumpe geben: "Sie wird, das wissen auch alle, bei realistischer Betrachtung nur eine Lösung sein."

Es müsse daher "eine Verzahnung des Gebäudeenergiegesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung geben", sagte Liebing. Der Ausbau der Fernwärme habe hohes Potential, am Ende werde über den Ausbau der Fernwärme aber "vor Ort entschieden - durch die Versorger und durch die Kommunen, die Klarheit für die Kunden und für die Netzbetreiber schaffen müssen. Wo sehen sie Potenzial für Fernwärme, wo weniger? Wo geht es eher über elektrische Lösungen? Oder wo geht es vielleicht auch durch die Umstellung von Gas- auf Wasserstoffnetz?"

Kommunen fordern Absicherung durch Anschlusszwang

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, forderte in der "Rheinischen Post" ebenfalls eine Verzahnung der kommunalen Wärmeplanung mit dem Gebäudeenergiegesetz. Gleichzeitig verlangte er eine Absicherung der Kommunen gegen das Risiko, das teure errichtete Fernwärmenetze anschließend nicht ausreichend genutzt werden. Über die Länder müsse "geregelt werden, dass bei der Etablierung eines Nah- oder Fernwärmenetzes im Regelfall auch ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, um die Wirtschaftlichkeit der Systeme zu sichern", sagte Landsberg.

Im Audio: Fernwärmegipfel: Was plant die Bundesregierung?

Fernwärmegipfel: Was plant die Bundesregierung?
Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Audiobeitrag

Geywitz und Habeck (Archivbild)

Wirtschaftsverbände unterstützen Fernwärme-Ausbau

Wirtschaftsverbände reagierten positiv auf den Ausbau der Fernwärme. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht Fernwärme als "zentralen Baustein für eine erfolgreiche Wärmewende". Das gelte nicht nur für Städte, sondern biete auch Potenziale im ländlichen Raum, sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, der "Rheinischen Post".

Der Vize-Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks, sagte der dpa: "Viele Betriebe sehen in der Fernwärme eine Chance für die klimafreundliche Versorgung ihrer Gebäude oder ganzer Gewerbegebiete." Darum sei es richtig, den Aus- und Umbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung stärker in den Fokus zu nehmen. "Wie uns die Rückmeldungen aus den Unternehmen vor Ort zeigen, hängt die Akzeptanz dafür aber an wichtigen Voraussetzungen: Im Zentrum stehen dabei wettbewerbsfähige und langfristig kalkulierbare Preise."

"Gefahr massiver Fehlinvestitionen" und "unregulierter Monopole"

Die Deutsche Umwelthilfe forderte verbindliche Ziele für die Umstellung der Fernwärme weg von Kohle und Gas. Der Anteil von 50 Prozent erneuerbarer Wärme beziehungsweise unvermeidbarer Abwärme müsse für alle Wärmenetze bis 2030 verpflichtend werden. Sonst berge ein Ausbau "die Gefahr massiver Fehlinvestitionen".

Die Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz auf dem Fernwärmemarkt. Wärmenetze seien ein Markt, "wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben", sagte Verbandschefin Ramona Pop den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Union fordert Perspektiven für Ausbau des Fernwärme-Netzes

Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung, forderte von Habeck und der Ampelkoalition einen energischen Ausbau der Fernwärme. "Wir brauchen jetzt klare Perspektiven für Nah- und Fernwärme statt weiter einseitige Priorität für die Pumpe", sagte Jung der "Augsburger Allgemeinen". Jung hält es außerdem für unrealistisch, die Fernwärme bis 2030 zur Hälfte mit Erneuerbaren Energien zu betreiben, wie es in der Beschlussvorlage steht. "Sollte die Ampel an den strikten Vorgaben in ihren Plänen festhalten, werden die Wärmenetze abgestellt statt umgestellt", monierte Jung.

Mit Informationen von dpa und AFP

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!