Gas-Kunden müssen voraussichtlich ab Oktober eine neue Abgabe wegen russischer Lieferkürzungen und der rasant gestiegenen Einfuhr-Preise zahlen. Mit der Umlage erlaubt die Regierung den angeschlagenen Importeuren die schnelle Weitergabe von Kosten an Haushalte und Industrie trotz bestehender Verträge.
Die Umlage könnte zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde betragen. "Das ist ein schwieriger Schritt. Ein Schritt, der eine hohe Belastung mit sich bringt", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Gasumlage sei "kein guter Schritt, aber ein notwendiger Schritt". Die genaue Höhe der Umlage stehe noch nicht fest: "Aber die bittere Nachricht ist: Es sind sicherlich einige hundert Euro pro Haushalt." Daher müssten Menschen gezielt entlastet werden. Habeck stellte aber auch klar: "Gezielt entlastet heißt: Wir können nicht alle Kosten als Staat tragen."
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Importeure müssen Gas teuer nachkaufen - Existenznöte entstehen
Hintergrund des Vorgehens der Regierung ist, dass Importeure wie Uniper die ausgefallenen Russland-Lieferungen kurzfristig und teuer am Markt nachkaufen müssen. Wegen bestehender Verträge mit den Kunden dürfen sie diese aber bisher nicht weitergeben. Das hat vor allem Uniper in Existenznöte gebracht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Gasumlage in der vergangenen Woche angekündigt.
90 Prozent der Extra-Kosten der Importeure können weitergegeben werden - und zwar mit einem gleichen Betrag pro Kilowattstunde für jeden, unabhängig davon, wo er seinen Vertrag geschlossen hat.
Habeck: Umlage schützt Gas-Versorger
Habeck sagte in Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt, mit der Umlage könne man Importeure und Versorger stützen. Diese könnten wieder Geld verdienen, eine Pleite-Gefahr könne abgewendet werden. "Jedenfalls gehen wir davon aus, dass dieser Umlage-Mechanismus den Markt beruhigt und die Unternehmen stabilisiert."
Sorge vor Überlastung der Endkunden
Der Verband Kommunaler Unternehmen, der die Stadtwerke vertritt, lobte das Vorgehen, warnte aber vor einer Überlastung der Endkunden: "Das erfordert ausreichend Zeit zur Weitergabe durch die Stadtwerke, den Einbezug aller Endkunden von Energie sowie die Möglichkeit, die Belastung zeitlich zu strecken und notfalls mit Steuermitteln zu dämpfen", sagte ein Sprecher.
Die Verordnung muss zunächst das Kabinett passieren. Ab Oktober kann dann die Differenz zwischen den laufenden Tarifen und den Extra-Kosten der Importeure für einen Zeitraum bis Ende März 2024 geschätzt und auf die Kilowattstunden umgelegt werden. Im Nachhinein soll es aber eine genaue Abrechnung geben. Dafür muss die nötige Menge an Ersatz-Beschaffung und deren Preis zu den festgelegten 90 Prozent ermittelt werden. Abgezogen werden die ohnehin laufenden Zahlungen der Kunden. Die Differenz ergibt dann die Umlagen-Gesamtsumme, die dann gleichmäßig verteilt wird. Eine erste Berechnung soll im August veröffentlicht werden.
Habeck sieht noch Gesprächsbedarf was Entlastungen betrifft
Bei einem Besuch der Stadtwerke Bayreuth am Donnerstagnachmittag betonte Habeck, dass er aber noch Gesprächsbedarf über zusätzliche Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sehe. Es gebe eine "Zone", die politisch noch nicht "ausgeleuchtet" sei. Habeck sprach von "Normalverdienenden", die aber nicht eklatant viel Geld pro Monat verdienten. "Weil ich zu wissen glaube, welche Belastungen da kommen können, bin ich klar auf der Seite, da großzügiger zu sein."
Am Rande eines Bürgerdialogs hatte es in Bayreuth am Donnerstagabend aber auch laute Pfiffe und Buhrufe gegen Habeck gegeben. Viele Bürger riefen ihm zu "Hau ab". Auf Plakaten wurde der Grünen-Politiker als "Kriegstreiber" bezeichnet. Die Protestierenden waren insgesamt in der Minderheit bei der Veranstaltung mit geschätzt mehreren Hundert Teilnehmern.
Habeck verteidigte den Kurs der Bundesregierung und warb um Austausch und Dialog. Mit Blick auf stark gestiegene Energiepreise sagte er, die Wurzel sei der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Das diktatorische Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin dürfe nicht siegen. Die aggressive Politik dürfe sich nicht durchsetzen. Deutschland müsse so schnell wie möglich unabhängig von russischen Energien werden.
Geteiltes Echo zur geplanten Gasumlage
Die von der Bundesregierung geplante Gasumlage hat ein geteiltes Echo hervorgerufen. CDU-Vizechef Jung warnte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio vor einer sozialen Schieflage. Es kämen neue konkrete Belastungen - bei den Entlastungen bleibe die Bundesregierung schwammig. Der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft äußerte sich dagegen positiv. Die Gasumlage sei notwendig, um Gasversorger vor der Insolvenz zu bewahren, erklärte der Verbandsvorsitzende Fischer im Interview mit dem BR. Er räumte ein, dass auf die Haushalte erhebliche Mehrkosten zukämen. Menschen, die durch die hohen Heizkosten in ihrer Existenz bedroht würden, sollten vom Staat unterstützt werden.
Kritik kommt von den Linken
Scharfe Kritik am Kurs des Wirtschaftsministers kommt auch von den Linken. Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Gasumlage "inakzeptabel". "Die notwendige Rettung von Uniper wird durch die Entscheidungen der Bundesregierung wesentlich auf die Verbraucher abgewälzt", bemängelte er.
Strengere Vorschriften für Füllstand der Gasspeicher ab Freitag
Neben der Gasumlage kommt an diesem Freitag eine weitere Veränderung ins Spiel: Zur besseren Vorsorge in der Energiekrise treten strengere Vorschriften für den Füllstand der Gasspeicher in Kraft. Die Speicher sollen zum 1. September zu zwei Dritteln gefüllt sein, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Damit dürfe auch bei geringen Gaszuflüssen nicht ausgespeichert werden. Zusätzlich werden die bisherigen Vorgaben erhöht: Zum 1. Oktober müssen die Speicher zu 85 Prozent gefüllt sein, zum 1. November zu 95 Prozent. Die zusätzlichen fünf Prozentpunkte zum November bedeuteten rund eine Milliarde Kubikmeter Gas, erklärte das Ministerium.
Hintergrund der Maßnahmen sind die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland. Die deutschen Betreiber gehen trotzdem davon aus, dass weiter Gas in den Speichern gelagert werden kann. Bei anhaltend hohen LNG-Importen sei sehr wahrscheinlich noch ein Füllstand von über 90 Prozent bis zum 1. November zu erreichen, hieß es zuletzt.
Die Rechnung beruht allerdings auf der Annahme, dass der Gastransport durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter bei 20 Prozent der maximalen Kapazität liegt. Fiele dieses Gas auch noch weg, müsste die Lage neu bewertet werden. Zuletzt waren die deutschen Speicher zu rund 67 Prozent gefüllt.
Mit Material von Reuters, AFP und dpa.
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